Leihmutterschaft: Bald legal?

Foto: Sanjay Austa
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Gute Zähne hat sie. Eine gute Muskulatur. Keine nennenswerten Krankheiten. Gesunde Haare. Das Wichtigste: Sie ist gebärfreudig.“ (Originalzitate) – So wurden im 18. und 19. Jahrhundert Sklavinnen auf den Auktionsblöcken der Sklavenmärkte angeboten. Und so bzw. so ähnlich steht es im 21. Jahrhundert in den Katalogen von Leihmutterschafts-Agenturen. Die neuen Sklavinnen: Arme Frauen als ideale Brutkästen für die Zucht. Sie werden sorgfältig ausgewählt von Agenturen, die an ihnen verdienen, so wie einst von den Sklavenhändlern, die sie verkauften. 

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Diese Frauen verkaufen im 21. Jahrhundert ihren Körper und führen über Monate ein sklavenähnliches Dasein. Ein Zurück gibt es nicht, wer einmal unterschrieben hat, kommt nicht mehr raus. Ziel: die Ware, ein neugeborenes Kind, für den Kunden. Und wieder kaufen reiche Menschen arme Menschen. 

Während die Entmenschlichung der SklavInnen rückblickend als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesehen wird, wird der neue Sklavenhandel mit dem Slogan „Reproduktive Gerechtigkeit“ gelabelt. Nach der Prostitution nun ein gesteigertes „My body, my choice“? 

Leihmutterschaft ist heute in 20 Ländern Europas verboten. Nicht zuletzt als Reaktion auf die Schrecken des Nationalsozialismus steht in diesen Ländern die Frage der Würde eines Menschen an erster Stelle, allen voran in Deutschland. Denn noch verbietet hierzulande das Embryonenschutzgesetz Eizellspende so wie Leihmutterschaft. Neuerdings wird die Legalisierung der Leihmutterschaft ernsthaft erwogen. Wie konnte es so weit kommen? 

DIE UNTERHÄNDLER

Im Koalitionsvertrag der Ampelparteien von 2021 steht, die Zulassung von „altruistischer Leihmutterschaft und Eizellspende“ solle geprüft werden. Familienministerin Lisa Paus (Die Grünen), Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) haben eine Kommission zur „Reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ berufen. Die hat im März 2023 ihre Arbeit aufgenommen und will im März 2024 erste Ergebnisse vorstellen. 

Dabei werden zwei ganz unterschiedliche Themen zusammengespannt: In zwei voneinander getrennten Arbeitsgruppen werden sowohl „Möglichkeiten der Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches“ geprüft (nach 50 Jahren Kampf, siehe Seite 54) wie auch „Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft“. Den Arbeitsgruppen gehören ExpertInnen aus Medizin, Recht, Gesundheits- und Sexualwissenschaft sowie Psychologie an. Die Kirchen sind – anders als bei vergleichbaren Vorgängerprojekten – nicht vertreten. 

Treibende Kraft hinter all dem ist die FDP. Bereits in der letzten Legislaturperiode hatte sich die FDP für die Legalisierung von Leihmutterschaft eingesetzt, konnte sich aber nicht gegen SPD und Grüne durchsetzen. Die liberale Männerpartei hält das Embryonenschutzgesetz für „überkommen“ und betont gern, dass Deutschland dem „internationalen Standard in der Reproduktionsmedizin hinterherhinke“. 

Die Liberalen ziehen eine Parallele zwischen Leihmutterschaft, Eizellspende und Samenspende, die in Deutschland legal ist. Eine Legalisierung der Eizellspende wäre daher quasi „ausgleichende Gerechtigkeit“, sagt dazu auch der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhard. 

Dass für eine Eizellspende schwerwiegende Hormonbehandlungen und eine Operation Voraussetzung sind, in deren Folge es durch die Punktion des Eierstocks zu Unfruchtbarkeit kommen kann, wird nicht erwähnt. 

Eine wandernde Werbetrommel für Leihmutterschaft ist Katrin Helling-Plahr. Die FDP-Politikerin ist studierte Medizinrechtlerin und Mitglied im Gesundheits-Ausschuss des Bundestages. In Interviews erzählt sie gern, wie oft sie in ihrem Büro Besuch von unfruchtbaren Paaren bekommt, die ihr die Ohren vollheulen, weil Leihmutterschaft ja verboten sei.

