Koalition: Verbot von Kinderehen

Foto: Stephanie Sinclair
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Auslöser war ein Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg gewesen, das landesweit Schlagzeilen machte. Die RichterInnen hatten im Mai 2016 die Ehe zwischen einer 14-Jährigen und ihrem 21-jährigen Cousin für gültig erklärt. Das „Ehepaar“ war im ­Februar 2015 von einem syrischen Scharia-Gericht verheiratet worden, bevor es zur Flucht über die Balkanroute aufbrach und schließlich in Deutschland ankam. Hier hatte das Jugendamt die „Ehefrau“, die mit 14 vor dem deutschen Gesetz noch als Kind gilt, in Obhut genommen und vom „Ehemann“ getrennt. Der klagte – und gewann.

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Spätestens jetzt war klar: Es gibt gesetz­lichen Handlungsbedarf. Denn diese Kinderehe ist kein Einzelfall. Mit den Flüchtlingen aus Syrien oder Afghanistan kommen immer mehr „Kinderbräute“ nach Deutschland. 1.475 verheiratete Minderjährige – also unter 18-Jährige – meldeten die Bundesländer im Juli 2016, davon 1.152 Mädchen. 361 von ihnen waren sogar jünger als 14 Jahre.

Zentralrat des Muslime: Eheverbot der falsche Weg

Nach langen Debatten legte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) schließlich einen Gesetzentwurf vor, der Anfang April vom Kabinett beschlossen wurde. Künftig soll in Deutschland nur noch heiraten dürfen, wer mindestens 18 Jahre alt ist. Bisher konnte ein Familiengericht in Ausnahmen eine Ehe mit einer Person ab 16 Jahren genehmigen. Das soll nicht mehr möglich sein. Für im Ausland geschlossene Ehen gilt: Alle Ehen, bei denen ein Ehepartner – meist das Mädchen – unter 16 ist, werden automatisch annulliert. Sind die Eheleute zwischen 16 und 18 Jahre alt (oder eineR von beiden), muss das Jugendamt ein so genanntes „Aufhebungsverfahren“ einleiten. Dann entscheidet ein Familiengericht, ob die Ehe für ungültig erklärt wird. Laut Gesetz soll die Auflösung der Ehe der „Regelfall“ sein.

Und schließlich soll auch verboten werden, dass Imame Minderjährige in einer religiösen Ehe trauen.

Prompt wurde Kritik laut. Zum Beispiel vom „Zentralrat der Muslime“. Der scharia-­orientierte Islam-Verband – der überhaupt nur ein Prozent der in Deutschland lebenden Muslime vertritt – war vorab vom Justizministerium als „Experte“ um eine Stellungnahme gebeten worden. Der Zentralrat erklärte erwartungsgemäß: „Ein pauschales Heiratsverbot unter 18-Jähriger und mehr noch die nahe gelegte behördliche Aufhebung von rechtmäßig im Ausland geschlossenen Ehen“ seien „der falsche Weg“.

Da sind die Grünen ganz bei Aiman ­Mazyek und seinem Zentralrat. Sie finden das Gesetz „populistisch“ und stimmten jetzt im Bundestag dagegen. „Die pauschale Nichtigkeit der Ehe ist keine Lösung im Sinne der Betroffenen“, erklärt Katja Keul, rechtspolitische Sprecherin der Grünen. Die Zwangsgetrennten verlören ihre Unterhalts- und Erbansprüche, eventuelle Kinder gälten als nichtehelich. Deshalb müsse ein Fami­liengericht in jedem Einzelfall entscheiden, ob „die Aufhebung der Ehe dem Kindeswohl dient“. Wohlgemerkt: Wir sprechen hier von 12-, 13- oder 14-jährigen Mädchen.

Die Jugendämter sind schon jetzt überfordert

Das sieht nicht nur die Frauenrechts­organisation Terre des Femmes ganz anders. Es gebe durch die Auflösung der Ehe „gar keine rechtlichen Nachteile“, erklärt Myria Böhmecke, Referentin für „Gewalt im Namen der Ehre“. Die in Deutschland aufgelöste Ehe habe im Herkunftsland nach wie vor Bestand. In Deutschland hingegen könne das Mädchen „sämtliche Jugendhilfemaßnahmen in Anspruch nehmen“. Und eventuelle Kinder aus der Verbindung gälten hierzulande zwar als unehelich, hätten aber nach deutschem Recht dadurch keine Nachteile. „Der Vater ist nach wie vor unterhaltspflichtig.“ Auch der Aufenthaltsstatus der „Ehefrau“ sei durch die Ehe-Annullierung nicht gefährdet. „Das hat der Gesetzgeber ausdrücklich ins Gesetz geschrieben.“

Dennoch hat auch Terre des Femmes Kritik an dem Gesetz, das in der Theorie gut klingt, in der Praxis aber an Grenzen stoßen wird. Denn was genau passiert ­eigentlich, wenn zum Beispiel eine 15-jährige Kinderbraut samt Ehemann und ­Familie in einer Flüchtlingsunterkunft ankommt? Der Familie wird künftig erklärt, dass die Ehe in Deutschland keine Gültigkeit hat. Aber wenn dem keine Taten folgen, kann es passieren, „dass die Ehe trotzdem einfach weiter­gelebt wird“, fürchtet Böhmecke. „Deshalb muss das Jugendamt in jedem Fall sehr genau schauen, ob das Mädchen in Obhut genommen werden muss, um es zu schützen.“

Die Jugendämter aber seien „jetzt schon überfordert“. Wenn das jetzt verabschiedete Gesetz im Juli in Kraft tritt, wird sich die Lage weiter verschärfen. Deshalb fordert Terre des Femmes, dass das Personal der Jugendämter „massiv aufgestockt wird“. Außerdem gebe es noch nicht genügend Einrichtungen für geflüchtete Mädchen.

„Das Gesetz allein reicht nicht aus“, sagt Myria Böhmecke. „Da muss noch ganz viel passieren, und zwar schnell!“

Deutsche Richter erlauben Kinderehen (6/16), Scharia-Staat mitten in Deutschland (3/15)

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