In der aktuellen EMMA

Periode: Läuft! Oder aus dem Ruder?

Frauen demonstrieren gegen Periodenarmut. Foto: Kulczyk Foundation
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Ein Blick von ihr könne Tiere vergiften. Kinder bringe sie zum Erblinden. Und Männer infiziere sie mit Lepra: Für den Kölner Mönch und Philosophen Albertus Magnus musste man sich vor keinem Menschen so in Acht nehmen wie vor der menstruierenden Frau. Eine dunkle Macht sei sie. Und ihre Vagina war in seiner Vorstellung so etwas wie der Eingang zur Hölle.

Woher der heiliggesprochene „Universal­gelehrte“ des 13. Jahrhunderts, der sich in seiner Schrift „De secretis mulierum“ ausführlich den „Geheimnissen der Weiber“ widmete, diese Erkenntnisse gehabt haben will, bleibt ungeklärt. Sicher ist, dass seine Abhandlung nur eine von vielen ist, in denen schon antike Denker wie Hippokrates oder Aristoteles davon ausgingen, dass mit der Monatsblutung das Böse in die Welt fließt.

Das bisschen Blut. Besser, das bisschen Gemisch aus Blut, Scheidenflüssigkeit und unbefruchteter Eizelle, die der Körper einer fortpflanzungsfähigen Frau einmal im Monat samt Gebärmutterschleimhaut abstößt. 60 Milliliter sind es, die eine Frau im Schnitt verliert. Vier Esslöffel voll. 

Die Diskriminierung aber, die dieser Vorgang mit sich brachte – und bringt –, ist maßlos. Sie reicht von der massiven Einschränkung der Bildungschancen, die Mädchen in weiten Teilen Afrikas erleiden, weil sie aus Mangel an Hygieneprodukten während ihrer Regel nicht in die Schule gehen können, bis zum „Chaupadi“-Brauch in Nepal: Offiziell wurde die Praxis, die menstruierende Frauen in Verschläge außerhalb des Dorfes verbannt, 2007 verboten. In länd­lichen Gebieten aber wird die „Tradition“ weiter praktiziert. Eine Demütigung, die lebensgefährlich sein kann, wenn Frauen und junge Mädchen in provisorischen Behausungen schutzlos in der Wildnis sind. Doch der Wahn, die „unreine“ Frau abzusondern, zählt mehr als das Risiko eines Überfalls oder eines Schlangenbisses.

„Unrein“ – in den modernen christlichen Kirchen sind menstruierende Frauen nicht mehr mit dem alttestamentarischen Stigma belegt. In vielen anderen Religionen allerdings werden sie weiter zum Beispiel von rituellen Handlungen ausgeschlossen. Abhängig von der jeweiligen theologischen Schule, dürfen sie im Islam nicht beten, fasten oder eine Moschee betreten. „Nidda“ heißt die rituelle Unreinheit orthodoxer Jüdinnen. Wer Frauen in diesem Zustand berührt, „beschmutzt“ sich selbst. Neben ihren Männern dürfen die Frauen erst wieder schlafen, wenn sie eine rituelle Reinigung vorgenommen haben.

Doch auch in der säkularisierten westlichen Gesellschaft bleibt die Periode eine problematische Angelegenheit, ein peinlicher Vorgang, den frau so diskret wie möglich hinter sich bringen soll. Werbespots für ultraleichte Damenbinden, in denen junge Frauen während ihrer Tage Pirouetten auf dem Eis drehen, tun so, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt, über die Monatsblutung zu sprechen. Die zahlreichen Apps, mit deren Hilfe Frauen den Überblick über ihre Periode im Auge behalten und ihre Aktivitäten entsprechend planen können, erwecken ebenfalls den Anschein, als sei die Regel in der Postmoderne angekommen. Der ganz normale Alltag aber sieht anders aus. Da wird die Kollegin noch immer im Flüsterton nach einem Tampon gefragt. Und welche Frau würde in einem Meeting ihren männlichen Kollegen ihr Unwohlsein mit ihren „Tagen“ erklären?

