Kein Gesetz gegen sexistische Werbung?

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Das Wort Frau kommt nicht darin vor, und das, was so entscheidend für alle Frauen wäre, ist schon längst wieder gestrichen. Dennoch wird die Gesetzesreform, die im September in die 1. Lesung geht, von großer Bedeutung für Frauen sein. Denn es geht um die Reform des deutschen Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb. Die Reform hat es eilig, nicht wegen der Unlauterkeit, sondern weil eine Europäisierung des Wettbewerbsrechts kurz bevor steht, das deutsche Recht aber wieder mal ganz hinten an ist.
Ende Juli verlor die Verbraucherzentrale (VZBV) einen Prozess gegen die Firma K-fee, die mit einer zwischen den Brüsten des Ex-Pornostars Gina Wild zerdrückten Kaffeedose auf Plakaten geworben hatte. Die Verbraucherschützer hatten in der Darstellung die Absicht gesehen, auf pornografische Assoziationen (Tittenfick) abzuzielen, was nicht nur durch das phallische Symbol der mit den Brüsten zerdrückten Kaffeedose verstärkt wird. Die Anzeige sei frauenfeindlich und sittenwidrig. Der K-fee-Anwalt hielt dagegen, die Verbraucherschützer sähen das, was sie sehen wollen. Das Gericht gab ihm recht.
Für Verbraucherschützer von Braunmühl zeigt nicht zuletzt dieses Urteil, wie dringend wir eine gesetzliche Regelung brauchen. Nämlich ein Gesetz, das definiert, was frauenfeindlich und sittenwidrig ist und das nicht nur, aber auch im Bereich der Werbung.
Für die anstehende Gesetzesreform hatte Wettbewerbsexperte Prof. Karl-Heinz Fezer im Auftrag der Bundesregierung ein Gutachten verfasst. Darin führt e rim Kapitel Diskriminierende Werbung die fünf Fallgruppen auf: rassen-, ausländer-, religionen-, behinderten- und geschlechterdiskriminierende Werbung. Die letztgenannte ist die am häufigsten vorkommende, was ja auch jeder Mensch jeden Tag sehen kann.
Prof. Fezer definiert in dem Gutachten, was er unter diskriminierender Werbung versteht, nämlich: Die Gleichheit und Gleichwertigkeit der Menschen leugnende Werbung, eine die Integrität des Menschen verletzende Werbung, eine die soziale Stigmatisierung von Menschen intendierende Werbung, eine die Verächtlichmachung des Menschen in seinen angeborenen oder sozial erworbenen Eigenschaften fördernde Werbung, eine die geschlechtsspezifische oder geschlechtsbezogene Verobjektivierung des Menschen instrumentalisierende Werbung. Fezer präzisiert: Ein Verbot geschlechterdiskriminierender Werbung redet nicht der Prüderie in der Werbung das Wort. Die Darstellung von Nacktheit und Sexualität ist in der Werbung zulässig. Diskriminierungskriterien sind etwa die Degradierung eines Menschen zum Sexualobjekt. etc.
Soweit, so einleuchtend. Nicht aber für die Arbeitsgemeinschaft unlauterer Wettbewerb, die das Justizministerium berät, das Fezers Passage über geschlechterdiskriminierende Werbung einfach ersatzlos strich, sodass sie im aktuellen Reformentwurf gar nicht mehr erst vorkommt. Zu viel Wirtschaft in der Arbeitsgemeinschaft, kommentierte Verbraucherschützer von Braunmühl schulterzuckend. Er hält die Chance für gering, dass der so zentrale Punkt der geschlechterdiskriminierenden Werbung wieder aufgenommen wird in die Gesetzesreform.
Ganz so pessimistisch ist Prof. Fezer noch nicht, nicht zuletzt, weil die Missachtung des Schutzes vor diskriminierender Werbung auf die Dauer gegen europäisches Recht verstoßen würde. Und weil fast alle Frauen und zunehmend viele Männer die degradierende und sexualisierende Darstellung von Frauen wirklich leid sind.
Nicht nur in den Mails, Faxen und Briefen an EMMA ist die Frauenfeindlichkeit in Werbung und Medien seit Jahren Thema Nr. 1. Zu recht. Denn sie prägt das Bild der Frau mehr als alles andere. Und darum war es auch nicht zufällig EMMA, die schon 1978 mit der so genannten Stern-Klage die erste große Attacke gegen die diskriminierende Darstellung von Frauen führte.
Zehn Frauen verklagten damals auf Initiative von EMMA den Stern wegen seiner frauendiskriminierenden Titel, weil die, so EMMA-Anwältin Gisela Wild, in eklatanter Weise gegen das Recht von Frauen auf Menschenwürde und Gleichbehandlung verstoßen, was zugleich das Recht auf Freiheit vor Diskriminierung beinhaltet.
1998 erinnerte Prof. Fezer an diesen Pionierprozess in der Juristenzeitung: Ein markantes Datum innerhalb dieser gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung um die Stellung der Frau in der Gesellschaft war der erste so genannte Sexismusprozess, den Alice Schwarzer, Herausgeberin der Frauenzeitschrift EMMA, gegen die Illustrierte Stern wegen mehrerer Titelbilder, die nach ihrer Auffassung die Frau entwürdigten, im Jahre 1978 initiierte. Zwar ging der Prozess vor dem LG Hamburg verloren, doch brachte er verdienstvoll die Problematik in das allgemeine Bewusstsein der Bevölkerung. Die Prozessvertreterin der Klägerinnen, Gisela Wild, führte in einer späteren Schrift treffend aus, nicht Nacktheit sei der Angriffspunkt gewesen, sondern die Art und Weise der Darstellung der Frau, hinter der die Vorstellung stehe, die Frau sei dem Mann immer bereit und verfügbar, sie könne jederzeit genommen werden, sie gehorche und diene.
Wie oft muss das noch gesagt werden? Immerhin sind die Argumente des Plädoyers der EMMA-Anwältin von 1978 im Jahre 2003, schon 25 Jahre später, in einem Regierungsgutachten angekommen. Wollen wir nochmal 25 Jahre warten oder lieber den Verantwortlichen endlich Beine machen?!
EMMA September/Oktober 2003
EMMA über die Sternklage 7/78, 1/79 und PorNO (KiWi, 1994, vergriffen).
Beim Rechtsausschuss des Bundestages liegt das Gesetz zur Beratung. Fordern Sie, dass diskriminierende Werbung in das Wettbewerbsrecht aufgenommen wird: rechtsausschuss@bundestag.de

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