Kabul: Todesurteile für Frauenmörder

Der Trauermarsch für Farkhunda, angeführt von Frauen, die den Sarg der Ermordeten tragen.
Artikel teilen

Das hatte es in Afghanistan noch nie gegeben: Hunderte Menschen marschierten am 22. März hinter dem Sarg, der von Frauen getragen wurde. Ein absoluter Tabubruch, den die weiblichen Sargträger an diesem Tag dennoch wagten. Denn: Im Sarg lag eine von ihnen. Farkhunda, eine 27-jährige Frau, die offenbar nichts getan hatte, als vor der Kabuler Schah-Do-Schamschira-Moschee mit Amulett-Verkäufern darüber zu streiten, ob der Verkauf von Talismanen vor einer Moschee in Ordnung sei. Es kam zum Tumult und schließlich trat und prügelte ein ganzer Männermob die Frau zu Tode, warf sie auf das ausgetrocknete Flussbett und zündete die Leiche an. Dutzende Zuschauer filmten den Mord per Handyvideo, Polizisten sahen zu, ohne einzugreifen.

Anzeige

Angeblich, hieß es später, habe Farkhunda einen Koran verbrannt. Eine Behauptung, die sich als haltlos herausstellte (und, selbst wenn sie gestimmt hätte, ein solches Massaker auch nicht gerechtfertigt hätte).

Die Trauerfeier wurde zum Protest gegen die Gewalt gegen Frauen

Die Trauerfeier für die Ermordete wurde zur Protestkundgebung gegen die grassierende Gewalt gegen Frauen in Afghanistan. „Wir wollen Gerechtigkeit für Farkhunda, wir wollen Gerechtigkeit für die afghanischen Frauen!“ riefen die Marschierenden. Am Dienstag nach der Beerdigung demonstrierten Tausende – Männer und Frauen - in den Straßen von Kabul. Auch in anderen Städten, zum Beispiel im westafghanischen Herat, gingen die Menschen auf die Straße.

Der Fall erregte internationales Aufsehen, das die Behörden zum Handeln zwang. Präsident Aschraf Ghani setzte eine Untersuchungskommission ein. 49 Männer, darunter 19 Polizisten, wurden angeklagt. Nach dreitägiger Verhandlung verkündete Richter Safiullah Modschaddidi nun: Vier der Täter sollen gehängt werden, acht weitere wurden zu je 16 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Urteile gegen die angeklagten Polizisten sollen am Sonntag gesprochen werden.

Eine, die den Prozess verfolgt hat, ist Samira Hamidi vom „Afghan’s Women Network“. Die Frauenrechtsaktivistin weiß, dass jede von ihnen Farkhunda hätte sein können. „Es ist alarmierend“, klagt sie, dass sich an der Haltung gegenüber Frauen auch 13 Jahre nach der Vertreibung der Taliban nichts geändert hat.“

Artikel teilen

Afghanistan führt Scharia ein

Artikel teilen

Vor elf Jahren marschierte die NATO in Afghanistan ein. Das Anliegen, die afghanischen Frauen aus der Herrschaft der Taliban zu befreien, um ihnen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, gilt seither als westliche Legitimation für diesen Krieg. Mission gescheitert. Vor wenigen Tagen waren es nicht die Taliban, die die afghanischen Frauen ihrer Rechte beraubten. Es war die afghanische Regierung selbst. Der amtierende Präsident Karzai, Hauptverhandlungspartner des Westens, hat nun offiziell gemacht, was der Religionsrat schon seit Wochen fordert: „Die Frau hat sich den Geboten der Scharia zu unterwerfen“, heißt es in seiner offiziellen Regierungserklärung. Denn: „Der Mann ist ein fundamentales Wesen, die Frau ist ihm untergeordnet.“

Anzeige

Die Frau dürfe nur dann „belästigt oder geschlagen werden“, wenn es dafür einen Grund gibt, der „auf dem islamischen Recht beruht,“ schreibt Karzai. Auf "Ehebruch" steht die Todesstrafe. Frauen dürfen nicht mehr ohne männliche Begleitung reisen und sich auf ihrem Arbeitsplatz nicht mehr mit Männern umgeben.

Philipp Mißfelder, außenpolitischer Sprecher der CDU, verlangt eine Erklärung von Karzai. „Er fordert von uns Soldaten und Entwicklungshilfe und hat versprochen, die Rechte der Frauen zu schützen“, sagt Mißfelder in Bild.

Afghanische Frauenrechtlerinnen sind schon lange alarmiert bar der Entwicklung in ihrem Land. „Das Problem sind nicht nur die Taliban. Die haben uns unter die Burka gezwungen. Sie haben uns unsichtbar gemacht. Aber dann gibt es da auch noch die Warlords. Es gibt keine Gewalt, die sie uns nicht angetan haben. Sie haben Frauen für alles missbraucht - ihren Luxus, ihre Rache, ihr Machtgefühl. Und sie sitzen schon jetzt in der Regierung“, sagt Samira Hamidi, Direktorin des Afghan Women Networks. „Ihr wollt den Frauenhelfen? Beweist es!“

Diese Forderung des Frauennetzwerks ist heute aktueller, denn jemals zuvor.
 

Weiterlesen
EMMA Kampagne Islamismus
Malalai redet um ihr Leben (2/04)
Frauen in Afghanistan (1/02)

Weiterlesen
 
Zur Startseite