In Hamburg wurden zwei lesbische Frauen kirchlich getraut. Zum erstenmal in der Bundesrepublik vollzog ein Geistlicher für ein homosexuelles Paar die Trauungszeremonie. Zum erstenmal fand eine Eheschließung zwischen zwei Frauen vor einem Millionenpublikum statt, denn Springers "Bild" ("Lesben-Hochzeit: Liebe auf den ersten Blick") und "Bild der Frau" ("Das lesbische Ehepaar: Ein Herz und eine Seele") zusammen 7,5 Millionen verkaufte Auflage - schlagzeilten die 27jährige Taxifahrerin Sabine Löschenkohl und die 28jährige Hausfrau Sylvia Hansen zum Traum-Paar des Jahres.
Was das Boulevardblatt mit dem hauseigenen Unterton ("Wie klappt die Ehe der lesbischen Frauen?" - "Oft tiefe Enttäuschung mit Männern") gegen ein mehrstelliges Exklusiv-Honorar als Realität verkaufte, davon können Homosexuelle (Frauen wie Männer) heute in Wahrheit nur träumen: Traumpaar oder ganz einfach nur Ehepaar zu sein. Vielleicht erklärt auch das die Heiratsfreudigkeit so mancher homosexueller Frauen?
Hamburg - "Camelot": An der Bar sitzen Frauen mit Frauen, in den Nischen schmusen Frauen mit Frauen, unter der Tango-Kugel tanzen Frauen mit Frauen. "Wenn das möglich wäre, würde ich sofort bei meiner zukünftigen Schwiegermutter um Susis Hand anhalten. Die alte Dame würde ganz schön gucken. Wahnsinn! Ich kriege jetzt schon weiche Knie", strahlt Gisela, 48 Jahre alt und Buchhalterin in einer kleinen Speditionsfirma. "Wir sind schließlich seit 15 Jahren zusammen, und Susi bekäme später meine Rente."
Sigried, Mathematiklehrerin und 33 Jahre alt: "Heiraten? Aber klar! Von meinen vier Schwestern sind inzwischen zwei wieder geschieden, nach vier und fünf Jahren Ehe. Aber die haben alle eine solide Aussteuer von meinen Eltern bekommen. Bloß ich bin leer ausgegangen. Dass Gabi und ich seit sieben Jahren zusammenleben, zählt eben nicht."
Berlin - "Dinelo": Eine Damenbar mit Billardtisch und Restaurant-Betrieb. "Aber sicher würde ich heiraten, sofort, schon aus steuerlichen Gründen", reagiert die 30jährige Steuerberaterin Annegret prompt. Petra, 28 Jahre alt, ist zur Zeit erwerbslos, sie wehrt entsetzt ab: "Auf keinen Fall! Dann müssten wir ja sonntags immerzu meinen Eltern, so wie mein Bruder mit seiner Frau". Simone, 22 Jahre alt, arbeitet in einem Frauenprojekt: "Kirchlich würde ich es nie machen. Das bringt ja nichts. Aber in Frack und Zylinder vorm Standesamt - geil! sag ich nur."
Wenige Tage später ist in der Hamburger Lesbenszene die Stimmung am umschlagen. Der Unmut gegen die beiden Frauen wächst. Die haben doch, so nehmen inzwischen die Frauen in den Hamburger Lesbenlokalen an, den Pastor "gelinkt". Dass die längst fällige Diskussion um die Frage Recht auf Ehe und Recht auf die Vorrechte von Ehepaaren auch für homosexuelle Lebensgemeinschaften nun in Gang gekommen ist, finden die meisten in Ordnung. Allein, dass ausgerechnet die beiden Frauen, die ihre Hochzeit an Springers "Bild" verkauft haben, die Diskussion auslösten, empört die meisten. "Das ist doch nur eine Show gewesen", ist nahezu durchgängig die Meinung. Und empörend auch - so die Ansicht vieler lesbischer Frauen - wie hier zwei Frauen das traditionelle und frauenfeindliche Klischee "Macker und Hausmütterchen" mitmachen und über ihre Sensations-Hochzeit durch "Bild" verkaufen und verbreiten lassen.