Die Periode bleibt etwas Schambehaftetes, irgendwie Schmuddeliges. Wie groß das Tabu ist, zeigte nicht zuletzt die Reaktion auf die Aktion der Britin Kiran Gandhi. Die damals 26-Jährige bekam kurz vor ihrem Start beim London-Marathon 2015 ihre Periode und beschloss, ohne Tampon zu laufen. Sie wollte sich nicht die ganze Strecke über Gedanken darüber machen, sagte sie später, sie hätte ihn ohnehin nicht wechseln können. Für sie sei es ein guter Anlass gewesen, ein Zeichen zu setzen „für Schwestern, die keinen Zugang zu Tampons haben, und für Schwestern, die ihre Periode trotz Krämpfen und Schmerzen verstecken und so tun, als ob sie nicht existierte.“ Nachdem Kiran auf ihrem Blog die Fotos gepostet hat, die sie im blutbefleckten Dress zeigen, bekam sie einen gehörigen Shitstorm. Häufigste Vokabel: „disgusting“ – „ekelhaft“. Sie bekam aber auch viel Anerkennung für ihren Mut, die ­Mens-truation aus der Schamecke zu holen. 

Auch kulturhistorische Betrachtungen wie sie die aktuelle Ausstellung „Läuft!“ des Berliner „Museum Europäischer Kulturen“ vornimmt (die sich noch bis zum 6. Oktober der Menstruation widmet) sind ein wichtiger Beitrag zur Enttabuisierung. Zudem überrascht die Berliner Ausstellung mit einer Menge wenig bekannter Details aus der spezifisch weiblichen Alltagsgeschichte. Angefangen bei der Frage: Was machte frau eigentlich, als es weder Tampons noch Binden gab? 

Spezielle Artikel für die „Monatshygiene“ kamen erst Ende des 19. Jahrhunderts auf den Markt. Bis dahin floss das Menstruationsblut einfach in Unterhemden und Unterröcke. Weil diese tagelang getragen wurden, kam es häufig zu Infektionen. 

Frauen, die das ändern wollten, bekamen in dem 1896 erschienenen „Buch der Wäsche“ Anleitungen zur Herstellung von „Wäschestücken für besondere Zeiten“. Dabei handelte es sich um monströse Unterhosen, in die man Stoffbinden knöpfen konnte. Zu deren Herstellung falte man ein Stück Stoff vierfach und setze anschließend ein Steppmuster darauf. Wie viele Frauen sich diese „Liebestöter“ nähten, ist nicht bekannt. Unterhosen wurden jedenfalls lange nur in der Oberschicht getragen. Noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts trugen Frauen in ländlichen Gegenden Deutschlands für gewöhnlich keinen Slip unter ihren Unterkleidern. Binden aber brauchen eine Vorrichtung, die sie am Körper hielten. So entstand der „Bindengürtel“. 1893 ließ die Stuttgarter Firma Teufel ihren „Diana-Gürtel“ patentieren. Weil die ersten Wegwerfbinden wie „Marwedeʼs Moos-Binden“ Luxus waren, werden die meisten Frauen mit Hilfe des Gürtels eine wieder verwertbare Vorlage zwischen ihren Beinen befestigt haben. Oder, wie häufig üblich, einfach Stofffetzen. 

Auch die 1926 erstmals verkaufte „Camelia“, die Binde aus Zellstoff, brauchte einige Jahre, bis sie zum erschwinglichen Massenprodukt und seit den Fünfzigern zum Synonym der bundesrepublikanischen Wegwerfbinde wurde. Die weiblichen Werktätigen der DDR verwendeten indes die aus Zellstoff, Gaze und Pappe hergestellten Binden „Alba Zell“ und „Rosa Extra“. 

Die Idee des Tampons kam 1947 aus den USA nach Deutschland. Der Ingenieur Carl Hahn ließ Watte nach der Technik des Zigarettendrehens verarbeiten und brachte 1950 den ersten o.b. – „ohne Binde“ – auf den Markt. Der DDR-Tampon hieß „Imuna“. Simone de Beauvoir jubelte rückblickend: „Die Tampons waren eine wahre Befreiung!“

Schon während des Zweiten Weltkrieges hatte die Wirtschaft entdeckt, wie wichtig Produkte der „Monatshygiene“ für das Arbeitsleben sind. Die Werbung pries sie als Hilfsmittel an, die es Frauen ermöglichten, auch während ihrer Mens-truation im Berufsleben „ihren Mann zu stehen“. Der war nämlich an der Front und fehlte im Arbeitsleben. 

