Katholikinnen fordern: #MachtLichtAn!
Sie hatten ihre Taschenlampen mitgebracht. Denn die Frauen, die sich am Abend des 12. Dezember auf den Weg zu ihren Kirchen machten, wollten diesmal dort keine Kerzen anzünden. „Wir wollten das grelle Licht der Taschenlampe auf ein dunkles Kapitel in der Kirche richten“, sagt Agnes Wuckelt (Foto unten Mitte). Die Theologie-Professorin und stellvertretende Bundesvorsitzende der „Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands“ (kfd) ist eine der Initiatorinnen der Kampagne #MachtLichtan! Das dunkle Kapitel, von dem hier die Rede ist, ist der sexuelle Missbrauch, tausendfach begangen von Priestern, vielfach vertuscht von deren Vorgesetzten.
Sie fordern eine strukturelle Erneuerung der Kirche.
Der größte katholische Frauenverband mit rund 450.000 Mitgliedern fordert, dass die männlichen Kirchenoberen Schluss machen mit der Verdunkelungstaktik. