Tabatabai eröffnet das Jazzfest Bonn

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Sie war 1997 die renitente Luna in Katja von Garniers „Bandits“. Sie spielte 2005 anrührend den iranischen Asylbewerber Siamak, der eigentlich die lesbische Fariba ist (die musste, weil ihre Homosexualität nicht als Asylgrund anerkannt wird, in die „Fremde Haut“ schlüpfen.) Sie ist aktuell die taffe Kommissarin Mina Amiri in „Letzte Spur Berlin“. Am liebsten ist aber sie erklärtermaßen: Sängerin. Das hatte Jasmin Tabatabai schon bei ihrer Dankesrede für den „Echo Jazz Award“ verkündet, mit dem sie 2012 für ihr Jazz-Debütalbum „Eine Frau“ ausgezeichnet wurde. „Die Musik ist so wichtig für meine Seele“, sagte Tabatabai. „Das Singen ist wie Wellness für mich und Liebesbeziehung.“

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Jetzt eröffnet Jasmin Tabatabai mit ihrer großen Liebe das Jazzfest Bonn. Gemeinsam mit dem hochvirtuosen Quartett um den Schweizer Saxophonisten David Klein präsentiert sie ihr neues Album "Was sagt man zu den Menschen, wenn man traurig ist?". Darauf interpretiert sie Kurt Weill und Georg Kreisler, aber auch Reinhard Mey und englische Rock-Hymnen neu. Schon auf ihrem Album „Eine Frau“ hatte Tabatabai verjazzte Coverversionen deutscher Lieder versammelt, vom vertonten Tucholsky-Gedicht bis zum frühen Reinhard Mey. Mit diesem Album hatte sie die Echo-Jury so begeistert, dass sie die Deutsch-Iranerin zur „besten nationalen Sängerin“ ernannte.

Jasmin im EMMA-Shirt.
Jasmin im EMMA-Shirt.

Die Auszeichnung erhielt Tabatabai fast 20 Jahre, nachdem sie 1993 ihre Karriere als Sängerin mit einem anarchischen Projekt gestartet hatte: ,mit ihrer Band „Even Cowgirls Get The Blues“. Wilden Country spielten die fünf Mädels (plus Quoten-Cowboy), und Frontfrau Jasmin beendete jeden Song übezeugend mit einem akrobatischem Sprung und einem gellenden „Yi-Haa“-Schrei. 1997 kam Katja von Garniers „Bandits“ ins Kino. Dafür lernte Katja Riemann eigens Schlagzeug spielen und Jasmin Tabatabai schrieb einen Teil des Soundtracks.

Die Häme der Presse über den „Frauenfilm“ wurde Teil der feministischen Initiation der Jasmin Tabatabai, erzählt sie später in einem Interview mit Alice Schwarzer (siehe unten). Die Goldene Schallplatte, die die Komponistin Tabatabai für den Soundtrack bekam, war eine gewisse Entschädigung für die Ignoranz der Feuilletonisten. Inzwischen hat die Musikerin Tabatabai Songs zu rund einem Dutzend Soundtracks beigesteuert, darunter auch zu Katja von Garniers großartigem Film „Iron Jawed Angels“ über die Suffragette Alice Paul (Hillary Swank) und ihren Kampf ums Frauenwahlrecht.

2002 und 2007 folgten die Rock-CDs „Only Love“ und „I Ran“ - ein Wortspiel, denn 1978 flüchtete Tabatabais liberale Familie aus Iran vor der islamistischen Khomeini-Diktatur. Die Tochter eines iranischen Vaters und einer deutschen Mutter muss sich dann im bayrischen Kreiling zurechtfinden, wo Kinder „den Rasen nicht betreten dürfen“.        

Dann entdeckte die Musikerin ihre Liebe zum Jazz. Es sei David Klein gewesen, der sie „zehn Jahre lang überredet hat, eine Jazz-Platte aufzunehmen“, sagt die 49-Jährige und sehr stolze Mutter von drei Kindern. Und das hat Jasmin nicht nur den Echo eingebracht, sondern offensichtlich auch so viel Spaß, dass sie jetzt schon ihr zweites Jazz-Album vorlegt.

Jasmin Tabatabai & David Klein Quartett, 12. Mai, 21 Uhr, Jazzfest Bonn Hier gibt es Karten

Echo-Verleihung mit liebevoller Laudatio von Katja Riemann, Dankesrede von Tabatabai und „Kann denn Liebe Sünde sein“.

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In fremder Haut

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Als die Durchsage ertönt, dass man soeben die iranische Grenze überflogen habe, zwängt sich die Frau mit dem schwarzen Schleier und der dunklen Sonnenbrille auf die Flugzeugtoilette. Sie reißt sich den Schleier vom Kopf, macht ihn unter dem Wasserhahn nass und wickelt ihn um den Rauchmelder. Dann setzt sie sich auf die Klobrille und raucht eine Zigarette.