„Wir halten es für nicht angemessen, wenn wir es beispielsweise einer Frau verbieten, für ihre Schwester, die nach einer Krebserkrankung nicht mehr schwanger werden kann, ein Kind auszutragen“, so Helling-Plahr. Mit klaren Bedingungen für eine altruistische Leihmutterschaft in Deutschland wäre doch letztlich allen gedient.

„Altruistische“ Leihmutterschaft also, eine ohne Bezahlung der Leihmutter, die sich eben nichts Schöneres vorstellen könne, als anderen Menschen nach neun Monaten Schwangerschaft ihr Kind zu schenken. Doch der Unterschied zur offen kommerziellen Leihmutterschaft ist nachgewiesenermaßen nur der, dass es bisher noch keinen von Agenturen betriebenen Markt gibt und „altruistische“ Leihmütter wie zum Beispiel in Griechenland oder Kanada unter dem Tisch bezahlt werden. 

Marktliberale nutzen die angeblich altruistische Leihmutterschaft als Türöffner für den offen „kommerziellen“ Kinderhandel. Die FDP hat sich bislang weder für die Nöte krebskranker Frauen eingesetzt noch eine nennenswerte Familienpolitik betrieben. Nein, die FDP möchte Leihmutterschaft als profitablen Geschäftszweig für ihre Hauptklientel (Männer, vor allem reiche und schwule) etablieren. Die FDP postuliert zu diesem Zweck das „Recht auf Fortpflanzungsfreiheit“ und kritisiert das Verbot der Leihmutterschaft und Eizellspende als Eingriff in die persönliche Freiheit von Menschen mit „unerfülltem Kinderwunsch“. In Wahrheit peilt die FDP damit einen Markt an, der laut Global Market Insides (GMI) weltweit einen Wert von ungefähr 14 Milliarden Dollar im Jahr hat und sich mit atemberaubender Geschwindigkeit auf der ganzen Welt ausbreitet. Im kommenden Jahrzehnt soll die Branche nach GMI-Prognosen auf 129 Milliarden Dollar, quasi das Zehnfache, anwachsen. 

Fakt ist: Wenn der Reproduktionsmarkt boomt und Global Player agieren, greifen nationale Kontrollsysteme erfahrungsgemäß nicht mehr. Siehe Jugendschutz in Sachen Pornografie.

DIE EU-REAKTION

Das EU-Parlament ist derweil einen Schritt weiter als Deutschland und will Leihmutterschaft jetzt in die Liste der „Straftaten des Menschenhandels“ aufnehmen. Ein letzter, maßgeblicher Anstoß dafür war das Auffliegen eines Menschenhandelsrings auf Kreta (siehe Seite 52), der die Parallelen zur Prostitution deutlich machte. Der „Ausschuss für Frauenrechte und bürgerliche Freiheiten“ hatte den Antrag Ende 2023 eingebracht und Leihmutterschaft damit auf eine Stufe mit Verbrechen wie Sklaverei, Zwangsheirat, illegale Adoption und Ausbeutung von Kindern gestellt.

EU-Abgeordnete sehen über alle parteipolitischen Grenzen hinweg die Sache ähnlich. Die EU könnte also die Weichen für ein europaweites Verbot von Leihmutterschaft stellen. Italien beispielsweise plant ein eigenes Gesetz zum Verbot von Leihmutterschaft. Ab 2025 könnte das Austragen von Kindern im Ausland für italienische Staatsangehörige als internationales Verbrechen gelten. Denn der Markt wächst und wächst. In der Regel von Norden nach Süden und von Westen nach Osten.

Während Thailand, Nepal, Indien und Kambodscha, die früher die globalen Zentren der Leihmutterschaft waren, angefangen haben, ihre Märkte zu schließen, sind neue entstanden: Laos, Malaysia, Nigeria, Kenia, Südafrika, Iran, Dubai, Mexiko und Uganda. 

Doch es gibt ein großes ABER. Noch berät der EU-Ausschuss darüber, ob Leihmutterschaft nur dann Menschenhandel ist, wenn die Palermo-Konvention greift. Soll heißen: Nur dann, wenn offen Gewalt, Drohung und Zwang angewendet bzw. nachgewiesen werden können. 

Für Leihmutterschaftsagenturen, die oft in hochkorrupten Ländern angesiedelt sind, ist es ein Leichtes, sich dagegen juristisch zu wappnen (wie bei der Prostitution). Und nicht zufällig sehen diese Kindkauf-Agenturen aus wie die Parfum-Abteilung bei Karstadt: helle Möbel, ÄrztInnen in lavendelfarbener Arbeitskleidung, Bilder von kleinen Wonneproppen und glücklichen Familien all over. 

