Kiss-in vorm Wiener Café Prückel
Da waren selbst Anastasia Lopez und Eva Prewein von den Socken. „Wir hatten mit 20, 30 UnterstützerInnen aus unserem Bekanntenkreis gerechnet“, hatten sie noch am Donnerstag erklärt. Gestern Abend aber wehten vor dem Wiener Café Prückel massenhaft Regenbogenfahnen: 2.000 Menschen hatten sich vor dem Traditionshaus versammelt, darunter so manches Frauenpaar, das sich vor den zahlreichen Kameras demonstrativ küsste.
Kein solider Zungenpritschler, sondern einfach nur ein Bussi!
Der Adressatin des Kiss-ins allerdings blieb dieser Anblick erspart. Prückel-Chefin Christl Sedlar hatte kurzerhand einen „Ruhetag“ ausgerufen und das Café geschlossen.
Sedlar hatte am 6. Januar ihre Kellner angewiesen, Anastasia und Eva nicht zu bedienen, weil die sich mit einem Kuss begrüßt hatten. Dieser Kuss sei nur „ein Bussi“ gewesen, sagt Anastasia, also kein „solider Zungenpritschler“, wie FPÖ-Sprecher Toni Mahdalik behauptet. Es habe sich um einen klaren Fall von Homophobie gehandelt, erklären die beiden Frauen, denn die Prückel-Chefin habe gesagt, diese Art von „Andersartigkeit“ gehöre „in den Puff“.
Das wollten sich Anastasia und Eva nicht bieten lassen. Sie stellten den Vorfall auf Facebook. Bis zum Vortag der Protestveranstaltung hatten sich über 7.000 UnterstützerInnen zur Demo angemeldet, der Vorfall zog in den Medien Kreise bis nach New York.
Zu den 2.000, die dann tatsächlich kamen, gehörte auch die Wiener Vize-Bürgermeisterin Maria Vassilakou von den Grünen und Angelika Mlinar von den liberalen „Neos“. Und auch Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) meldete sich zu Wort: „Es ist höchste Zeit, den Diskriminierungsschutz außerhalb der Arbeitswelt auszuweiten", forderte sie. Denn: „Solche Vorfälle müssen der Vergangenheit angehören, wir brauchen endlich Gleichstellung."
Das österreichische Anti-Diskriminierungsgesetz schützt bisher nur vor Diskriminierung im Beruf, aber nicht den „Zugang zu Gütern und Dienstleistungen“. Mit anderen Worten: Hätte sich ein Gast nicht von einem homosexuellen Kellner bedienen lassen wollen, wäre das unter das Anti-Diskriminierungsgesetz gefallen. Das Lokalverbot für die homosexuellen Frauen jedoch nicht. Im März, verkünden nun die österreichischen Sozialdemokraten, wollen sie das Gesetz reformieren.
„Dieser Vorfall ist für uns ein Signal: Achtung, Diskriminierung existiert immer noch“, erklärte Cecile Balbous, Sprecherin der „Homosexuellen Initiative Wien“ (HOSI). Und Karin Schönpflug vom Wiener Lesben- und Schwulenzentrum „Rosa Lila Villa“ klagt: „Wenn ich zum Beispiel als lesbisches Paar am Samstagnachmittag durch Schönbrunn händchenhaltend spaziere, ist das so unangenehm, das lässt man irgendwann sein. Weil einfach alle Familien schauen, die Kinder schauen und die Eltern müssen dann irgendetwas erklären. Was die sagen, will man schon gar nicht hören, weil das teilweise so wahnsinnig verletzend und dumm ist.“
Schönpflug beobachtet einen Backlash: Homosexuelle Frauen und Männer gingen zunehmend wieder in spezielle Homosexuellen-Kneipen. Im September 2014 war die „Rosa Lila Villa“ mit der Aufforderung „Töte Schwule“ besprüht worden. Auch damals hatte es eine Solidaritäts-Demo mit 200 TeilnehmerInnen gegeben.
Achtung: Diskriminierung existiert immer noch!
Und nun kamen zehnmal so viele. Eine, die das freut, ist Vera Schweder von „Wien Tourismus“. Sie und ihre Kolleginnen fänden den Vorfall im Prückel „beschämend“ und „kontraproduktiv“. Denn: „Wir bewerben das Marktsegment der gleichgeschlechtlich Liebenden seit 1998 aktiv. Unsere Einstellung ist, dass Wien eine tolerante Stadt ist, die für jedes Lebenskonzept Platz hat.“ Die Protestkundgebung könne nun einen „Imageschaden“ abwenden, hofft Schweder. „Denn die Medien werden sicher auch darüber berichten, was für eine Riesengegenbewegung das auslöst, und zwar nicht nur innerhalb der Community, sondern auch in der ganzen Bevölkerung.“
Wir dürfen gespannt sein, ob das Café Prückel auch vom 19. bis 23. Mai seine Pforten schließt. Dann wird der Eurovision Song Contest in Wien ausgetragen, den SiegerIn Conchita Wurst in die österreichische Hauptstadt geholt hat. Tausende homosexuelle TouristInnen werden in der Stadt sein. Einige möchten sicher auch ein Stück Sachertorte im berühmten Café Prückel essen.