"Es stimmt leider", so eine Lesbe in den "Ika-Stuben", dass "unter uns immer auch noch Frauen sind, die das typische Macker-Image ausleben, die sich hier an die Bar stellen und sagen: ,Gib mal 'n Bier rüber, ich hab' heute Abend freie Bahn, meine Alte ist zuhause geblieben'." Dass nun ausgerechnet zwei Frauen, die diesem Klischeebild zu entsprechen scheinen (zumindest nach der Darstellung von "Bild") über Springers Massenblatt die "lesbische Ehe" verkaufen, passt vielen nicht. Die Ablehnung gegenüber diesem ,,irgendwie perversen Komplott" lesbische Hochzeit in "Bild" geht sogar soweit, dass viele der Meinung sind, der ganze Rummel schade mehr als dass er nütze.
Dass zwei lesbische Frauen über die "Bild"-Zeitung als "frisch Vermählte den Rest der Welt" grüßen, die "Himmelsmacht der kirchlich abgesegneten Liebe" preisen und dazu noch "richtig spießig in herkömmlichen Trauungsklamotten" vor den Altar getreten sind, das scheinen aber vor allem heterosexuelle Feministinnen übel zu nehmen - besonders diejenigen, die selbst schon eine Scheidung hinter sich haben und von der Ehe nun wirklich nichts mehr wissen wollen.
Schließlich wissen gerade Feministinnen nur zu gut, dass die Institution Ehe Hauptschauplatz patriarchalischer Disziplinierung und Ausbeutung von Frauen ist. Als Institution bietet die Ehe allerdings auch sozialen Schutz, ökonomisch wird sie vom Staat gefördert: Witwenrente, Erbrecht, steuerliche Vergünstigungen, Erbschaftssteuerrecht, Krankenversicherung über den Partner, hinzu kommen Zeugnisverweigerungsrecht im Strafverfahren, das Recht, nach dem Tod der Ehefrau/des Ehemannes das Mietverhältnis fortzusetzen, Bevorzugung bei der Vergabe von Studienplätzen (wegen sonst drohender Versetzung an einen anderen Ort), Asylrecht, Ausländerrecht um nur einige der Vorteile von Eheleuten zu nennen.
Die Ehe einzugehen mit einem Menschen ist - egal was man/frau sonst von der Ehe hält - außerdem ein elementares Menschenrecht. Ein Menschenrecht, das im 3. Reich zum Beispiel Juden, Blinden und Prostituierten abgesprochen wurde. Ein Menschenrecht, das heute Homosexuellen nicht zugestanden wird. Was sagt also die Deutsche Liga für Menschenrechte in München dazu? General-Sekretär, Rechtsanwalt Weyrich zu EMMA: "Man kann sagen, die Moral gebietet ein Nein. Man kann genauso sagen, es soll jeder tun, was er will. Da die Frage in keinem Artikel der Menschenrechte der Uno berührt wird, verletzt es die Menschenrechte nicht, wenn zwei Homosexuelle getraut werden." - "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Gesellschaft, in der er lebt" (Rosa von Praunheim).
Es war dem General-Sekretär nicht klarzumachen, dass die Frage umgekehrt gemeint war: nämlich, ob es ein Verstoß gegen Menschenrechte von Homosexuellen ist, dass sie als Menschen mit (Ehe)Rechten erst gar nicht vorkommen ...
"Der Gesetzgeber hat schlichtweg vergessen, die Ehe zwischen homosexuellen Menschen ausdrücklich zu verbieten. Es steht nirgendwo geschrieben, dass Gleichgeschlechtliche nicht heiraten dürfen", gibt Kurt Zinke, 57 Jahre alt und Leiter des Standesamtes in Hamburg-Altona, Auskunft. "Hin und wieder bekomme ich telefonisch Anfragen. Da wollen zwei Männer heiraten oder auch zwei Frauen. Juristisch wäre es möglich. Die Betroffenen könnten darum, nachdem sie vom Standesbeamten sozusagen wegen eines ungeschriebenen Gesetzes abgewiesen wurden, zum Amtsrichter gehen und klagen."
"Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich", heißt es in Artikel 4 des Grundgesetzes. Professor Reinhard! Hummel von der als ,,progressiv" bekannten "Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen" in Stuttgart zu EMMA: "Das ist eine innerkirchliche, sozialethische Frage. Eine persönliche Meinung, die Sie zitieren wollen? Nee. Oder doch: Warum hat der Pastor das denn überhaupt gemacht?" - emma: ,,Vielleicht aus Menschlichkeit?" - Professor Hummel: "Rein menschlich könnte man das sogar machen, wenn man die Hauskatze mit dem Haushund traut."
