Kopftuchkritik an deutscher Uni
Vor allem die visuellen Medien, Fotografen und Fernsehen, waren enttäuscht. Sie hatten auf Krawall gehofft. Was ja auch gar nicht so unwahrscheinlich gewesen wäre. Schließlich hatten die GegnerInnen dieser Konferenz an der Frankfurter Universität über „Das islamische Kopftuch – Symbol der Würde oder der Unterdrückung?“ ganz schön losgelegt: Prof. Susanne Schröter, die die Konferenz veranstaltete, sei eine „antimuslimische Rassistin“ und müsse sofort entlassen werden, „#schröter_raus“.
Aber das war im Netz. Und anonym. Gesicht zeigen ist dann nochmal etwas anderes. So kam es, dass an diesem nieseligen Mittwochmorgen zwar ein paar hundert Menschen zu der Konferenz strebten (in deren Raum nur Platz für 200 war, der Rest musste zur Liveübertragung in einen Nebenraum), von DemonstrantInnen aber weit und breit nichts zu sehen war. Nur drei Polizeiautos mit beeindruckender Besetzung zeugten von möglichem Protest.
Erst im Laufe des Tages tauchte ein Dutzend junger Frauen auf, positionierte sich auf der Straßenseite gegenüber und wedelte mit Protestpappen: „Kein Platz für Rassismus“, „My body my choice“ oder „Lasst uns selber sprechen“. Doch wer ist „uns“? Musliminnen? Frauen, die Kopftuch tragen? Beides war auch drinnen durchaus vertreten, darunter die stramm verschleierte Maryam Hübsch, eine der Referentinnen. Hübsch ist Mitglied der „Ahmadiyya Muslim Jamaat“, die laut Gerichtsbeschluss als „Sekte“ bezeichnet werden dürfen.
Es geht nicht um die einzelne Kopftuch-Trägerin, sondern um das System Kopftuch
Die Universität Frankfurt hatte schon im Vorlauf ihre renommierte Professorin offensiv in Schutz genommen vor den Pöbeleien und ihr den Rücken gestärkt. Susanne Schröter betonte, dass es ihr nicht um die einzelne Kopftuchträgerin gehe, sondern „um das System Kopftuch“. Sie eröffnete die Konferenz mit einem sehr konkreten und bilderreichen Vortrag über die Entwicklung Indonesiens, wo sie selbst als Ethnologin einige Jahre lang gelebt hatte. Das Land mit den meisten MuslimInnen auf der Welt war bis vor kurzem noch ein friedliches, tolerantes Land, in dem jeder glauben oder nicht glauben konnte, was er wollte. Bis 2011 die – weltweit konzertierte! – islamistische Agitation einsetzte, was zuerst an der zunehmenden Verhüllung der Frauen und kleinen Mädchen sichtbar wurde. Am Beispiel Indonesien zeigte Schröter auf, wie aus dem Kampf „für das Recht auf das Kopftuch der Zwang zum Kopftuch“ werden kann. Heute herrscht in Indonesien der Terror. Für den geringsten Verstoß gegen „ihre Rolle“ werden Frauen öffentlich ausgepeitscht.
Mein Vortrag folgte dem der Direktorin des „Forschungszentrums globaler Islam“. Ganz wie Schröter machte ich auf den Unterschied zwischen dem Islam, der Religion, und dem Islamismus, der politischen Strategie aufmerksam. Ich skizzierte die internationale Offensive der rechten Islamisten ab Khomeinis Gottesstaat im Iran 1979, sowie die Offensive des Scharia-Islam in Deutschland, ab Mitte der 90er Jahre. Das Kopftuch habe bis dahin auch in den islamischen Ländern kaum eine Rolle gespielt, höchstens traditionell in ländlichen Gebieten, und sei ab 1979 zur Flagge des Kreuzzuges der Islamisten geworden.
Das Kopftuch: kein Symbol der Würde, sondern der Unterdrückung
Und ich bedauerte, dass im Namen einer „falschen Toleranz“ weder Politik noch Medien der Agitation der Islamisten und Islamverbände wirklich etwas entgegengesetzt hätten, sondern ganz im Gegenteil bis heute vor allem mit den Fundamentalisten im „Dialog“ sei – und damit die Mehrheit der aufgeklärten MuslimInnen im Stich lasse.
Es folgten zwei wissenschaftliche Koran-Exegesen von Dina El-Omari von der Universität Münster und Abdel-Hakim Ourghi von der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Beide kamen, bei aller Unterschiedlichkeit, zu dem Schluss, dass vom Koran keine Verhüllungspflicht abgeleitet werden könne, also das Kopftuch nicht religiös begründet sei.
Folgerichtig forderte die Deutsch-Türkin Necla Kelek, Autorin und Mitglied im Vorstand von „Terre des Femmes, in ihrem Vortrag am Nachmittag, ein Kopftuchverbot für Mädchen unter 18 Jahren.
Bis auf Hübsch waren sich also alle ReferentInnen dieser Konferenz einig: Das Kopftuch ist kein Symbol der Würde, sondern ein Symbol der Unterdrückung. Das ist neu. Dass an einer deutschen Universität so klar Kopftuch-kritische Positionen bezogen werden. Dazu gehört Mut. Den hat Prof. Susanne Schröter ganz offensichtlich.
Es gehörte von mir kein Mut dazu, am Nachmittag die Konferenz kurz zu verlassen und rüberzugehen zu dem kleinen Häuflein von Demonstrantinnen. Ich wollte mit ihnen reden – was nicht möglich war. Aber vielleicht kommt das ja noch.
Alice Schwarzer
Hier geht es zu den Mitschnitten der Konferenz
Das islamische Kopftuch – Symbol der Würde oder der Unterdrückung? - Teil I
Das islamische Kopftuch – Symbol der Würde oder der Unterdrückung? - Teil II
Das islamische Kopftuch – Symbol der Würde oder der Unterdrückung? - Teil III