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Ein paar Stunden später am Flughafen. „Haben Sie Ihr Todesurteil als beglaubigte Kopie?“ fragt der deutsche Beamte. „Nein“, antwortet die verblüffte Frau. „Warum wollen Sie denn Asyl beantragen?“ Sie zögert. „Politische Gründe.“ Was sie nicht sagt: Fariba (Jasmin Tabatabai) ist aus dem Iran geflüchtet, weil sie Shirin liebt. In der Scharia steht auf Homosexualität Steinigung.

In einem überfüllten Auffanglager wartet Fariba auf ihren Bescheid. Dort begegnet ihr Siamak, ein sanfter Landsmann, der sich in einer iranischen Studentengruppe engagiert hatte. Siamak, der politische Dissident, bekommt Asyl. Fariba, die jetzt den wahren Grund für ihre Flucht nennt, bekommt keines. Fariba soll abgeschoben werden. Aber dann gibt ihr ein trauriges Ereignis die Chance zu bleiben: Siamak bringt sich um. Und Fariba nimmt seine Identität an. Sie schlüpft in eine ‚Fremde Haut‘.

So lautet der Titel des neuen Films von Angelina Maccarone. Die Identität war von Anfang an das zentrale Thema der Regisseurin aus Pulheim bei Köln, Tochter eines italienischen Gärtners und einer deutschen Verwaltungsangestellten, alle ihre Filme kreisen um (Homo)Sexualität und (Nicht)Deutschsein. Schon mit ihrem TV-Debüt, der Komödie ‚Kommt Mausi raus!?‘, einem herzerfrischenden Coming-Out-Film, erregte sie 1995 Aufsehen. In ‚Fremde Haut‘, dem vierten Film der inzwischen 40-Jährigen, sind die komischen Momente selten, dafür die ernsten umso anrührender.

Das bewirkt vor allem Hauptdarstellerin Jasmin Tabatabai, die nun ausgerechnet als Mann ihr sonst so präsentes Aggressionspotenzial komplett zurücknimmt und einen stillen, verstörten Siamak gibt. „Ich wollte, dass sie einen Mann spielt, dessen Würde und Stolz sich nicht über Aggression zeigen“, sagt die Regisseurin. Genau diese Sanftheit ist es, mit der Siamak/Fariba, der/die sich illegal in einer Sauerkrautfabrik in der schwäbischen Provinz verdingt, das Herz von Kollegin Anne (ebenfalls sehr eindringlich: Anneke Kim Sarnau) gewinnt. Die spürt, dass dieser Mensch nicht nur geografisch aus einer anderen Welt kommt.

„Es war“, sagt die Regisseurin, „sehr mutig von Jasmin Tabatabai, diese Rolle anzunehmen“, die so dicht an ihrem realen Leben ist. Jasmin Tabatabai ist Halb-Iranerin. Sie war zwölf, als ihr Vater seine deutsche Frau und die vier Kinder 1979 aus dem Schatten der Khomeini-Diktatur ins sichere, aber nicht immer sonnige und auch nicht immer ausländerfreundliche Bayern schickt. Eine Art männlicher Zwilling ist in Tabatabais Leben ihr geliebter, anderthalb Jahre älterer Bruder Amir. Und die kleine Jasmin sieht nicht ein, warum Amir plötzlich mehr Freiheiten hat, nur weil er ein Junge ist. Sie wird ein ruppiges kleines Mädchen, das sich „männliche“ Freiheiten nicht nehmen lässt – und ist inzwischen selbst Mutter einer kleinen Tochter namens Angelina.

„Überzeugungsarbeit“ musste Regisseurin Maccarone auch leisten, um einen Produzenten für ihren Film zu finden, den sie mit Co-Autorin und Kamerafrau Judith Kaufmann realisierte. Schon seit 1998 schwirrte die Idee in den Köpfen des Teams herum. „Wir wollten zeigen, was passiert, wenn man alles verliert, was eine Identität ausmacht – bis hin zum Geschlecht.“ Außerdem brannte der Halb-Italienerin Maccarone die „ungeheuerliche Abschiebepraxis“ auf den Nägeln.

Es dauerte übrigens auch unter Rot-Grün noch sieben Jahre, bis „geschlechtsspezifische Asylgründe“ anerkannt wurden. Die reichen aber immer noch nicht für ein dauerhaftes „Asyl“, sondern nur für eine vorläufige „Duldung“. Wenn die Geflüchtete Glück hat. „Beim Asylgrund Homosexualität gibt es zum Beispiel Befragungen, in denen man herausfinden will, ob es sich um eine ‚unumkehrbare Veranlagung‘ handelt“, weiß Maccarone. Fariba dürfte also auch im Jahr 2005 keineswegs mit Asyl rechnen.

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