Und noch eine weitere Gefahr lauert aus Brüssel. Die EU-Kommission plant ein „Europäisches Elternschaftszertifikat“, was bedeuten würde: Familien, die in einem Mitgliedstaat der EU anerkannt sind, sollen auch in anderen Mitgliedstaaten ohne spezielles Verfahren als Familie gelten. Vor allem Familien mit zwei Müttern oder zwei Vätern würden von dem EU-Zertifikat profitieren. Das Elternschaftszertifikat ist ein Vorschlag der EU-Kommission, der von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorangetrieben wird, um LGBTIQ+-Rechte zu stärken. 

Das Zertifikat wäre aber auch eine Hintertür für die Leihmutterschaft. Wer sich im europäischen Ausland ein Kind kauft und das Zertifikat bekommt, könnte es dann problemlos auch in Deutschland anerkennen lassen. Sollte beispielsweise die Ukraine – eine Leihmutter-Hochburg –tatsächlich der EU beitreten dürfen, stünde dem grenzenlosen Kindkauf-Tourismus nichts mehr im Wege.

Mitte Dezember 2023 hatte sich die Mehrheit des EU-Parlaments für die Einführung des scheinbar fortschrittlichen Zertifikats entschieden (366 Ja-Stimmen, 145 Nein-Stimmen, 23 Enthaltungen). Die LGBTQ+-Gemeinde jubelte, doch Frauenrechtlerinnen erkennen darin einen eindeutigen Kniefall vor der Leihmutterschaftslobby. Denn es wäre durchaus möglich gewesen, Leihmutterschaft aus dem Zertifikat herauszunehmen. Die nächste legislative Etappe für das Zertifikat ist der Europäische Rat, wo es mit ziemlicher Sicherheit von konservativ gesinnten Mitgliedstaaten abgelehnt werden wird.

DER GLOBAL PLAYER

Der größte Markt für Leihmutterschaft ist (nach den USA) trotz Krieg immer noch die Ukraine. Vor allem für heterosexuelle Paare, weil Homosexualität dort nicht gerade gesellschaftsfähig ist. Rund 15.000 Paare aus Deutschland reisen jedes Jahr ins Ausland, um sich ein Baby zu kaufen, 6.000 davon in die Ukraine. Dort lebten schon vor dem Krieg viele Frauen in großer Armut, so dass sie zwischen Prostitution und Leihmutterschaft wählen müssen – bzw. dazu genötigt werden. 

Ukrainische Reproduktionskliniken haben einen Weltmarktanteil von gut 25 Prozent, fast 50 Kliniken für künstliche Befruchtung gibt es dort. Das Unternehmen Biotexcom ist das größte. Es geriet im Mai 2020 in die Schlagzeilen, als dutzende Babys wegen Corona nicht aus Kiew abgeholt werden konnten und in einem Hotel abgelegt wurden. Auch nach Kriegsausbruch im März 2022 gingen Bilder der Firma um die Welt. Zig Babys mussten in Luftschutzbunkern ausharren, weil die KundInnen sie nicht abholen konnten. 

Pro Jahr kaufen im Schnitt rund 800 deutsche Paare erfolgreich bei Biotexcom ein. Ein Kind kostet zwischen 30.000 und 60.000 Euro, je nach Zahl der Befruchtungsversuche, Hormonbehandlungen, pränataler Diagnostik. Wer das „Vip-Paket“ möchte, zahlt 5.000 Euro mehr und kann dafür das Geschlecht des Kindes bestimmen (Geschlechtsselektion ist in Deutschland übrigens auch verboten). Die Leihmutter erhält davon zwischen 8.000 und 10.000 Euro.

Nur unterlaufen Unternehmen wie Biotexcom immer mal wieder grobe Fehler. Mal verschwinden Embryos, mal stellen sich im Nachhinein DNA-Nachweise als falsch heraus. Die Firma steht außerdem in Verdacht, auch einfach ukrainische Babys zu verkaufen, statt Kinder aufwendig mit dem Erbgut der Auftraggeber im Reagenzglas zu zeugen und diese Embryonen einer Leihmutter einzusetzen. Wie mehrere Medien berichten, waren rund 200 Verdachtsfälle aufgetaucht. Doch dann wurden zuständige Ermittler in der Ukraine plötzlich entlassen, Untersuchungen eingestellt. Biotexcom-Gründer Albert Tochilovsky habe mächtige Freunde im ukrainischen Parlament, hieß es. Tochilovsky, 1976 als Sohn eines Zirkusdirektors in der Ostukraine geboren, lebte mehrere Jahre in Köln, Stadtteil Porz, und besitzt die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Verbindung könnte erklären, warum Biotexcom gerade auf dem deutschen Markt so aktiv ist. 

