Die Soulsängerin - Kein Eva-Prinzip

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Joy Denalane teilt sich Bühne und Bett mit Max Herre. Die beiden bestreiten alternierend Karriere bzw. Kinder. Das macht Mut!

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Als sie, das erste Mädchen nach zwei Söhnen, geboren wurde, stand für ihre Eltern fest: Joy soll sie heißen. Freude. Ein Versprechen, dass die Soulsängerin 33 Jahre später locker einlöst. Joy Denalanes Feeling ist Lebensfreude, ihre Themen sind Lebensrealität: Diskriminierungen von Frauen und Schwarzen; Männer, die fremdgehen, weil ihnen die Hausfrau zu Hause zu langweilig geworden ist; oder Frauen, die einander das Leben schwer machen.
In Talkshows hat die Tochter eines Südafrikaners und einer Heidelbergerin mit Kritik am Einbürgerungsgesetz, dem Frauenbild in Deutschland und der Unvereinbarkeit von Kind und Karriere überrascht – und die Medien verwirrt, die die Kombination von intelligentem Engagement und geballtem Sexappeal nicht gewohnt sind. Ist sie nun eine Soul-Queen oder eine singende Emanze? Eine Emanze oder ein Sexobjekt – oder vor allem die Ehefrau des Musikers Max Herre?
2006 aber ist Joy Denalane vor allem Künstlerin, ist sie wieder an der Reihe. Denn der Ehe-Pakt funktioniert: Die Sängerin und ihr gleichaltriger Mann Max Herre teilen sich Kinder und Karriere. Im zwei Jahres-Rhythmus sind sie mal Sängerin bzw. Sänger oder Hausfrau bzw. Hausmann.
2006 ist ihr Jahr, jetzt geht’s um ihre Songs, Papa bringt die Jungs zum Kindergarten. "Das hat sich von selbst so ergeben. Wir waren uns einig, dass immer jemand hauptsächlich bei den Kindern sein sollte", erzählt Joy. Außerdem ist Max auch Produzent ihrer Alben, denn: "Joy hat so ein unglaubliches Talent" (Max). Ein Talent, für das er seine eignen Pläne auch mal hinten anstellte: Um ihr Debütalbum zu produzieren, zog er von Stuttgart nach Berlin. Seine Band ‚Freundeskreis‘, dessen Frontmann er war, hat seitdem Pause.
Die Erfolgsgeschichte des Musikerpaares beginnt 1999. Max Herre und der ‚Freundeskreis‘ suchen für das Liebeslied ‚Mit dir‘ eine weibliche Soulstimme. Max entdeckt Joy, beruflich wie privat. "Max und ich werden immer als Traumpaar dargestellt. Aber auch wir gehen durch Höhen und Tiefen wie alle anderen.", sagt die Sängerin. Und: "Wir haben nicht romantisch geheiratet, sondern als ich mit dem zweiten Kind schwanger war. Mit Ehevertrag."
2002 veröffentlicht sie ihr Debütalbum ‚Mamani‘, 2004 kommt das Solo-Album ihres Ehemanns ‚Max Herre‘ auf den Markt. Gerade erschien Denalanes neue CD ‚Born & Raised‘.  Sie singt jetzt auf Englisch, ihre Musik ist funkiger geworden, manchmal fast rockig. Sie war "nie die liebe Brave", für die sie Fans nach den seichten, deutsch gehauchten Liebesliedern ihres Debütalbums gehalten hatten. Hat sie 2002 in ihrem Song ‚Geh jetzt!‘ den Mann noch heulend fortgeschickt, so setzt sie ihn im neuen Song ‚Let go‘, einer Hip-Hop-Soul-Melange, kurzerhand vor die Tür: "Wenn er nicht im Haushalt hilft; wenn er bis frühmorgens weg bleibt, während du auf die Kinder aufpasst; wenn er keine Rechnungen zahlt und nicht honoriert, was du in die Beziehung investierst – dann schmeiß ihn raus".
Kaum war sie da, die neue Joy, schrieben einige Kritiker, der Wechsel zum Englischen sei Kalkül. Sie sei mainstreamig geworden und verleugne ihre Wurzeln. Und in Joys Internetblog, wo sie mit Fans kommuniziert und ihre Tour kommentiert, klagt Lena aus Hamburg: "Ich dachte, du bist eine von uns." Joy antwortet diplomatisch: "Jeder sollte das Recht haben sich weiter zu entwickeln".
Joy besingt ihre Spurensuche im Vaterland Afrika, ihre an Brustkrebs verstorbene Mutter und den Rassismus, der ihr im Kreuzberg der 70er Jahre widerfahren ist. Und ihre Lieder enden nicht nach dem ersten Sex. Es geht ums Zusammenleben, ums Fremdgehen, ums Verzeihen und um die ewigen Zweifel. Es geht um Kinder, das schlechte Gewissen und die Gewissheit, nie alle glücklich machen zu können: "Das Gefühl nichts aufgegeben zu haben, macht mich zu einer besseren Mutter, als die, die ich sein würde, wenn ich immer nur zu Hause hocken würde."
Joys Fans sind zwischen 14 und 30, weiblich und wissen, was sie meint. Und ihre gelebte Gleichberechtigung macht einer ganzen Generation junger Frauen, die gerade damit beschäftigt ist, ihrem zögerlichen Freund wenigstens die Elternzeit aufzuquatschen, Mut. Joy Denalane ist der lebendige Beweis dafür, dass es funktionieren kann.
Ihr Erfolgsrezept? Spannend bleiben durch Eigenständigkeit. Joy hat oft genug bei Freundinnen beobachten können, wie die von ihrem Freund fallen gelassen wurden, weil sie sich ihm beugten. "Du bleibst Zuhause, kümmerst dich um die Kinder, weil dein Mann arbeiten will, und als Dank wirst du betrogen, weil du langweilig geworden bist", spottet Joy, eben ‚Heaven or Hell‘. Joy will sich in so einer Lage nie wiederfinden. Auf die, ihr offenbar nicht zum ersten Mal gestellte, Frage ob sie eifersüchtig sei, wenn ihr Mann auf Tour ist und ihm bei Konzerten hunderte Mädchen entgegen schmachten, antwortet Joy Denalane selbstbewusst: "Wieso sollte ich eifersüchtig sein? Wieso nicht er?"
Lara Fritzsche, EMMA 6/2006
Joy Denalane: ‚Born and Raised‘ (Sony BMG)

www.joydenalane.de

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