Am 18. April, wenige Tage vor der Kreuzigung und Auferstehung des Herrn, fand in der Friedenskirche in Hamburg-Altona die Trauung statt. Die Orgel spielte, und dann hieß Pastor Christian Arndt ("Mir haben noch nie so die Knie gezittert wie vor dieser Trauung") die beiden zu vermählenden Menschen willkommen: "Liebe Frau Hansen, liebe Frau Löschenkohl, liebe Gäste!" Unter den wenigen Gästen war auch - was der junge Pastor nicht wusste - eine Redakteurin der "Bild"-Zeitung.
"Zu diesem Gottesdienst möchte ich Sie und alle herzlich begrüßen! Wir wissen, dass es nicht oder besser gesagt noch nicht selbstverständlich ist, dass ein Paar wie Sie getraut wird, das heißt doch, Gottes Segen erhalten für den gemeinsamen Lebensweg. Ich wünsche Ihnen beiden und uns allen, dass das Fest, das Sie heute feiern, angenehme Erinnerungen hinterlässt." Sie sangen "Lobet den Herrn", und es folgte die Lesung: "Preis der Liebe", Korinther, Kapitel 13, Vers eins bis sieben: "Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz oder eine klingende Schelle." - "Sie vertraget alles, sie glaubet alles, sie hoffet alles, sie duldet alles." Auch die Ehe zwischen zwei Frauen? "Wollen Sie sich einander annehmen, so wie Sie sind, und in guten wie in schweren Stunden einander nicht im Stich lassen und darauf vertrauen, dass Gott Sie beide gnädig durch die Zeiten führt? - so antworten Sie bitte gemeinsam: Ja, das wollen wir!" Und Sabine und Sylvia antworteten gemeinsam: "Ja, das wollen wir!"
Pastor Arndt segnete die beiden Frauen und sprach: "Gebt Euch nun einander die Ringe als Zeichen Eurer Verbundenheit." Und Sabine und Sylvia gaben einander die Ringe. Dass er ihnen auch noch eine Urkunde mit Siegel überreichte, war rührend, wird aber möglicherweise dazu führen, den mutigen und in seiner Gemeinde überaus geschätzten wie beliebten Pastor obendrein wegen "Amtsmissbrauch" belangen zu können.
"Jetzt laufen quasi die Ermittlungen gegen ihn", war von der Nordeibischen Kirche in Hamburg zu erfahren. Es gebe vier Möglichkeiten: "Erstens - gar nix, zweitens - Verweis, oder drittens - das kirchliche Disziplinargericht verlangt die Versetzung, und viertens kann die kirchliche (Spruchkammer ohne langes förmliches Verfahren und Anhörung die Versetzung verhängen. Aber bis dahin können noch einige Wochen vergehen. Wir haben viele Disziplinarverfahren laufen." Inzwischen hat die Kirchenleitung der Nordeibischen evangelisch-lutherischen Kirche offiziell die "sogenannte ‚Trauung' zweier Frauen in der Friedenskirche Altona" für "null und nichtig" erklärt. "Die Kirche", heißt es in der Pressemitteilung, "darf sich nicht leiten lassen von einer gesellschaftlichen Diskriminierung homophil veranlagter Menschen. Sie darf aber auch nicht das in der Homophilie deutlich zum Ausdruck kommende Zurückbleiben hinter dem Schöpfungsgebot Gottes rechtfertigen. Die Kirchenleitung bedauert es, wie der Segen Gottes zum Gegenstand fragwürdiger Bestrebungen gemacht wurde."
