Irme Stetter-Karp: Eckt an!
Gerade einmal acht Monate ist Irme Stetter-Karp im Amt, da hat sie nicht nur einen Skandal am Hals, sondern gleich zwei. Zum einen ist da der Ärger mit dem Papst höchstpersönlich. Zum anderen hat sich die neue Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) mit ihrer Positionierung zur Abtreibung so weit aus dem Fenster gelehnt, dass manche sie gern stürzen sehen würden.
Die promovierte Sozialwissenschaftlerin, die ihre Laufbahn in der Altenarbeit begann, ist seit 2019 Co-Vorsitzende des Synodalen Weges und versucht als solche, die Reformprozesse in der katholischen Kirche anzustoßen: die Aufarbeitung des Missbrauchs-Skandals, eine lebensnahe Sexualmoral, das Priesteramt für Frauen. Die 66-Jährige mit dem grauen Kurzhaarschnitt ist bekannt für klare Worte. Es sei „indiskutabel, Menschen nicht nach ihrer Kompetenz zu beurteilen, sondern nach ihrem Geschlecht“, erklärte sie kürzlich und forderte: „Die Diskriminierung der Frauen muss ein Ende haben.“
Ihr Statement zur Diskriminierung von Frauen rief den Vatikan auf den Plan
Das rief den Vatikan auf den Plan. Kurz gesagt, lautete die Botschaft: Diskutieren könnt ihr viel, ändern wird das gar nichts! Nicht nur Irme Stetter-Karp zeigte sich „irritiert“ über die harsche Zurechtweisung aus Rom. Gemeinsam mit Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und Stetter-Karps Co-Vorsitzender des Synodalen Weges, kofferte sie zurück. Die Klatsche aus Rom sei „kein guter Stil der Kommunikation“.
Vermutlich noch mehr Mut erforderte der Satz, den die ZdK-Vorsitzende im Juli in der Zeit-Beilage Christ & Welt schrieb: Es sei „sicherzustellen, dass der medizinische Eingriff eines Schwangerschaftsabbruchs flächendeckend ermöglicht wird.“ Und sie erklärte: „Eine Reflexion darüber, wie das Angebot sichergestellt werden kann, steht an – was auch die Schulung von ÄrztInnen in der Ausbildung umfasst.“ Und das, obwohl Papst Franziskus ÄrztInnen, die abtreiben, als „Auftragsmörder“ bezeichnet. Auch wenn Stetter-Karp einräumte, dass eine Abtreibung nicht als „reguläre medizinische Dienstleistung“ betrachtet werden dürfe, machte sie klar: „Die Entscheidung liegt letztlich bei der schwangeren Frau.“
Irme Stetter-Karp, verheiratet und Mutter zweier erwachsener Kinder, wuchs in Ellwangen in einer Bauern- und Gastwirtsfamilie auf, als jüngstes von acht Geschwistern. Die Mutter starb, als Tochter Irme 16 Jahre alt war. Fragt man sie, was ihr damals Halt gab, folgt nichts Frommes. Eine Frauen-WG habe ihr geholfen, „rauszufinden aus einem gewissen Loch“. Kritisch und offen habe sie im Elternhaus über Kirche diskutiert. „Das hat mich geprägt, standzuhalten, nicht zu flüchten, nicht kleinbeizugeben.“
Stetter-Karp steht an der Spitze der nichtgeweihten Gläubigen, der „Laien“
Ihre Standfestigkeit wurde 1999 auf die Probe gestellt. Damals verbot Papst Johannes Paul II. der katholischen Kirche in Deutschland, sich an der Schwangerenkonfliktberatung zu beteiligen und dort die „Lizenz zum Töten“ auszustellen. Laien des ZdK, darunter Stetter-Karp, gründeten den Verein „Donum Vitae“. Dort wird „zum Leben“ beraten, aber jener Schein ausgestellt, der für den straffreien Abbruch nötig ist.
Als Präsidentin des ZdK steht Stetter-Karp jetzt seit November 2021 an der Spitze der nichtgeweihten Gläubigen, der „Laien“ – als zweite Frau. Die erste war die CDU-Politikerin Rita Waschbüsch gewesen, die das Amt von 1988–1997 innehatte.
Nach ihrem Kommentar zur Abtreibung weht ihr nun ein scharfer Wind entgegen. Die Bischofskonferenz, von der das ZdK finanziell abhängig ist, distanzierte sich. In einer Online-Petition, die über 4.000 unterschrieben haben, wird ihr Rücktritt gefordert. Doch laut Eigenbeschreibung hat die ZdK-Präsidentin die Eigenschaften, die es als Frau in der katholischen Kirche braucht: „Eine ordentliche Portion an Zähigkeit, Ausdauer und innere Resilienz gegen die patriarchale Unart, Frauen ständig klein zu denken.“