Auch werden immer wieder Fälle bekannt, in denen Leihmütter durch eine zu aggressive Hormonbehandlung schwer krank wurden. Leihmütter berichten, dass ihnen meist bis zu vier Embryonen (in Indien noch weit mehr) eingesetzt werden, um die Trefferquote zu erhöhen. Sollten sich alle vier einnisten, werden so viele Embryonen mit der Giftspritze abgetötet, wie die KäuferInnen wünschen. Die abgetöteten Embryonen werden vielen Leihmüttern im Nachgang zum Verhängnis. Werden sie zu spät entfernt, verursachen sie Entzündungen in Gebärmutter und Eierstöcken. Oft müssen die Organe dann entfernt werden. 

DIE PÄDOKRIMINELLEN

Reproduktionskliniken stehen generell in der Kritik, weil sie die „KundInnen“ nicht hinterfragen, geschweige denn in irgendeiner Form überprüfen. Jeder kann ein Kind kaufen. Es spielt keine Rolle, ob Kindkäufer vorbestraft, pädokriminell, alkohol- oder drogenabhängig sind oder ob sie Menschenhandel betreiben. 

2020 sorgte ein Fall in Berlin für Aufsehen. Ein Chat von Pädokriminellen führte die Behörden direkt zu Dennis S. Dieser hatte 2016 in Zypern ein Kind von einer Leihmutter gekauft. Er bezahlte 60.000 Euro, holte den Jungen nach Deutschland und missbrauchte ihn. Mit den Worten „Da isser!“ stellte er das Baby mit Fotos seinem pädokriminellen Netzwerk vor. 

Dennis S. hatte das alleinige Sorgerecht. Dem Jugendamt Marzahn-Hellersdorf machte er mit dem Neugeborenen auf dem Arm weis: „Meine Freundin hat mich vor die Wahl gestellt: Abtreibung oder das Kind nehme ich.“ Die Rührung war groß, schließlich hatte sich doch der alleinstehende Mann für das Leben des Kindes entschieden. 

Der „Vater“ dokumentierte die Taten mit seinem Handy. Sechs seiner Videos zeigen den sexuellen Missbrauch des Babys bis hin zur schweren Körperverletzung. Auf zehn Videos gibt er dem kleinen Kind sexuelle Anweisungen. Außerdem wurden bei ihm Kinderpornos gefunden (168.670 Bilder, 7.282 Videos). Schon im September 2017 war Dennis S. für Kinderpornografie zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. 

2020 wurde er zu läppischen fünf Jahren Haft verurteilt. In der Urteilsverkündung hieß es: Es gebe „keinen Beweis, zu welchem Zweck er das Kind zeugte“, so Richter Martin Mrosk. „Eine Variante ist, um das Kind sexuell zu missbrauchen.“ Der „Vater“ selbst behauptet, „um Zweisamkeit mit einem Kind zu leben“. Das milde Urteil macht fassungslos – genauso wie die Tatsache, dass sich Pädokriminelle einfach so ein Kind kaufen können. 

Der Verbleib der bei Leihmüttern gekauften Kinder wird nirgendwo dokumentiert. Der Verbleib einer gespendeten Niere hingegen muss in Deutschland schriftlich nachverfolgbar sein. Europol warnt schon lange vor der Gefahr, dass pädokriminelle Ringe Kinder von Leihmüttern kaufen, um sie für ihre Zwecke zu missbrauchen. Es ist ein Leichtes für diese Netzwerke, Kinder, die nirgendwo angemeldet werden, verschwinden zu lassen. In Deutschland, dem Bordell Europas, floriert der Menschenhandel problemlos. Auch verschwinden Kinder von Prostituierten oft in pädokriminellen Ringen.

Und selbst, wenn Pädokriminelle den Behörden bekannt sind, können diese bei einem Kindkauf nicht einschreiten. 2018 erregte der Fall eines spanischen Kinderarztes Aufsehen. Er bestellte bei Biotexcom ein Baby, während er in Schweden eine Gefängnisstrafe wegen Besitzes von pornografischem Material, Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch von mehr als 50 Kindern verbüßte. Biotexcom händigte das Kind dem Vater des Angeklagten aus – ohne zu zögern.