Mit dieser Ansicht befindet sich die Kirche in schlechter Gesellschaft. Kaum war die "Bild"-Zeitung am Tag nach Ostern erschienen, meldeten sich gegen fünf Uhr morgens die ersten anonymen Anrufer bei Pastor Arndt: "Schweinepastor" und "Hurenpfaffe" waren noch die gemäßigten Ausdrücke. Der neunjährigen Tochter verboten die besorgten Eltern vorsichtshalber, ans Telefon zu gehen. Sie tat es dann doch, weil sie einen Anruf von einer Freundin erwartete. Ein Mann war am anderen Ende der Leitung: "Sage deinem Vater, ich will meinen Schäferhund heiraten, wann er uns trauen kann?" Es folgten Briefe, Briefe von "Bild"-Lesern und "Bild"-Leserinnen, die schlimmsten von den Frömmsten:
"Meinen Sie, dass Sie Gott damit einen Gefallen getan haben, indem Sie die zwei Weiber getraut haben? Haben Sie sich nicht selbst damit schwer versündigt, indem sie die Gräuelsünde der Weiber noch segneten! Ich glaube, ja!" - "Diese Frauen sollte man in die Wüste schicken, dann würde es ihnen schon vergehen. Es wäre genauso, wenn homosexuelle Männer heiraten würden. Die gehören alle zum Teufel gejagt. Sie gehören wie Hexen verbrannt oder verbannt in alle Ewigkeit." - "Für mich ist diese Trauung eine Verhöhnung Gottes und eine Entweihung des Gotteshauses." - "Seit wann werden Huren in der Kirche getraut?" - "Herr Arndt, an der Ludgerikirche in Münster (Westfalen) sind seinerzeit für die Wiedertäufer zwei eiserne Käfige angebracht worden. Hier wurden die damaligen Rebellen eingesperrt, hochgezogen und den Krähen zum Fraß überlassen. Man soll jetzt diese Käfige wieder einer nützlichen Verwendung zuführen, indem man sie mit dem lesbischen Ehe(!)-paar darin einsperrt, wieder hochzieht, und dann haben die Krähen wieder einen leckeren Fraß!" - "Gott wird Ihnen das nie verzeihen." - Alle diese Zuschriften waren bis auf wenige Postkarten nicht anonym, adressiert an den ,sogenannten' oder ‚gewesenen' Pastor, den "Satansbraten" oder "Lesbischen Pastor".
Immerhin - es fanden sich auch mutige Gemeindemitglieder, die schriftlich bei der Kirchenleitung ihre Hochachtung gegenüber dem so geschmähten Pastor aussprachen, dem der Kirchenvorstand nahegelegt hatte, sich erst mal krankschreiben zu lassen. Pastor Arndt: "Ich fühle mich jetzt auch nervlich wirklich angegriffen." Er beantragte ein Untersuchungsverfahren gegen sich selbst. Es hatte eine symbolische Handlung sein sollen, über die dann "diskutiert werden kann". Kollegen-Reaktionen: "Wir teilen deine Meinung, aber wir hätten es nicht getan." Arndt: "Ich wollte erst anschließend mit dem Probst und dem Kirchenkonvent sprechen." Ein Kollege und die "Bild"-Zeitung waren ihm zuvorgekommen. Probst Herberger war bereits informiert und - entrüstet. Kritische Freunde warfen dem Altonaer Pastor vor: "Du mit der "Bild"-Zeitung!" Christian Arndt: "Das schmerzt. Aber ich wusste davon ja nichts."
Inhaltlich war Pastor Arndt auf die Frage einer kirchlichen Trauung ohne den dafür notwendigen standesamtlichen Trauschein "irgendwie schon vorbereitet gewesen, weil es auch heterosexuelle Paare gibt, die nicht aufs Standesamt wollen, aber den kirchlichen Segen haben möchten." Die Kirche, findet er, habe sich durch das Bismarck-Gesetz von 1874 in eine politische Abhängigkeit zum Staat gebracht, die "in der Nazi-Zeit verhängnisvoll war". Damals wurde "auch getauften Juden die standesamtliche Trauung verweigert, und die Kirche musste die Politik des Nazi-Regimes wegen dieser gesetzlichen Vorschrift mittragen." Wenn er zwangsweise versetzt wird, muss er sich selbst um eine neue Stelle bewerben "unter diesen Umständen nicht sehr aussichtsreich. Meine Frau verliert ihren Arbeitsplatz, meine Tochter muss umgeschult werden. Jetzt sagen alle: ‚Du bist ja selbst schuld'." Vors Arbeitsgericht etwa kann Pastor Arndt nicht gehen. Der Spruch der ihm vorgesetzten Nordelbischen Glaubensbrüder ist für den Geistlichen bindend.
