Telegene Tussen
Christian ist 33 Jahre alt, sucht eine Frau und weiß genau, was er will: "Ich bin kein Hausmann. Mit haushaltstechnischen Sachen sollte man mich außen vor lassen", nuschelt der Kandidat der RTL-Kuppel-Show "Schwiegertochter gesucht" in die Kamera. Und aus dem Off kommentiert eine Stimme: "Eine häusliche Frau an Christians Seite würde sein Leben perfekt machen." Was klingt wie eine Kontaktanzeige aus den 50er Jahren, ist Fernseh-Realität 2009. RTL und Co. helfen Männern bei der Frauenwahl via Doku-Soap.
Das ist der neueste TV-Trend: Reale Männer sortieren im Fernsehen reale Frauen aus wie faules Obst – und die Sender machen damit dicke Quoten. Eine Flut von Casting-Shows und Kuppel-Sendungen überschwemmt das Fernsehen, und eine Niveau-Untergrenze ist nicht in Sicht.
Bei "Schwiegertochter gesucht" sind kauzige Hinterwäldler die Kandidaten, die bei ihren Eltern wohnen und via Fernsehen auf Zuschriften hoffen. Sobald die potenzielle Partnerin feststeht, beginnt das Dating-Debakel: Die Kamera ist unablässig dabei, bis hin zum ersten krampfigen Zungenkuss. Nach Ablauf einer Frist dürfen die auf dem freien Beziehungs-Markt gescheiterten Muttersöhnchen dann entscheiden, ob sie die ausprobierte Frau behalten wollen – oder doch lieber wieder wegschicken. Manchmal wird sich auch verlobt, wie bei Hartmut und Nicole. "Weil du so schnell Körperkontakt gesucht hast", lobt er sie.
Auch bei "Bauer sucht Frau", ebenfalls RTL, stellen sich alleinlebende Männer vor die Kamera, um die "große Liebe" zu finden – und bieten dafür Romantik im Heuschober. Und auch diese Bauern haben sehr genaue Vorstellungen von einer Partnerin: "Ich würde mir eher einen dunkleren Typ wünschen", sagt der 43-jährige Markus, als wäre er an der Käsetheke im Supermarkt. Und Moderatorin Inka Bause ergänzt einfühlsam: "Markus sucht eine natürliche und kinderliebe Frau." Schließlich möchte der Bauer die Zukunft seines Hofs sichern. Im Schnitt acht Millionen ZuschauerInnen amüsieren sich über sowas (im Oktober startet sogar die fünfte Staffel).
Doch es geht schlimmer. Gruselig ist die Kuppel-TV-Show von Sat1 "Gräfin gesucht – Adel auf Brautschau". Hier präsentieren sich schnöselige Blaublüter im Janker und fordern eine "stilgerechte Vorzeigefrau". Dabei spielt die Sendung vor allem mit zwei Klischees: 1. Frauen wollen reich einheiraten und 2. Jedes Mädchen möchte eine Prinzessin (oder wenigstens Gräfin) sein.
Doch warum, stellt sich die Frage, sind solche Kitsch-Shows im Jahr 2009 so erfolgreich? Es geht um Voyeurismus und Sehnsucht. Wäre so ein Leben auf dem Land oder auf dem Schloss nicht auch was für mich? Weit weg von Stress und Arbeitslosigkeit … Es wird suggeriert, es handele sich um normale Menschen im normalen Alltag. Dabei faked RTL bereits mit der Auswahl der Kandidaten und des gesendeten Materials, hinzu kommt die pseudo-naive Moderation. Denn der echte Landwirt weiß nur zu gut: Eine Frau ist mehr als ein Accessoire. Und auch dem Adligen von heute ist klar, dass eine Frau nicht nur kochen und gebären können muss.
Noch perfider als die Kuppel-Formate sind Casting-Shows, die am Erfolg der Pro Sieben-Sendung "Germany's Next Topmodel" anknüpfen wollen. Da wäre zum Beispiel "Mission Hollywood" (schon wieder RTL): Hier buhlen junge Schauspielerinnen um eine Nebenrolle in einem zweitklassigen Hollywood-Blockbuster und lassen sich ausgerechnet von Jurymitglied und Kollege Til Schweiger bewerten. In seiner Show müssen die Frauen so genannte Filmszenen nachspielen, meist Simulationen von Blow-Jobs oder einem Orgasmus. Diese Casting-Show ist eher eine Pornoshow. Zum Glück hat "Mission Hollywood" wenigstens schlechte Quoten.
Auch dem Kinderfernsehen geht's an den Kragen, vor allem durch so genannte Manga-Comics, die in Japan, dem Land der Mädchen-Pornos für Erwachsene, entwickelt wurden. "Die Figuren werden sexualisiert und immer dünner. Bei manchen Zeichentrickfilmen, wie etwa Winx Club, haben die Heldinnen gerade mal ein Drittel des lebensnotwendigen Hüftumfangs", klagt Medienwissenschaftlerin Maya Götz vom "Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen". Eine weltweite Studie ihres Instituts belegt: Zwei von drei weiblichen Zeichentrickfilm-Figuren haben unnatürliche Körperformen, wie etwa zu dünne Beine und Taillen, in denen kein Platz für ein Rückgrat wäre.
Wer sich früh an das verzerrte Frauenbild im Kinderfernsehen gewöhnt hat, wundert sich auch nicht mehr über MTV. Da flimmert die nackte Pornografie täglich in Gestalt von Gangster-Rapper-Videoclips über den Bildschirm. Und die MTV-Show "Rock of Love" verschmilzt Kuppel- und Casting-Show in eins: Hier werden 20 Frauen, meistens oben ohne, bei Schlammschlachten oder Kinderwagen-Wettschieben abgefilmt. Und der amerikanische Rocksänger Bret Michaels verteilt als Pascha mit Totenkopfstirnband seine "Liebe" in Form von VIP-Tickets.
ProSieben quälte uns mit einer Doku-Soap, in der es mal andersrum zugeht. Eine Frau, Giulia Siegel, lässt die Männer defilieren. Die Tochter des Schlagerkomponisten und "Model" ist in "Giulia in Love?!" auf Männersuche und hat dem Auserwählten folgendes zu bieten: "Ich bin daheim immer figurbetont gekleidet. Wenn man sich gehen lässt, dann geht die Erotik verloren", erklärte die 34-Jährige in einem Interview. "Gerade wenn man Kinder hat, muss man darauf achten, dass man für den Mann Kumpel, Freundin und Hure bleibt." Und Hure?
Die Siegel-Kandidaten debattieren vor der Kamera ihre Penislänge und bringen ihre Erwartungen wie Hartmut auf den Punkt: "Ich mag es, wenn eine Frau mit den Augen ficken kann."
Das ist ja fast so vielversprechend wie im wahren Leben.