Kramp-Karrenbauer: Mutige Politikerin

© Michael Kappeler
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Die Sache mit der Kanzlerkandidatur wird Annegret Kramp-Karrenbauer so schnell nicht los. Im Sommer machte die Nachricht die Runde, die saarländische Ministerpräsidentin sei neben Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eine Anwärterin auf die Nachfolge von Angela Merkel. Kramp-Karrenbauer nahm – und nimmt – das Gerede nicht ernst. Immer wieder einmal wird die 52-Jährige gefragt, ob sie denn Ambitionen auf höhere und höchste Ämter habe. Ihre Antwort: „Ich bin lange in der Politik, ich weiß, wie solche Diskussionen funktionieren.“

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Sie war mit 38 Jahren die erste Innenministerin Deutschlands

Dabei hätte ein Wettlauf zwischen der Saarländerin und der Ministerin durchaus Reiz. Die beiden sind, wenn man so will, die Antipoden der CDU, jedenfalls im persönlichen Auftreten. Kramp-Karrenbauer ist eine äußerst uneitle Person, niemand, der sich nach öffentlicher Aufmerksamkeit drängt. Scheu wurde sie bisweilen genannt. Scheu? Von wegen.

Die Mutter dreier Kinder hatte in den vergangenen 15 Jahren so gut wie jedes Amt in der saarländischen Landesregierung inne. Mit 38 Jahren wurde sie die erste Innenministerin Deutschlands; der jüngste Sohn konnte noch nicht einmal laufen. 2011 wurde sie Ministerpräsidentin der ersten schwarz-gelb-grünen Koalition der Republik. Doch das Jamaika-Trio mutierte zur Chaos-Truppe, mit der FDP war an der Saar kein Staat mehr zu machen. Kramp-Karrenbauer ließ das Bündnis platzen, provozierte eine Neuwahl mit ungewissem Ausgang. 

In Berlin schlugen die ChristdemokratInnen bis hin zur Kanzlerin die Hände über dem Kopf zusammen. Was, um Himmels Willen, denkt sich diese Frau eigentlich? Riskiert einfach mal so ihr Amt. Sie dachte, dass das Land anständig regiert werden müsse – gewann die Wahl und führt es seither mit der SPD.

Dieser Schritt hat ihr viel Respekt eingebracht, auch und gerade in der CDU, in der Saarländer gemeinhin keine bedeutsame Rolle spielen. Das Land ist nicht groß, es ist die Heimat kleiner Leute. Die Christdemokraten dort sind durch die Bank Linke, sozialpolitisch jedenfalls. Auch die konservative Ministerpräsidentin ist seit Ewigkeiten für einen Mindestlohn, hätte im Prinzip auch nichts dagegen, Steuern für Spitzenverdiener zu ­erhöhen. Sie kann dem Projekt Betreuungsgeld wenig abgewinnen und kämpft seit langem für eine Frauenquote. Ohne die wäre sie vermutlich nie in die Saarbrücker Staatskanzlei gekommen. 

Und auch nicht ohne ihren Mann. Der ist Bergwerksingenieur und offenkundig ein vernünftiger Mensch. Zu Beginn ihrer Ehe einigten sich die beiden, dass immer derjenige Vollzeit arbeiten soll, der am besten verdient. Als Kramp-Karrenbauer 1998 für kurze Zeit Bundestagsabgeordnete wurde, tauschten sie die Aufgaben. Sie machte Politik, er kümmerte sich hauptsächlich um die drei Kinder.

Kaum ein Porträt über die Ministerpräsidentin kommt ohne Beschreibung der häuslichen Verhältnisse aus. Moderne Ehe, interessant, müssen fortschrittliche emanzipierte Leute sein. Kramp-Karrenbauer wiederum findet, ihr heimisches Leben tauge nicht als Beispiel für gelungene Emanzipation: „Wir leben das klassische Modell. Nur eben mit vertauschten Rollen.“ Inzwischen haben sich die Dinge auch geändert. Die beiden älteren Kinder sind aus dem Haus, der Jüngere flügge, allein der Hund bedarf intensiverer Betreuung.