DIE LEIHMÜTTER

Stars wie Kim Kardashian, Ricky Martin, Sarah Jessica Parker, Elton John, Nicole Kidman, Amber Heard, Robbie Williams, Fußballer Cristiano Ronaldo oder Elon Musk haben dafür gesorgt, dass Leihmutterschaft salonfähig geworden ist. Sie alle haben ein oder mehrere Kinder von Leihmüttern gekauft. Manche von ihnen, obwohl sie auf natürlichem Wege hätten Kinder bekommen können. So wie Paris Hilton. Die shoppte jüngst Kind Nummer zwei bei einer Leihmutter. Ihre Begründung: „Eine Geburt ist einfach so etwas Körperliches.“

Das „Körperliche“, das sollen dann andere übernehmen. Doch sie machen einen Job, der eben nicht „wie jeder andere ist“. Bluthochdruck, Ödembildung, Rückenschmerzen, Dammrisse, Schwangerschaftsvergiftung, Inkontinenz und Diabetes sind keineswegs seltene „Risiken und Nebenwirkungen“ einer Schwangerschaft – besonders bei künstlichen Befruchtungen.

Hinzu kommt die psychische Belastung, möglichst keine Gefühle für das im eigenen Körper wachsende Kind entwickeln zu dürfen. „Diese Fälle gibt es immer wieder“, erzählt die Biologin und langjährige Aktivistin für Frauengesundheit Renate Klein. Sie hat in Australien ein Buch über Leihmütter, die diese Entscheidung zutiefst bereuen, gemacht („Broken Bonds“) und schreibt: „Selbstverständlich bauen viele Leihmütter eine Bindung zu dem Embryo auf, den sie mehr als neun Monate in sich tragen. Auch wenn ihnen die Agenturen vorgaukeln, sie hätten genetisch nichts mit ihnen zu tun, weil fremde Eizellen eingesetzt wurden.“ Auch würden viele Leihmütter innerlich daran zerbrechen, wem sie da ihr Kind ausgehändigt hätten. „Es gibt Menschen, denen möchte man kein Tier anvertrauen. Und diese Mütter müssen dann ein Neugeborenes aushändigen, obwohl sie tiefste Bedenken haben“, so Klein. 

Leihmütter unterschreiben Knebelverträge, aus denen sie nicht mehr rauskommen. Keine einzige hat es bisher geschafft, das von ihr ausgetragene Kind zu behalten. Und laut ukrainischem Justizministerium sorgen „gespaltene Mutterschaften“ jedes Jahr für Dutzende von juristischen Auseinandersetzungen, weil Leihmütter ihre Kinder nicht an die KäuferInnen abgeben wollten. 

Emma Lamberton von der Universität Princeton hat sich 2020 eingehend mit ukrainischen Leihmüttern befasst. Sie berichtet von „Zwangsadoptionen, autoritären Strukturen und prekären Lebensbedingungen in den Entbindungsheimen“. 

Immer wieder wären es vor allem Alleinerziehende oder Mütter von pflegebedürftigen Kindern und Verwandten, die in der Leihmutterschaft die einzige Lösung für ihr ökonomisches Überleben sehen. Viele verkaufen das zweite Kind, um ihrem ersten eine Perspektive bieten zu können. Durch den Krieg dürfte die Zahl der Alleinerziehenden explodiert sein, eine ganze Generation von Vätern wurde nahezu ausradiert. 

Ein weiteres Problem sind laut Lamberton die Babys, die behindert zur Welt kommen. Werden sie von den KäuferInnen abgelehnt, werden sie nicht automatisch ukrainische StaatsbürgerInnen und ebenso wenig automatisch das Kind der Leihmutter. Sie sind dann staatenlos, für eine Adoption nicht vermittelbar und landen im Kinderheim. Bereits vor Kriegsbeginn lebten mehr als 105.000 Kinder in der Ukraine in Heimen – die größte Anzahl in Europa nach Russland. In Russland ist Leihmutterschaft ebenfalls legal, seit Dezember 2022 allerdings nur noch für russische Staatsangehörige. 