Was nun sagen Christinnen und Politikerinnen zu der Lesbenehe?
Christa Meves, 58jährige Psychagogin, katholische Parai de-Moralistin, "Mutter der Wende", Mutter von zwei Töchtern und Gattin eines Arztes - "Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, dass ich mit einer Zeitschrift, die so widerwärtig und so falsch e über einen berichtet, ohne mich vorher davon zu unterrichten, also nee, obwohl, ich habe eine Menge sehr netter lesbischer Freundinnen."
Uta Ranke-Heinemann, katholische Konvertitin, Theologie-Professorin und Enfant terrible, musste sich zunächst "mit Papi" besprechen, "das ist mein Mann". Dann kam ein gut sortiertes Statement: "Ehe ist dem Begriff und der Sache nach in wohl allen Sprachen und Kulturen eine heterosexuelle Angelegenheit, bei uns in Form der Monogamie. Weil die Gemeinschaft von Mann und Frau als wichtige, soziale Institution angesehen wird, wird sie vom Gesetz normiert und gefördert. Durch die Eheschließung wird das Zusammenleben von Mann und Frau rechtmäßig. Das Wort ‚Ehe' bedeutet etymologisch nichts anderes als ‚Recht', ‚Gesetz'. Die Lebensgemeinschaft von zwei Frauen oder zwei Männern unterliegt keiner gesetzlichen Norm und Förderung, sie ist also keine Ehe. Das mögliche Verlangen der homosexuellen Partner nach einem pastoralen Segen und die mögliche Erteilung eines solchen, ist eine rein private Angelegenheit. Man kann auf solchen Segen weder einen Rechtsanspruch erheben noch ihn zu einer kirchlichen Formvorschrift machen. Falls ein Pfarrer seinen privaten Segen ohne Ermächtigung eines Amtsrichters erteilt, handelt er kirchenrechtswidrig."
Aha. Maja Stadler-Euler, Rechtsanwältin und FDP-Mitglied in Hamburg, dagegen findet "alles richtig, was provokativ auf die notwendige Veränderung von gesellschaftlichen Verhältnissen hinweist". Ob die Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften "nur dadurch abgebaut werden kann, dass die Betreffenden heiraten können, wage ich allerdings zu bezweifeln. Aber es macht natürlich aufmerksam auf die Notwendigkeit von Veränderung."
"Bild" (ob da wohl ein Nest ist?) hatte ihr im vergangenen Jahr ein homosexuelles Männer-Paar in die Anwaltspraxis geschickt, das vor dem Amtsgericht auf das Recht auf Trauschein klagen wollte. Doch Maja Stadler-Euler "waren die beiden nicht seriös genug". Sie hatte den Eindruck "die Verbindung der beiden Männer würde den langwierigen Klageweg nicht überdauern". Sie hält auch heute eine Verfassungsbeschwerde für "ziemlich aussichtslos; die würde abgeschmettert". Aber: man müsse über andere Möglichkeiten der Absicherung "solcher Beziehungen" nachdenken.
Christa Nickels von den Grünen: "Ich finde das grundsätzlich richtig, dass der Pastor die beiden Frauen getraut hat. Ich fände es auch richtig, wenn die Standesbeamten homosexuelle Paare trauen würden. Es ist ja auch im Gesetz gar nicht verboten, aber das tun i die spießigen Beamten natürlich trotzdem nicht. Gegen die Institution Ehe gäbe es selbstverständlich viel zu sagen. Aber wenn zwei Menschen miteinander leben wollen in Liebe und Zuneigung und auch füreinander sorgen und einstehen wollen, wie es ja in der Trauungsformel heißt, dann kann man das nicht am Geschlecht festmachen. Das ist eine allgemein menschliche Eigenschaft. Und darum begrüße ich auch den Entschluss dieser beiden Frauen. Dadurch kommt das ganze Weltbild ins Wanken. Denn mit der Trauungsformel wird ja immer der ganze traditionelle Kram mitverkauft, die Unterdrückung der Frau durch den Mann, ihre Abhängigkeit von ihm. Das ist ja das Gute an der Ehe der beiden Frauen. Sie dokumentieren damit: Das Schöne reklamieren wir für uns, aber das Unterdrückungskonzept schmeißen wir über Bord".