Interessanterweise bezeichnet sich Kramp-Karrenbauer selbst als gesellschaftspolitisch konservativ. Der Mensch als Ware – das kann und will sie nicht akzeptieren. Auch und gerade in Frauenfragen nicht. Sie setzt sich seit langem für ein strikteres ­Prostitu­tionsrecht ein, aus Überzeugung und bitterer Erfahrung vor Ort. Die Grenzstadt Saarbrücken ist zu einem Zentrum gewerblicher Prostitution geworden, seit der Sexkauf in Frankreich verboten ist. Zusammen mit Oberbürgermeisterin Charlotte Britz von der SPD unterschrieb sie den EMMA-Appell gegen Prostitution, im Saarland gelten seit Februar 2014 strengere Regeln. Der Straßenstrich wurde verkürzt, Sperrzeiten verlängert, Hygienevorschriften mitsamt Kondompflicht eingeführt. 

Kramp-Karrenbauer geht es um den Schutz, nicht die Verfolgung von Prostituierten. Als Innenministerin richtete sie einst einen Runden Tisch gegen Menschenhandel ein, das Thema Prostitution konnte dabei nicht ausgespart werden. 

Die herkömmliche, grobschlächtige politische Rechts-Links-Theorie taugt für gesellschaftspolitische Debatten längst nicht mehr. Und auch nicht für die saarländische Politik. Dort arbeiten CDU und SPD inzwischen geräuschlos und recht vertrauensvoll zusammen. Vielleicht auch deshalb, weil die sozialdemokratische Vize-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger ebenso pragmatisch und bodenständig ist wie die konservative Regierungschefin. Kein Bohei, keine Koalitionsszenen. Die beiden haben anderes zu tun. 

Sie unterschrieb EMMAs Appell gegen Prostitution.

Das Saarland ist pleite, seit langem schon, aus eigener Kraft kann es nicht überleben. Überall wird gespart, zugleich muss die Regierung dafür sorgen, dass die SaarländerInnen nicht abwandern, in wohlhabendere Regionen Deutschlands, wo man sich mehr leisten kann. Kramp-Karrenbauer kämpft bei den Bund-Länder-Finanzgesprächen um eine Entlastung bei den alten Schulden. Es geht um nichts weniger als um die Eigenständigkeit ihrer Heimat. Die Frau hat anderes im Kopf als Kanzlerkandidatinnen-Zeugs. Und sie findet zudem, dass es ein Leben gibt, neben und nach der Politik. „Ich bin geerdet“, sagt sie, „durch meine Familie, meine Herkunft, meine Freunde.“ 2017 will sie noch einmal antreten, als CDU-Spitzenkandidatin bei der saarländischen Landtagswahl. Und dann? „Dann hat der Wähler das Wort“, antwortet sie. Und die Wählerin.

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Saarland: Frauen wählten

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Es war ein historischer Satz: „Dies war eine Wahl der Frauen“, sagte Jörg Schönenborn in der Tagesschau, als er den Wahlsieg von Ministerpräsidentin Annegret Kamp-Karrenbauer (CDU) im Saarland verkündete. Es war das erste Mal in der Geschichte der Wahlberichterstattung der ARD, dass der so genannte Gender Gap – also die „Geschlechter-Lücke“ beim Wahlverhalten – benannt und auch beziffert wurde: 37 Prozent der Frauen wählten die 49jährige Politikwissenschaftlerin und dreifache Mutter, die im Jahr 2000 erste deutsche Innenministerin wurde - aber nur 33 Prozent der Männer. Bei den Piraten hingegen ist es umgekehrt: Die wurden vor allem von „jungen internetaffinen Männern“ gewählt. Aber auch die Gender Gaps der anderen Parteien sind beachtlich: So wurde die Linke nur von 14 Prozent der Frauen gewählt, aber von 18 Prozent der Männer. Und wenn im Saarland nur Männer gewählt hätten, wären die Grünen gar nicht in den Landtag gekommen. All das ist erstmals im ZDF-Diagramm über die „Wahlentscheidung in den sozialen Gruppen“ nachzulesen. Denn dort sind diesmal nicht nur Alter, Bildungsabschluss und Beruf ein Kriterium, sondern auch – das Geschlecht. Könnte es sein, dass EMMAs beständige Berichterstattung über den Gender Gap und die davon inspirierte Protestaktion der Frauenlisten dazu beigetragen haben?

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