Eine „Camelia“-Werbung aus den Vierzigern zeigt beispielsweise eine Schaffnerin in schicker Uniform. „Neue Berufe“, so die Überschrift der Anzeige, „fordern von der Frau unermüdliche Arbeitsfreude“. Dass die nicht getrübt wird, dafür sollte die „neuzeitliche Camelia-Hygiene“ sorgen. 

Plötzlich also sprach nichts mehr gegen die berufstätige Frau, auch nicht ihre Periode. Dabei war den Kämpferinnen, die im Zuge der ersten Emanzipationsbestrebungen gleichberechtigte Teilhabe an Schulausbildung, Studium und Beruf forderten, die Menstruation noch als schlagendes Argument entgegengehalten worden: Die Monatsblutung, so die Gegner der Frauenarbeit außerhalb von Küche und Kinderzimmer, schwäche die Frau, körperlich wie geistig. Höhere Bildung sei deshalb nichts für Mädchen. Allzu intensives ­Lernen könnte sie so anstrengen, dass die Gefahr der Unfruchtbarkeit drohe. 

Entschiedenen Widerspruch erhob Hedwig Dohm (1831 – 1919) in ihrem 1902 erschienenen Buch: „Die Antifeministen“. Darin empörte sich die Frauenrechtlerin, dass namhafte Mediziner die Menstruation als Krankheit darstellten, die Frauen für mindestens sechs Tage im Monat für den Beruf disqualifiziere. Und provokant fragte sie jene Ärzte, ob sie denn auch selbst kochen würden, wenn ihre Dienstmädchen „unpässlich“ seien?

Sind sich die Verfechterinnen des 2023 in ­Spanien eingeführten „Menstruationsurlaubes“ eigentlich bewusst, dass das Recht auf monatlich fünf freie Tage bei Regelschmerzen die alte Vorstellung von der minderen Leistungsfähigkeit der menstruierenden Frau bedient? Von den Frauen selbst wird die vermeintliche Errungenschaft jedenfalls kaum angenommen. Frauen, so die Gewerkschaften, fürchten eine Stigmatisierung. Zu Recht. So wird die Frau wieder zum „schwachen Geschlecht“, mindestens aber zur weniger zuverlässigen Kollegin („Die hat mal wieder ihre Tage!“). 

Es gibt so einige Punkte, an denen bei dem Versuch, mehr „Periodengerechtigkeit“ herzustellen, übers Ziel hinausgeschossen wird. Dazu gehören auch Debatten um Eimer zur Entsorgung von Hygieneartikeln, wie sie die SPD in Sachsen 2021 für öffentliche Herrentoiletten gefordert hat. Denn auch Transmänner und „männlich gelesene nonbinäre“ Personen könnten menstruieren, so die Befürworter. Es gab viel Gegenwind, auch aus den eigenen Reihen. Und der Tamponspender, der 2022 auf Antrag der Grünen im Männerklo des Stuttgarter Rathauses angebracht wurde, sorgte für Wirbel. 

Auch die Berliner Ausstellungsmacherinnen betonen im Begleitbuch allen Ernstes, es sei nicht mehr zeitgemäß, „Menstruation und Weiblichkeit … als deckungsgleich“ zu betrachten. Und so empfängt die BesucherInnen auch gleich zu Beginn der Ausstellung ein Foto, das den amerikanischen Transmann und „Period-Activist“ Cass Clemmer mit blutverschmierter Hose zeigt. 

Kein Wahlrecht, kein Studium, Ausgrenzung als „unreines“ Wesen – all diesen Diskriminierungen zum Trotz, denen menstruierende Frauen ausgeliefert waren und sind, wird in der Berliner Ausstellung tatsächlich nicht mehr von Frauen gesprochen, sondern nur noch von „Menstruierenden“. Es ist schon bemerkenswert. Die ­Schriften von Albertus Magnus und seinen Gesinnungsgenossen dämonisierten die menstruierende Frau. Im woken Wording verschwindet sie gleich ganz.  

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