In Dänemark traute Anfang Februar 1973 Pastor Harald Sctbye von der dänischen Volkskirche vor der Fernsehkamera zwei Lesbierinnen. Der entlassene Geistliche veranlaßte dadurch immerhin die Sozialistische Volkspartei, sich für "die Legalisierung der Ehe zwischen Homophilen" einzusetzen. Bislang ist nur in Schweden die Registrierung einer homosexuellen Lebensgemeinschaft legitim. Folge: Die Sozialbehörde kassiert getreu der Beistandspflicht beim Partner oder der Partnerin, wenn einer von beiden vom Staat finanziell unterstützt wird.
Das geht in der BRD wie in Frankreich - auch ohne diese relative Anerkennung einer schwulen oder lesbischen Ehe - sobald das Sozialamt eine "eheähnliche Gemeinschaft" wittert. In Frankreich musste die 35jährige Nadia Loriaux, Mutter von drei Kindern, 1.675 Mark an die Behörde zurückzahlen, weil das Kindergeld ,,entsprechend der 1 neuen familiären Situation" neu berechnet wurde. Nadia war im Februar 1982 mit ihrer lesbischen Freundin Annie Dupas zusammengezogen. Bei dieser Anerkennung ihrer lesbischen Lebensgemeinschaft blieb es aber auch. Das Finanzamt verweigerte die Einstufung in die entsprechend günstigere Steuerklasse der als "Haushaltsvorstand" fungierenden Annie Dupas. Die drei Kinder traten darum im Mai 1984 in den Schulstreik. Getadelt wurde 1976 von den Bischöfen von Chelmsford und Colchester der anglikanische Vikar Peter Elers, der in Südengland zwei lesbische Paare getraut hatte. Und entlassen werden sollte aus der US-Army Unteroffizierin Marie Sode, weil sie mit einer Frau verheiratet ist. Bei der Trauung im Dezember 1976 hatte auch der Richter nicht bemerkt, dass Kristian von Hoffburg weiblichen Geschlechts war und eigentlich Linda Bowers hieß. Maries Rechtsanwalt bat um Aufschub: Linda/Kristian wollte sich einer Geschlechtsumwandlung unterziehen. Im März 1983 wurden im niederländischen Groningen von einem katholischen Priester zwei Frauen getraut (emma berichtete darüber). Pater Antonius Heymans war der Auffassung, dass gegen eine Trauung "nichts einzuwenden" sei, wenn der Bund von "aufrichtiger Liebe getragen" werde. Sein Papst denkt da anders.
Liebe zwischen Frauen und der Ehe vergleichbares Zusammenleben zwischen zwei Frauen hat es immer gegeben. Die Amerikanerin Lillian Faderman, Professorin an der Universität Fresno, Kalifornien, hat in ihrem Buch "Surpassing the Love of Men" ("Die Liebe von Männern übertreffend") Beispiele dafür von der Renaissance bis zur Gegenwart zusammengetragen. In Kapitel 4 schreibt sie unter der Überschrift "Boston Marriage": "Die Bezeichnung ‚Boston Marriage' meinte im späten 19. Jahrhundert eine über lange Zeit andauernde monogame Verbindung zwischen zwei unverheirateten Frauen. Diese Frauen waren generell finanziell unabhängig von Männern, entweder durch Familien-Vermögen oder durch eigene Erwerbstätigkeit. Sie waren im allgemeinen Feministinnen, oft Pionierinnen in der Berufswelt. Sie waren sehr engagiert in kultureller und sozialer Arbeit. Ob diese Verbindungen manchmal oder oft Sexualität einschlössen, werden wir nie erfahren. Aber wir wissen, dass diese Frauen ihr Leben vorrangig mit anderen Frauen lebten. Sie widmeten anderen Frauen das ganze Ausmaß ihrer Energie und Achtung, und sie pflegten starke, emotionale Beziehungen zu anderen Frauen."
Oft wussten lesbische Frauen keinen anderen Ausweg, als sich als Mann zu verkleiden, um so die Geliebte und damit ihre eigene Umwelt zu täuschen: "In einem Hause in der S.-Straße wurde in Berlin ein junges Mädchen in ihrem mit Leuchtgas angefüllten Zimmer besinnungslos aufgefunden. Durch die Wiederbelebungsversuche gelangte das Mädchen wieder zur Besinnung. Wie sie aussagte, haben sie recht eigenartige Beweggründe zum Selbstmord veranlasst.
