Jeanne Moreau: Ohne Angst vor dem Alter
Jeanne Moreau wird 50. Und sie macht kein Geheimnis daraus. Im Gegenteil: sie sagt es laut in alle Welt. Was kein Zufall ist. Denn Jeanne Moreau ist heute von Jugend und üblicher Schönheit längst nicht mehr so abhängig wie die meisten ihrer Kolleginnen. Sie hat etwas gewagt, was gerade Schauspielerinnen nur ganz selten schaffen: sie hat den Schritt zum Regisseur getan, wird nicht mehr nur dirigiert, sondern dirigiert selbst. Es ist auch kein Zufall, daß gerade Jeanne Moreau sich das erlauben konnte. Die Französin ist eine der ganz wenigen weiblichen Filmstars, deren Hauptwert noch nie das glatte Gesicht war. Jeanne Moreaus schwer definierbare erotische Ausstrahlung und Attraktivität war immer schon mehr als nur hübsch oder gut gebaut.
Das Gesicht des Stars der Nouvelle vague war schon früher geprägt von Intelligenz und eigenem Willen. Und auch das war kein Zufall. Jeanne war schon als junges Mädchen ehrgeizig, gab sich nicht leicht zufrieden, arbeitete hart und kritisch an sich selbst. Bereits mit 20 bekommt sie gleich nach dem Konservatorium einen Ruf an die Comedie Francaise. Trotz ihrer Erfolge verweigert sie der Renommierbühne eine Festanstellung und geht lieber an das experimentierfähigere TNP, um mit Jean Vilar und Gerard Philipe zu arbeiten. Es folgen Filmregisseure wie Louis Malle, Orson Welles, Antonioni, Bunuel, Marguerite Duras. Seit,,Jule und Jim" singt die Moreau auch. Ihre Lieder schreibt sie, zusammen mit Komponisten, selbst. Mit Mitte Vierzig drehte sie ihren ersten Film als Regisseurin. Auch die - in diesem Fall berechtigt - schlechte Kritik konnte sie nicht entmutigen. Jetzt läuft in der Bundesrepublik der zweite Film, in dem die Schauspielerin Regie führt, an: "Mädchenjahre". Hier ein kurzes Gespräch, das die Journalistin Paula Jacques mit Moreau führte.
Jeanne Moreau, Sie sind gerade 50 geworden. Macht das Altern Ihnen Angst?
Ich hatte eine Krise, eine ganz depressive Zeit so mit 35, 36. Da sah ich immer diese unausweichliche Zahl 40 vor mir. Aber ich weiß nicht, ob es das Alter war, das mich beunruhigte, oder doch eher die Tatsache, daß mir die Zeit unwiderrufbar durch die Hände rann. Ich fragte mich immer, ob ich meine Zeit wirklich gut ausgefüllt hatte; ob dieser Hang zum Träumen, den ich hatte, nicht eher Faulheit war und mich am Wesentlichen vorbeileben ließ.
Aber haben Sie nicht auch die "Angst vor der ersten Falte, der erschlaffenden Haut, dem schwerer werdenden Körper", von dem Juliette Greco in einem ihrer Lieder spricht?
Als ich mit 20 anfing, Filme zu machen, fanden mich die Regisseure und Kameraleute eher häßlich. All meine Fehler, die man andauernd korrigieren oder kaschieren mußte: ein asymmetrisches Gesicht, Tränensäcke... Ich selbst hatte das erst gar nicht begriffen. Bis ich nach einem Drehtag, wir drehten "Pigalle-Saint-Germain-des-Pres", einmal ohne mich abzuschminken auf die Straße ging, um mittags rasch im Restaurant nebenan zu essen. Im Tageslicht sah mir plötzlich im Spiegel ein wahrer Indianer entgegen: weiß unter den Augen, braun auf der einen Wange, rot auf der anderen. Das war die Zeit, in der der Regisseur Duvivier über mich gesagt hat: "Ich habe sie im Theater gesehen, sie ist phantastisch! Aber mit der Visage, die sie hat, wird sie niemals Filme drehen können!" Na ja, da ich seither nicht wenige Filme gedreht habe, habe ich begriffen, daß ich etwas anderes habe: Präsenz, Leidenschaft... es ist nicht so einfach, es zu benennen. In den Filmen der "Nouvelle vague" bin ich dann mit 30 endlich ganz ohne Schminke aufgetreten (wir hatten für so was kein Geld), habe mein wahres Gesicht gezeigt. Das war die Zeit, in der es nun plötzlich hieß: "Donnerwetter, was für eine Schönheit! In die könnt' ich mich glatt verlieben." Damit war allerdings nicht mehr das Gesicht gemeint, das man auf der Leinwand sah, sondern die Frau, die man im Kopf hatte... Ich persönlich mußte also nie diese Ängste schöner Frauen haben, die davor zittern, ihren "Wert" zu verlieren.
Verdrängen Sie mit einem solchen Optimismus nicht das Altern?
Nein. Es gibt nur eine Sache, die mich bedrückt: daß der Körper nicht mehr so mitmacht. Nicht mehr so rennen können oder nach zwölf Stunden Arbeit zusammenklappen - das macht mich wahnsinnig. Oder plötzlich merken, daß man gewisse Gerichte nicht mehr verträgt. Ich trinke gern, geh gern aus, diskutiere bis in die späte Nacht. Und jetzt? Jetzt bin ich dann am nächsten Morgen gar nicht in Form. Die Schlacht muß lso auf der Ebene der Gesundheit und des körperlichen Gleichgewichts geschlagen werden und nicht mit dem Wunsch, sich ein Gesicht, glatt wie eine Maske, zu bewahren. Das heißt, ich bin nicht unbedingt gegen das Lifting, das macht es möglich, wieder klare Züge zu bekommen, aber nicht, jünger auszusehen.
Haben Sie wirklich niemals Ihrem lieblichen Gesicht von 20 nachgetrauert?
Überhaupt nicht! Als ich jung war und verliebt, hatte ich ein sehr schlechtes Gewissen wegen der Sexualität. Man hatte vor allem Angst: vor der Liebe, vor der Schwangerschaft, vor der Abtreibung, vor den Engelmacherinnen. Heute bin ich frei von all dem. Ich bin immer noch verführerisch, und man reagiert auf mich - was will ich mehr?
Sie leben nicht immer mit Ihrem Mann, dem New Yorker Regisseur William Friedkin, zusammen?
Jeanne: Da ich Freunde habe, brauche ich nicht immer einen Kerl bei mir. Soll ich, nur weil ich 50 bin, jetzt Panik kriegen? Ich habe zunehmend Horror vor öden Menschen. Es ist erniedrigend, sich an einen Kerl zu klammern, nur weil man Angst vor den letzten Lebensjahren hat. Das ist doch nicht mehr als eine Prothese. Andererseits ist die Liebe auch im Alter schön. Das ist schließlich nicht etwas nur für junge, schöne Menschen. Außerdem gibt's genug Menschen, die nie jugendlich waren und nie schön. Sollen die also solo bleiben? Ich finde das eine wirklich faschistische Einstellung! Ich finde, daß es heute auch ür eine Frau ein Glück sein kann, 50 zu sein. Wenn ich da an meine Mutter denke ... Sie hat schon mit 30 angefangen, zu leiden. Sie war Tänzerin. Da können Sie sich vorstellen, welche