Iranerinnen: Solidarität zum 8. März!
Am 8. März ist es wieder soweit: Internationaler Frauentag! Anlass für kleinere Demos - und vor allem: für größere Sektempfänge in deutschen Rathäusern. Stößchen! Auf die Frauenrechte! Schließlich geht es uns noch Gold gegen... gegen die Frauen in den islamischen Ländern zum Beispiel.
Rund 5.000 Kilometer östlich, im Iran zum Beispiel, kann es sein, dass gerade wieder eine Frau auf der Straße zusammengeschlagen oder in den Kerker geworfen wird. Einfach nur, weil sie etwas getan hat, was hierzulande ganz selbstverständlich ist: Mit unbedecktem Haar durch die Straßen zu laufen. Vielleicht hat sie sogar - in Teheran, Isfahan oder Mashhad – ihren Schleier an einen Stock gebunden und ihn wie eine Fahne geschwenkt.
Die Rede ist von den iranischen Frauen, die seit Ende Dezember immer mehr werden. Sie nennen sich die „Mädchen von der Revolutionsstraße“ oder schließen sich der White-Wednesday-Bewegung an, dem weißen Mittwoch. Die meisten sind Einzelkämpferinnen. Junge oder auch alte Frauen, die auf Stromkästen oder auf Brunnen klettern, unverschleiert.
On Wednesday, Iran, Enghlab Ave. this brave woman who hung her scarf on a stick & waved it in the air in protest to compulsory hijab.She got arrested.
ميدان انقلاب چهارشنبه و اعتراض نمادين به حجاب اجباري. بازداشتش كردند.#چهارشنبه_های_سفید
#whitewednesdays pic.twitter.com/NR7M8LSdYT— My Stealthy Freedom (@mystealthyorg) December 28, 2017
Vida Movahed in Teheran war die erste, die es am 27. Dezember gewagt hat, ihren Schleier an einen Stock zu binden und kämpferisch zu schwenken. Sie wurde prompt verhaftet, doch nach einigen Tagen wieder freigelassen. Seither vergeht kaum ein Tag, an dem nicht ein neues Video in den Sozialen Medien den Protest der Iranerinnen in die Welt hinausträgt.
Was die Mehrheit der Iranerinnen im Jahr 2018 eint: Nach 39 Jahren Scharia-Diktatur reicht es ihnen! Mit dem Schleierzwang im Iran, der nicht nur in ihren Augen das Symbol für die Entrechtung der Frauen ist.
Weltweit rufen darum jetzt die freieren Iranerinnen im Exil zum 8. März zur Solidarität mit ihren Schwestern auf. Allen voran die in New York lebende Exil-Iranerin Masih Alinejad, Initiatorin der Online-Kampagne „My Stealthy Freedom“ gegen den Schleier-Zwang, dem sich seit 2014 Tausende Iranerinnen angeschlossen haben, im Inland wie Ausland. „Ihr könnt uns unterstützen, indem ihr auf euren Frauendemos einen weißen Schal an einem Stock schwenkt“, so steht es in ihrem Aufruf zum 8. März.
Zum Beispiel auf der Demo zum „Frauenkampftag“ um 17.30 Uhr auf dem Gänsemarkt in Hamburg. Auch hier fordern Exil-Iranerinnen wie Hourvash Pourkian von der „Kulturbrücke Hamburg“ den Protest zu nutzen, um Solidarität mit den Iranerinnen zu flaggen. „Das iranische Regime hat offiziell angekündigt, noch härter gegen friedlich protestierende Frauen angehen zu wollen. Da ist es unsere Pflicht, uns mit ihnen zu solidarisieren gegen das brutale Vorgehen des islamischen Regimes“, sagt Hourvash Pourkian.
In Aachen ruft das Iranische Kulturzentrum "Rahaward" zur Demo "Nein zur Zwangsverschleierung" auf, los geht es um 17.30 Uhr am Elisenbrunnen. Und auch in Köln wird zum 8. März zu einer Demonstration „Nein zum Kopftuch!“ aufgerufen, unter anderem vom „Zentralrat der Ex-Muslime“, Start: 17 Uhr auf der Domplatte. Eine der Sprecherinnen ist die iranische Frauenrechtlerin Mina Ahadi, die seit Jahrzehnten von Deutschland aus gegen die Repression des Mullah-Regimes kämpft. Sie erklärt: „Der Protest der Frauen im Iran zeigt, dass das Kopftuch nicht einfach ein Kleidungsstück ist, wie auch in Deutschland so gerne verharmlosend behauptet wird, sondern ein Symbol der Unterdrückung und Rechtlosigkeit von Frauen. Auch die Frauen im Iran wollen Freiheit und ein selbstbestimmtes Leben. Doch das Kopftuch steht im 21. Jahrhundert für eine barbarische und frauenfeindlichen Politik.“
So sieht das auch die Frauenrechtlerin Monireh Kazemi in Frankfurt. Sie klagt: „Seit langem versucht das iranische Regime, das Tragen des Schleiers als Tradition zu deklarieren. Obwohl jährlich dreieinhalb Millionen Frauen durch die Sittenpolizei verhaftet oder bestraft werden, wird hierzulande nicht über Zwangsverschleierung gesprochen“. Zusammen mit weiteren Exil-Iranerinnen hat sie zum 8. März eine Petition gestartet, die sich hilfesuchend an die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini wendet. Darin fordern die Iranerinnen "die sofortige Freilassung" der im Iran inhaftierten Aktivistinnen und die "Abschaffung der Zwangsverschleierung und Sonderpolizei".
https://www.youtube.com/watch?v=XqLZsFXx0XE
Vor wenigen Tagen erst kursierte ein Video im Netz, das zeigt, wie ein Polizist eine der protestierenden Frauen brutal von einem Stromkasten stößt. Trotz ihrer Verletzungen wurde sie sofort verhaftet.
Auch Amnesty International meldet, dass zu Jahresanfang alleine in Teheran über 35 Frauen entweder „brutal angegriffen" oder "verhaftet wurden", weil sie sich den Protesten angeschlossen haben. Einige dieser Frauen sind wieder auf Bewährung frei, wie Vida Movahed. Von anderen fehlt jede Spur.
Der 8. März ist für diese Frauen kein Sekttag, sondern ein Kampftag für ihre elementarsten Menschenrechte.