Schon seit Jahren trug sie, ihrer besonderen Veranlagung wegen. Männerkleidung und war auch im entfernteren Bekanntenkreise nur als Mann bekannt. Als solcher lernte sie ein gleichaltriges junges Mädchen kennen, mit dem sie Freundschaft schloss. Aus dieser Freundschaft wurde bald ein Liebesverhältnis, das zu einer Verlobung führte. Eines Tages entdeckte die überglückliche Braut den Betrug und entlarvte ihren ‚Bräutigam' vor aller Welt als Frau in Männerkleidern. Die Verlobung wurde natürlich sofort aufgelöst." (Aus "Enzyklopädie der Kriminalistik", "Das Weib als Sexualverbrecherin", 1931).
Am 13. Oktober 1721 wurde Catharina Margaretha Lincken mit 27 Jahren zum Tode verurteilt und durch das Schwert hingerichtet. Ihr Verbrechen: Sie hatte, verkleidet als Mann, sich kurz vor Michaelis im Jahre 1717 von Oberprediger Lic Chauden in St. Pauli zu Halberstadt mit der 18 jährigen Catharina Margarethen Mühlhahn trauen lassen, und zwar unter dem Namen Anastasium La; grantinum Rosenstengel. Ändern sich die Zeiten? "Zwei Lesbierinnen", meldete am 10. Februar dieses Jahres dpa, "sollen in der englischen Stadt Hereford als Ehepaar behandelt werden und vor allen verlobten Paaren eine Sozialwohnung erhalten. Das hat der zuständige Ausschuss des Stadtrats, in dem die Liberalen in der Mehrheit sind, entschieden. Wenn die beiden Frauen sich als Einzelpersonen registrieren ließen, müssten sie in Hereford mindestens fünf Jahre lang auf eine Sozialwohnung warten."
Das lesbische (Fast)Ehepaar Sabine Löschenkohl ("ich will Sylvias Nachnamen annehmen") und Sylvia Hansen ("Hansen ist auch viel netter") verkaufte seine Story ausgerechnet der "Bild"-Zeitung. Es ist erst zehn Jahre her, da ließ das Springer-Blatt keine Gelegenheit aus, die beiden Wörter "Mord" und "lesbische Frauen" in einen die allgemeine Gültigkeit suggerierenden Zusammenhang zu bringen: "Das Mordgeständnis der lesbischen Frauen". Anlass waren 1972 die beiden Frauen Judy Andersen und Marion Ihns, die den Ehemann Marions, Gemüsehändler Wolfgang, umbringen ließen. "Bild": "Der Schenefelder Gemüsehändler musste sterben, weil seine Frau, nach der Geburt des zweiten Kindes. unter sexuellen Störungen litt." Was mit ,,sexuellen Störungen" gemeint war? "Bild": "Ehefrau Marion Ihns (29) verliebte sich in eine junge Dänin."
Das Wort "lesbisch" geriet damals nach "Bild"-Verständnis zum Synonym für "kriminell". Doch wenn "Bild" es erlaubt, dürfen zwei Frauen als "perfekte Kopie des kleinen Bürgerglücks" (taz) heiraten. "Das Leben der beiden wird als das geschildert, wovon die Normalverbraucherehe nur noch träumen kann" (taz). Und damit an diesem Bild von "Bild" auch nicht gerüttelt werden kann, nahm die Zeitung die beiden Frauen unter Exklusivvertrag - auf ein Jahr. "Bild"-Redakteur J Boeer zu EMMA: "Wenn Sie 13.000 Mark zahlen, können Sie die beiden Mädchen für ein Gespräch haben." Als im Januar 1979 das ARD-Fernsehen die amerikanische Serie "Holocaust" sendete, war die Mehrheit des gerührt-erschütterten deutsehen TV-Publikums der Meinung: "Diese nette jüdische Familie Weiß hätten sie wirklich leben lassen können."
