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Anita Roddick ist tot, sie starb unerwartet im Alter von 64 Jahren. Die Chefin der Body Shops kämpfte gegen Schlankheitswahn und Lifting-Cremes und war eine engagierte Feministin. Das nachfolgende Porträt veröffentlichte EMMA 1998.


„Es gibt einen Weg Falten zu verhindern. Nie wieder lachen.“ Der Spruch hängt bei einer Freundin an der Kühlschranktür. Er ist von Anita Roddick, Gründerin des Body Shop, 55 Jahre alt. Mit Slogans wie diesem promoted die Unternehmerin ihre weltweite Kampagne „Your Body & Self-Esteem“ (Ihr Körper und Ihre Selbstachtung). Diese Frau macht aus Falten keinen Hehl. In einer Bilanz zum 20jährigen Gründungsjubiläum des Body Shops hat sie auf einem Foto jede einzelne Falte aufgezählt und ihre Herkunft benannt. Die auf der Stirn: „20 Jahre Mum zuhören, die sagt: ‚ Such dir einen richtigen Job.’“ Oder die unter den Augen: „Drei Jahrzehnte für sozialen Wandel demonstrieren.“ Und die auf dem Kinn: „20 Jahre versucht, in Vorstandssitzungen witzig zu sein.“

„Es gibt drei Milliarden Frauen, die nicht so aussehen wie Supermodels und nur acht Frauen, die es tun“, steht unter einem Plakat mit Ruby, einer Art Barbie-Puppe – allerdings nicht mit Wespentaille, sondern mit weiblichen Rundungen dort, wo frau sich sonst mühsam auf Idealmaße runterhungert

Anita Roddick bezeichnet sich selbst als „Kind der 60er Jahre“. Ihre Werbebroschüre liest sich wie ein Polit-Magazin. Sie stellt Ideal und Wirklichkeit, Magersüchtige und Normalgewichtige gegenüber, prangert Diäten an und proklamiert die „Revolution der Frauen“, von den kriechenden, dürren Wesen zu aufrecht gehenden, kräftigen Menschen: „Treten Sie für das ein, was Sie sind. Machen Sie sich stark für die Selbstachtung!"

Diese Botschaft verkündet Anita Roddick mittlerweile in 1.600 Filialen in 47 Länder der Welt – 72 davon in Deutschland. Ihr Kosmetikkonzern verbucht einen Jahresumsatz von 1,8 Milliarden DM. Auf 80 Millionen Pfund wird heute Anita Roddicks Vermögen geschätzt; zusammen mit Ehemann Gordon hält sie ein Viertel des Aktienkapitals des Body Shop.

Unternehmerin Roddick versteht sich als Feministin und Streiterin für Menschrechte. Die „Queen of Green“ prangerte öffentlich den Ölkonzern Shell wegen des Umgangs mit den Ogoni in Nigeria an und gehörte zu den OrganisatorInnen der 4. Weltfrauenkonferenz in Peking. Ihre neuste Aktion zum 50 Jahrestag der Erklärung der Menschenrechte: Body-Shop-Kundinnen werden aufgefordert, sich via Postkarte für die Freilassung der von den Chinesen inhaftierten tibetischen Nonne und Demokratin Ngawang Sangdrol einzusetzen.

Schon vor dem Ökoboom gehörten Naturkosmetik, Mehrweg-Cremedosen und –Shampooflaschen zum Markenzeichen des Body Shop. Ebenso der Verzicht auf Tierversuche. 1994 gewann Roddick einen Rechtsstreit gegen einen britischen Fernsehsender. Der hatte behauptet, dass einige Body-Shop-Präparate doch Tierprodukte enthielten.

Inspirieren läßt sich die kreative Creme-Spezialistin auf Reisen. In Sri Lanka benutzen Frauen zum Beispiel den Saft der Ananas als Reinigungsmilch für ihre Haut. Im Body Shop gibt es daraus ein Peeling. In Polynesien verwenden Frauen Kakaobutter als Feuchtigkeitsspender. Der Body Shop macht daraus eine Hand- und Körpermilch.

Als Tochter italienischer Einwanderer wurde Anita Roddick in Littlehampton geboren. Dort ist heute auch der Hauptsitz des Body Shop. Mit ihrem Mann, den Anita mal als ihren „erstbesten sympathischen Samenspender“ bezeichnete, eröffnete die studierte Englisch- und Geschichtelehrerin zunächst ein italienisches Restaurant. 1976 dann der ersten Body Shop mit selbstgemachter Naturkosmetik. Sie tünchte den kleinen Laden grün, die einzige Farbe, die die Schimmelflecken des feuchten Raums überdeckte. Heute ist die Farbe Teil ihrer Corporate Identity.

Als die Jungunternehmerin im Bob-Dylan-T-Shirt und in Jeans, ihre beiden Töchter Justine und Samantha im Schlepptau, bei der Bank einen Kredit aufnehmen wollte, bekam sie einen Korb. Erst Ehemann Gordon im feinen Zwirn erhielt 4000 Pfund für die Geschäfteröffnung. Als sie einen zweiten Laden eröffnen wollte war ihr Mann gerade auf Reisen. Dieses Mal war es der Freund einer Freundin, der bereit war, ihr das Geld zu leihen. Im Gegenzug ließ sich Anita Roddick überreden, ihn zur Hälfte an der Firma zu beteiligen. Seither klingelt auch bei ihm die Kasse, wenn der Body Shop gewinne einstreicht.

In erster Linie sah sich Anita Roddick immer eher als Ideengeberin denn als Managerin. Nach 22 Jahren hat sie sich jetzt als Geschäftsführerin des Body Shop zurückgezogen und teilt sich künftig mit Ehemann Gordon den Vorstandsposten. Doch daran läßt sie keinen Zweifel: Anita Roddick bleibt weiterhin der Think Tank des Body Shop.

Cornelia Böcker, EMMA 4/1998

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