Die US-Feministin Phyllis Chesler prangert auch die vermeintlich „saubere“, weil besser bezahlte Leihmutterschaft in den USA an. „Dass Leihmütter in den USA viel Geld verdienen, ist ein Märchen. Sie bekommen zwischen 30.000 und 40.000 Dollar. Das sind rund 3.300 US-Dollar pro Monat für eine Tätigkeit, die 24 Stunden am Tag dauert und über zwölf Monate (inklusive hormoneller Vorbereitung). Das ist ein Stundensatz von 4,57 US-Dollar.“ 

Im Normalfall werden die Babys per Kaiserschnitt entbunden und noch schleim- und blutbedeckt den KäuferInnen übergeben. So manche Leihmutter bleibt mit Brüsten voll Milch zurück und hatte ihr Baby nicht ein einziges Mal auf dem Arm. Nur nebenbei: Nach deutscher Tierschutz- Hundeverordnung dürfen Welpen erst im Alter von acht bis zwölf Wochen vom Muttertier getrennt werden. Eine frühere Trennung wird als „unethisch“ empfunden. 

DIE LOBBYISTiNNEN 

Warum will Deutschland etwas legalisieren, was in anderen Ländern nachweislich größte Menschenrechtsverletzungen und viel Leid mit sich bringt? Wer hat ein Interesse daran? 

In erster Linie natürlich die Reproduktionsmedizin, die „Kinderwunsch“-Zentren und -Kliniken. 

Das geht Hand in Hand mit der Kommerzialisierung des Gesundheitswesens. Vor der Privatisierung der Kliniken war die Fortpflanzungsmedizin in der Forschung der Unikliniken angesiedelt. Dann aber wurden die „Kinderwunschzentren“ zu Privatpraxen. Sie sind ein höchst lukratives Feld der Medizin geworden – ähnlich der Schönheitschirurgie oder Sportmedizin. Bei Leihmutterschaft geht es um Ware im Wert von ca. 150.000 Euro pro Stück – bei überschaubaren „Herstellungskosten“. 

Vieles an der dafür notwenigen Forschung und Technologie kommt aus Deutschland. VertreterInnen der Reproduktionsmedizin, Pharma- Industrie und Wissenschaft wollen sich darum auch hierzulande den Reibach nicht länger entgehen lassen und üben Druck auf die Politik aus. Bei der Legalisierung der „altruistischen Eizellspende“ stehen sie kurz vorm Durchbruch, heißt es aus den Arbeitsgruppen der Kommission (siehe Seite 54). 

Es sind auch JuristInnen, die für die Legalisierung aktiv werden, ergibt sich daraus doch ein komplett neues Geschäftsfeld mit zahlungsstarker Klientel. Die „Haager Konferenz für Internationales Privatrecht“ (HCCH), eine zwischenstaatliche Organisation mit Sitz in Den Haag, arbeitet bereits an „rechtlichen Lösungen“ für Leihmutterschaft. Die HCCH hat die generelle Aufgabe, Vereinheitlichungen im Internationalen Privatrecht für die EU-Staaten zu erarbeiten. Etwa bei der Zusammenarbeit von Gerichten und Behörden, zum Beispiel bei Scheidungen, Adoptionen, Unterhaltsverpflichtungen, Testamenten. Am 13. November 2023 hat eine Arbeitsgruppe der HCCH die Arbeit zum Thema Leihmutterschaft aufgenommen. Ihre Aufgabe: eine Übereinkunft erarbeiten, um die grenzüberschreitende Anerkennung von Verträgen über Leihmutterschaft zu ermöglichen. Die Auftraggeber für die Arbeitsgruppe stammen aus dem globalisierten Markt: Reproduktionskliniken, Leihmutterschaftsagenturen, Zentren für Pränatalforschung. Im Frühling 2024 sollen erste Ergebnisse vorgestellt werden. 

Über das „Wie“ und gar nicht mehr über ein „Ob“ wurde am 1. Juni 2022 auch an der juristischen Fakultät in Leipzig diskutiert. Die dort ansässige Professorin für deutsches und ausländisches Strafrecht, Elisa Hoven, hatte zur Konferenz geladen. Titel: „Legalisierung der Leihmutterschaft“. Sprecherinnen neben Hoven: Frauke 

Rostalski, Rechtswissenschaftlerin der Universität Köln; Susanne Gössl, Direktorin des Instituts für Internationales Privatrecht in Bonn; Anne Sanders, Rechtswissenschaftlerin der Uni Bielefeld; und selbstverständlich Katrin Helling-Plahr. 

Der positiv klingende Tenor der Professorinnen: „Nur, wenn wir die Leihmutterschaft entkriminalisieren, können wir sie in geordnete Bahnen lenken.“ Prof. Hoven: „Ein Staat, der Prostitution erlaubt, kann Leihmutterschaft nicht verbieten“. Schließlich sei eine Leihmutterschaft auch so etwas wie „die Befreiung von der traditionellen Rolle der Frau“. Und überhaupt stehe eines im Vordergrund: „Die freie Entscheidung der Frau“. 