So ergab denn auch die "Bild"-Blitz-Umfrage: "Frau heiratet Frau - was sagen Sie dazu?" seichte Sentimentalität, bei genauerem Lesen aber die alte Selbstgerechtigkeit salopp vorgetragen: "Nachbar Michael Bahr (30), Gerüstbauer, verheiratet, eine Tochter (5): .Jeder soll nach seiner Fasson glücklich werden. Aber meine Tochter dürfte keinen Kontakt mit der Familie haben."
Verleger Jörn Berlau (41) aus Hamburg-Blankenese gegenüber "Bild": "Prima, dass zwei Frauen ihr Verhältnis mit einer kirchlichen Trauung öffentlich bekennen. Wenn allerdings meine Tochter Nicole mir morgen erzählt, sie heiratet eine Freundin, wäre ich geschockt." Geschockt, empört und "total verunsichert" - so eine "Bild"-Mitarbeiterin - sind auch die "Bild"-Männer, "sogar unsere smarten Boys, die sich sonst in ihrem männlichen Selbstverständnis nicht so leicht erschüttern lassen." Und eine andere Springerjournalistin: "Die fühlen sich von ihrem eigenen Blatt irgendwie verarscht."
Es gibt vom Oberlandesgericht Frankfurt ein Urteil, in dem eine Eheschließung zwischen zwei Frauen als "nach dem Gesetz" nicht möglich festgeschrieben wurde. Und das kam so: In einem hessischen Dorf hatte am 11. Juli 1972 ein Standesbeamter eine Ehe zwischen zwei Frauen geschlossen, allerdings in der Annahme, die eine von beiden, namens Friedl, sei ein Mann. Immerhin war Friedl im Dorf als tüchtiger Mechaniker bekannt, kleidete sich wie ein Mann und gestand allein der Freundin Karin, dass sie eine Frau ist. Karin damals laut "Bild" (da muss wirklich ein Nest sein!): "Mir egal, ich liebe dich trotzdem!" Noch das Amtsgericht wollte die Ehe bestehen lassen. Doch in der nächsten Instanz wurde die standesamtliche Trauung für ungültig erklärt. Die beiden Pflegekinder "durften" die beiden Frauen behalten. "Nach deutschem Recht", so auch Familienrichter Siegfried Willutzki im "Spiegel" 13/1983,gehört es zum unantastbaren Kern des Begriffs Ehe, dass nur Partner unterschiedlichen Geschlechts heiraten dürfen. Da geht kein Weg dran vorbei."
Maria Sabine Augstein, Rechtsanwältin in München, widerlegt den Familienrichter: "Interessant ist, dass das Ehegesetz nicht ausdrücklich sagt, eine Ehe könne nur zwischen Mann und Frau geschlossen werden. Dies steht ebenso wenig in Artikel 6 des Grundgesetzes, der von der Ehe handelt. Die Kommentatoren sind sich allerdings einig, dass es zum Wesen der Ehe gehören soll, dass nur Mann und Frau heiraten können. Ich meine dagegen, dass sowohl das Ehegesetz wie das Grundgesetz einer Interpretation im Lichte heutiger Vorstellungen offen sind. (...) Wer mir da mit Kindern, Fortpflanzung und so weiter kommt, dem sage ich, dass, dies konsequent zuende gedacht, dann nur solche heterosexuellen Paare heiraten dürfen, bei denen die Fortpflanzung medizinisch nicht ausgeschlossen wäre. Wenn nicht mehr nur die Fortpflanzung, sondern die personale Bindung und Selbstverwirklichung zwischen zwei Menschen ebenso Zweck der Ehe ist, wie dies für Mann und Frau längst anerkannt ist, dann gibt es keinen Grund, gleichgeschlechtliche Paare vom Wesen der Ehe auszunehmen.
Dann ist es sogar verfassungsrechtlich geboten, das Ehegesetz im Sinne der Zulässigkeit der homosexuellen/lesbischen Ehe zu interpretieren."
Anwältin Augstein allerdings macht als bewusste Feministin einen entscheidenden Zusatz. "Um die Institution Ehe nicht zu zementieren, muss im Sinne einer Doppelstrategie in gleicher Weise für die Zuerkennung von Rechten für die heterosexuelle wie lesbische/homosexuelle sogenannte nichteheliche Lebensgemeinschaft gekämpft werden. Nur dadurch, dass von der Forderung nach der lesbischen Ehe abgesehen wird, bessert sich nichts zugunsten der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, im Gegenteil!"
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