Sei doch nicht so zickig!
Über die Streitkultur von Männern und Frauen – und die von dem Meinen.
Ursula von der Leyen fordert, der Ernährer von einst müsse sich weiterentwickeln. Ein Umdenken müsse stattfinden, ein Ruck durch des Mannes Glieder gehen. Ganz meine Meinung! Um der Evolution ein bisschen unter die Arme zu greifen, nehme ich mich der Sache an. Mein Opfer: Der Mann, von dessen Fortschritten ich mir noch lange persönliche Vorteile erhoffe. Mein Ansatz: seine Streitkultur.
Manchmal scheint es, als habe man alle kleinen Jungen im Kindergarten beiseite genommen und sie in die niederen Formen des Streitens eingeführt: „Merkt euch eins, ihr kleinen Racker“, wurde ihnen geflüstert, „solltet ihr jemals in eine Situation kommen, in der ihr nicht weiter wisst, fangt bloß nicht an zu weinen, schiebt einfach immer dem Mädchen die Sache in die Lackschuhe.“ Und schon sind die Jungs gewappnet.
Der Mann, von dessen Entwicklung ich mir etwas erhoffe, hat diese Einweisung auch bekommen, und er hat besonders aufmerksam zugehört. „Warum bist du denn so zickig?“, fragt er, wenn wir uns streiten, und tut, als stehe er unter hysterischem Dauerbeschuss. „Sag mal, hattest du heute einen stressigen Tag?“, fragt er dann oder „Willst du lieber ein bisschen allein sein?“. Das macht nicht nur meiner.
Der Freund meiner Freundin wurde auch eingeweiht in die fabelhafte Welt der subtilen Stigmatisierung. Früher Hexe, heute Zicke oder schlicht überfordert – irgendwas Blödes findet sich immer. Der Mann, von dem sie sich noch was erhofft, ist ein beinahe hoffnungsloser Fall.
Freundlich, aber bestimmt hatte sie ihn darauf hingewiesen, dass er die Kuchenkrümel, die ihm beim Schlingen vor der offenen Kühlschranktür runtergefallen waren, doch bitte wieder unter dem Kühlschrank hervorholen und in den Mülleimer schmeißen soll.
Er hatte sie zuvor mit dem großen Zeh in den nicht einsehbaren Bereich unter das Gerät manövriert und steht (übrigens bis heute) voll hinter diesem alternativen Entsorgungsmodell. Statt einer Entschuldigung oder zumindest einem beschwichtigenden Witz, schleuderte er ihr folgende Keule entgegen: „Sag mal, hast du etwa schon wieder deine Tage?“
Seitdem versuchen wir mit vollem Einsatz die Evolution der Männer ein bisschen voranzutreiben und sie dem Von-der-Leyen-Ideal näher zu bringen. Das geht so: Sorgfältig haben wir das beschränkte Kommunikationsmaterial der Männer zusammen getragen: „Reg dich doch nicht immer so auf“, „Ist ja gut“, „Soll ich dir mal einen Beruhigungstee machen“, „War offenbar alles ein bisschen viel für dich heute“, „Warum bist du so zickig/hysterisch/außer Kontrolle/ungehalten“ oder der Kracher: „Leg dich doch schon mal schlafen“. Das alles sollen sie wiederkriegen.
Das erste Opfer: Der Mann, von dem ich mir noch persönliche Vorteile erhoffe. Der Ablauf: Nach der Arbeit gegen halb sechs kommt er die Stufen zu meiner Wohnung hochgekeucht, einen leidenden Gesichtsausdruck hat er vorsorglich auch schon mal aufgesetzt. Statt der erwarteten, zärtlichen Mitleidswelle empfange ich ihn an der Haustür mit einem fröhlichen „War wohl alles ein bisschen viel für dich heute“.
In der Wohnung geht es weiter. „Irgendwie riecht es hier komisch“, sagt er. Zeit für die nächste Attacke. „Ist ja gut, sei doch nicht so empfindlich“, sage ich. Er guckt blöd. Und ich schieße hinterher: „Wenn dir das alles zu viel ist, dann leg dich doch ein bisschen hin“. Jetzt reicht es ihm. „Mir geht es gut, ich bin nicht müde und auch nicht empfindlich, okay?“, ist seine Antwort.
Wunderbar, es funktioniert. „Oh, du bist aber gereizt heute“, entgegne ich. Er rafft es nicht und flieht vor mir ins Wohnzimmer. „Soll ich dir einen Baldriantee machen?“, rufe ich ihm hinterher. Die Antwort kommt prompt: „Nur weil du deine Tage hast, musst du mich jetzt nicht nerven“, ruft er.
Ach du Scheiße. Das geht ja wohl nach hinten los. Bei all seinen dämlichen Streitphrasen hatte er bisher wenigstens die „deine Hormone“-Keule immer außen vor gelassen. Und jetzt das!
Entschlossen zum Wortgefecht stürme ich ins Wohnzimmer. Das sitzt er und grinst. „Ist ja gut, ich hab’s begriffen“, sagt der Mann, von dem ich mir zuletzt nur noch persönliche Steuervorteile erhofft hatte. Zu Unrecht? Es keimt Hoffnung, Frau von der Leyen.
Lara Fritzsche, EMMA 2/2007