Diese Argumente hatten ja in Deutschland in der Prostitution bereits prima geklappt und zu der fatalen Liberalisierung von 2001 geführt. Inzwischen begreifen immer mehr, dass das ein kapitaler Fehler war. Es müsste also im Jahr 2024 heißen: 

Wer Prostitution verbietet, muss auch Leihmutterschaft verbieten, bzw. darf sie gar nicht erst erlauben! 

Die in Australien lebende Schweizerin Renate Klein zieht den Vergleich zu den indigenen Frauen in Kanada, den USA und Australien, denen in den 1950er bis 1970er Jahren ihre Babys weggenommen wurden (in Deutschland ledigen Müttern bis in die 1960er Jahre). In Australien hat sich die Regierung inzwischen bei den Müttern entschuldigt und garantiert, dass so etwas nie wieder passieren werde. „Und nun ist Leihmutterschaft im 21. Jahrhundert ein lukratives Geschäft! Womit wir wieder beim Sklavenmarkt gelandet wären!“, klagt Renate Klein. 

DIE HOMO-AKTIVISTEN 

Der funktioniert nicht zuletzt auch deshalb, weil es einen neuen mächtigen Verbündeten gibt. Und der kommt in Regenbogenfarben daher. 

Die Boulevardmedien lieben sie. Diese schnuckeligen jungen Männer, die so herzlich ein Baby an ihre Brust schmiegen. Im Dezember 2023 präsentierte sich Steigenberger-Enkel Max Loulakis mit Ehemann Marc Ockenfels der Bunten und ließ die Zeitschrift an „ihrem Babyglück“ teilhaben. Eingekauft wurde in den USA, die Eizelle sponserte eine Freundin. 

Am 27. August 2021 durften Timo und Markus Buckow über ihre „außergewöhnliche Familienplanung“ bei Bettina Böttinger im Kölner Treff berichten – ohne, dass die Moderatorin auch nur einmal das Verbot von Leihmutterschaft in Deutschland erwähnte. 

Im Juli 2023 erschien das Kinderbuch „Papi, hast du ein Baby im Bauch?“. Darin erzählt der „Papi“ von Joshua und Jannis von der langen Suche nach der Frau, die ihm und „Papa“ ihre Eizellen schenkte, und der Frau, die ihnen ihren Bauch für die Dauer der Schwangerschaft ausgeliehen hat. Marcel Kahl hat es geschrieben und möchte damit „anderen Paaren Mut machen“, wie er der Hessenschau sagte. Er habe die Erfahrung gemacht, dass „Vielfalt“ in Kinderbüchern in Kitas und Schulen zu wenig stattfinde. Deshalb setze Kahl sich unter dem Pseudonym „Regenbogenpapi“ bei Instagram für mehr Diversität in der Lektüre ein. 

Obwohl er betont, kein Lobbyist für Leihmutterschafts-Agenturen zu sein, ist in Deutschland vor allem ein Mann zum Aushängeschild für Leihmutterschaft geworden: Tobias Devooght. Der Marketing- und PR-Manager aus Zülpich spricht auf Kinderwunschmessen, wie zuletzt in Köln auf der Messe „Wish for a baby“. Zwei Kinder haben er und sein Partner von einer Leihmutter aus San Diego. Der WDR durfte bereits bei der Familie vorbeischauen und das Familienglück filmen, der Spiegel ebenso. 

Devooght ist Kassenprüfer des „Verein zur Förderung der Legalisierung der Leihmutterschaft in Deutschland“ (VFLLD), der 2017 gegründet wurde. Auch eine besondere Allianz wurde laut Ärzteblatt bereits geschlossen, und zwar mit der „Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs“ (DSFJEMK). Denn die leiden nach einer Chemotherapie oft unter Unfruchtbarkeit. Gemeinsam erhoffe man sich einen „bewussten Blick auf die Lebensrealität deutscher Wunscheltern und/oder Betroffenen und einen Perspektivwechsel mit Fokus auf das entstehende Kind“. 

Wären da noch die „Men Having Babies“. Die aus den USA stammende Organisation berät Männerpaare in ganz Europa, auch in Deutschland. Die nächste von ihnen veranstaltete Messe ist vom 24. bis 26. April im Berliner Marriott Hotel. Auf Instagram strahlt nahezu täglich ein neues schwules Paar mit Kind aus der Kachel und ruft (fast bedrohlich): „We are everywhere!“. 

