Schluss mit Sexszenen!
Vielleicht liegt es daran, dass Keira Knightley nicht in Hollywood, sondern in London lebt. Oder daran, dass sie soziale Medien im Unterschied zu vielen SchauspielkollegInnen nicht als Schnellschusswaffe für eitle Salven benutzt. Jedenfalls ist Knightley, früher als Prinzessin des Kostümfilms belächelt, zur meistgehörten feministischen Stimme Hollywoods geworden.
Die 35-Jährige macht keinen Hehl daraus, dass sie lieber mit Regisseurinnen als mit deren männlichen Kollegen arbeitet, sie wehrt sich gegen sexuelle Objektifizierung von Frauen in der Filmbranche und den Doppelstandard für Mütter und Väter bei Dreharbeiten. Knightley, Mutter der fünfjährigen Edie und der einjährigen Delilah: „Ich erscheine pünktlich, bin textsicher und bringe Ideen und Meinungen mit. Dabei bin ich die ganze Nacht mit meiner Tochter wach, wenn sie mich braucht. Manchmal breche ich vor Müdigkeit in Tränen aus. Meine männlichen Kollegen dürfen derweil zu spät kommen und ihren Text nicht kennen. Sie dürfen schreien und mit Dingen um sich werfen. Um ihre Kinder müssen sie sich nicht kümmern. Sie arbeiten ja schließlich.“
Knightley verbot den Studios, ihre Brüste am Computer zu vergrößern
Der Weg der Britin zur Selbstbehauptung war weit und schmerzhaft. Nach ersten Parts in Fernsehserien noch in der Grundschulzeit rief Hollywood bei der Tochter eines Schauspielers und einer Schriftstellerin in London an. Es folgten Rollen bei „Star Wars“ und Disneys „Gwyn – Prinzessin der Diebe“, bevor Knightley 2002 mit „Kick It Like Beckham“ der erste große Wurf gelang. Die Produktion, erinnerte sie sich im Podcast „Feminists Don’t Wear Pink“, wurde damals als „sexy Fußballfilm mit Mädchen in Shorts“ beworben. Heute wird der Film von Regisseurin Gurinder Chadha als Durchbruch im Kampf gegen traditionelle Geschlechterrollen gefeiert.
Mit dem Erfolg als Guinevere in „King Arthur“ setzte 2004 der Medienrummel um Knightleys Privatleben ein. Jeden Tag standen Dutzende Paparazzi vor ihrer Tür. Immer wieder musste sie sich anhören, als Prominente sei sie schließlich selbst für die Belagerung verantwortlich. „Ich brauchte Jahre, um zu erkennen, dass die Männer vor meinem Haus dieselbe Sprache benutzten wie Vergewaltiger – im Stil von ,Du hast es provoziert, weil du einen kurzen Rock getragen hast‘“, sagt Knightley. Nach Panikattacken und einem Nervenzusammenbruch nahm sie mit 22 eine Auszeit. Und begann, sich von Hollywoods Männerclub zu emanzipieren.
Knightley verbot den Studios, ihre Brüste für Werbeplakate nachträglich am Computer zu vergrößern, zog juristisch gegen Gerüchte über Essstörungen zu Felde und wehrte sich gegen das Schönheitsdiktat der Filmbranche. Kostümfilme wie „Stolz und Vorurteil“, „Abbitte“ und „Anna Karenina“, die Knightley Nominierungen für Oscar, Golden Globe und den Preis der Britischen Akademie der Film- und Fernsehkunst einbrachten, hat sie in den vergangenen Jahren gegen widerständigere Frauenrollen getauscht. In der Filmbiografie „Colette“ spielte sie 2018 die bisexuelle französische Schriftstellerin, Varietékünstlerin und Feministin Sidonie-Gabrielle Claudine Colette.
Knightley: Ich sehe mich als kämpferische Feministin!
Seit Oktober ist Knightley in „Die Misswahl – Der Beginn einer Revolution“ zu sehen, Philippa Lowthorpes Film über den Schönheitswettbewerb Miss World vor 50 Jahren (EMMA 5/20). Damals stürmten Aktivistinnen des noch jungen Women’s Liberation Movement die Royal Albert Hall, um vor mehr als 100 Millionen Fernsehzuschauern gegen die Vermarktung von Frauenkörpern zu protestieren. Der Film reflektiert ihren eigenen Konflikt als Hollywood-Star und Ehefrau von Musiker James Righton mit dem Engagement für Feminismus: „Ich sehe mich als kämpferische Feministin. Andererseits bin ich Teil einer Industrie, die bis heute absurde Schönheitsideale propagiert.“
Tochter Edie jedenfalls hat sie statt mit Puppen mit einer Werkbank und Bauklötzen ausgestattet. Als Barbie dann doch „unser Haus infiltriert hat, hat Edie allen Puppen die Haare abgeschnitten und ihnen Tattoos aufgemalt“. Irgendwas hat Keira Knightley also richtig gemacht.