Die coole Rächerin
Sie kommt vom Rand der Antarktis, jobbte in der ganzen Welt und hatte keine Lust, die alltäglichen "Familientragödien" auf ihrem Redaktionstisch kommentarlos hinzunehmen. Heute schreibt sie Bestseller.
Liza Marklund ist 1962 in Palmark, einem der nördlichsten Dörfer von Schweden, geboren. Da war es im Winter immer dunkel und im Sommer immer hell. Zur nächsten Schule musste sie Stunden mit dem Bus fahren. Mit 16 hat es ihr gereicht: Sie ging weg aus Palmark. Heute ist sie die erfolgreichste Krimiautorin Schwedens, mit einer weltweiten Auflage von fünf Millionen Büchern und einem eigenen Verlag.
Aber langsam. Zunächst einmal ging Liza raus in die Welt. Sie putzte in London, wusch Teller in Los Angeles, rollte die Kugel als Croupier in Rio de Janeiro und erntete Oliven in Israel. Mit 21 ging sie zurück nach Schweden, heiratete und bekam ihr erstes Kind, heute hat sie drei. Ein Jahr später absolvierte sie die Journalistenschule und arbeitete fortan für Tageszeitungen und Fernsehen.
Angefangen hat sie als Polizeireporterin in einer kleinen schwedischen Stadt. Da flatterten ihr Tag für Tag die so genannten "Familientragödien" auf den Tisch: Mann erwürgt Freundin, Ehemann liquidiert Ehefrau und zwei Kinder, Sohn erschlägt Mutter etc. etc. "Ich ging zum Chefredakteur und fragte: "Weißt du eigentlich, was in diesem Land los ist?" Er antwortete: "Bleib mir vom Hals mit diesen ganzen hysterischen Ziegen."
Liza Marklund, die Journalistin, entschließt sich, ihr erstes Buch zu schreiben. Es geht darin um eine dieser "Ziegen": Eine Frau, die Schweden verlassen muss, weil die Polizei nicht in der Lage ist, sie vor ihrem eigenen gewalttätigen Mann zu schützen. Marklund: "Dieser Frau wollte ich eine Stimme geben."
Das Buch erscheint in einem renommierten Verlag, wird aber ein Flopp. Marklund erkennt, dass das nicht an dem Buch, sondern an dem Verlag liegt. Sie gründet, zusammen mit zwei Freunden, einen eigenen Verlag: piratförlaget. Jetzt wird ihr darin wieder aufgelegtes Buch zum Bestseller. Dito folgende. Ihre Heldin heißt Annika Bengtzon und ist Polizeireporterin, ganz wie sie.
Liza Marklund steht mit diesen politisch motivierten Kriminalromanen in einer stolzen Tradition. Ganz wie ihr Kollege Henning Mankell wurde sie geprägt von den Krimis von Maj Sjöwall und Per Wahlöö, die in den 1960er und 1970er Jahren den gesellschaftskritischen Krimi in Schweden etablierten. Die heutigen Autorinnen fügen dem Schweden-Krimi eine Dimension hinzu, die damals noch nicht öffentlich war: den Krieg zwischen den Geschlechtern.
Übertroffen wurde die Fiktion für Liza Marklund an dem Tag, an dem Anna Lindh von einem jungen Mann mit den Worten ..Das hast du verdient, du Schlampe" auf einer Kaufhaus-Rolltreppe erstochen wurde. Sie war mit der Außenministerin, die die nächste Ministerpräsidentin hätte werden können, befreundet gewesen. Und nun sogar die...
Übrigens: Auch Marklunds Verlag prosperiert. Innerhalb von nur vier Jahren publiziert er 15 Weltbestseller. Der nächste soll ein Marklund-Buch werden, in dem Liza das Schicksal der vor ihrem Mann geflohenen Frau und deren Leben im Ausland weiter erzählt.
EMMA 1/2004