Mittlerweile gibt es allerdings auch eine wachsende Anzahl homosexueller Aktivisten, die sich deutlich gegen Leihmutterschaft aussprechen. Der bekannteste von ihnen ist Gary Powell in Großbritannien. Seiner Meinung nach galoppiere die „Big Fertility auf dem Rücken einer aggressiven und frauenfeindlichen LGBTQ+-Lobby in die westlichen Gesetzesbücher. Gerade Menschen in prekären Lebenssituationen müssen vor Selbstausbeutung geschützt werden. Niemand hat ein Recht auf ein Kind. Aus einem Wunsch, egal, wie groß er auch sein mag, leitet sich kein Recht ab, über den Körper Dritter zu verfügen. Sonst stünde auch dem Organhandel nichts im Wege“, argumentiert Powell. 

Auch in Deutschland gibt es schwule Aktivisten gegen Leihmutterschaft. Mirko Hüttner zum Beispiel (Interview Seite 56), oder die Männer des Vereins „Just Gay Germany“. Sie haben es satt, dass im Namen ihrer Homosexualität globale Märkte Frauen ausbeuten und „Pink Washing“ in Höchstform betreiben.

DER WIDERSTAND

Der größte Widerstand gegen Leihmutterschaft wächst allerdings unter Feministinnen. 1980 war Elisabeth Kane in den USA die erste Frau, die ihr Kind an „Bestell-Eltern“ verkauft hat. Mit ihr beginnt die kommerzielle Leihmutterschaft. Die Auswirkungen davon beschäftigen sie bis heute. 1988 schrieb sie das Buch „Birth Mother: The Story of America’s First Legal Surrogate”, um anderen Frauen dieses Leid zu ersparen. 

Federführend ist auch die amerikanische Feministin Gena Corea. Ihr Buch „The Mother Machine“ (1985) über die soziale und biologische Selektion von Frauen wurde zum Standardwerk gegen Leihmutterschaft.

In den 1980ern gründete sich in den Niederlanden „Finrage“ (Feminist International Network of Resistance to Reproductive and Genetic Engineering). Seit 2015 gibt es in Großbritannien „Stop 

Surrogacy Now“ und die in Frankreich ansässige „CIAMS“ (Internationale Koalition für die Abschaffung der Leihmutterschaft). In Australien agiert „ABSA“ (Abolish Surrogacy Australia) und in Schweden die schwedische Frauenlobby. 

In Österreich ist Einmaliges gelungen: ein Schulterschluss gegen Leihmutterschaft von VertreterInnen aus Kirchen, linken AktivistInnen, KindermedizinerInnen, SoziologInnen und AnwältInnen – und zwar unabhängig von der jeweiligen Weltanschauung. Die österreichische Initiative „Stoppt Leihmutterschaft“ hat wesentlich zu diesem Schulterschluss beigetragen. Sie alle haben jüngst ein gemeinsames Buch herausgebracht: „Die neuen Gebärmaschinen – Was globale Leihmutterschaft mit Frauen und Kindern macht“.

In Deutschland gibt es die Initiative „Lasst Frauen sprechen“. Aktivistinnen hüllten sich zur Kölner Kinderwunschmesse „Wish for a Baby“ in Margaret-Atwood-Manier in die roten Roben der Mägde. 

Mittlerweile sind es 300 feministische Organisationen aus 65 Ländern, die die von der CIAMS verfasste Konvention zur „Abschaffung der Leihmutterschaft“ aktiv unterstützen (siehe Information). 

„Leihmutterschaft ist ein Kristallisationspunkt der Gewalt gegen Frauen. Dadurch sichern sich Männer die reproduktiven Fähigkeiten von Frauen, zu ihrem eigenen Nutzen und für den Profit eines Marktes, den sie verwalten“, sagt die britische Feministin Caroline Criado Perez, die mit ihrem Buch „Unsichtbare Frauen“ 2020 die Dimensionen des Patriarchats vermessen hatte. Perez weiter: „Die schändlichen Versuche, Leihmutterschaft auf internationaler Ebene – ohne demokratische Debatte, ohne Information und Öffentlichkeit und ohne die Berücksichtigung der Menschenrechte von Frauen und Kindern – regulieren zu wollen, das ist die sinnbildlichste Manifestation der patriarchalen Herrschaft!“

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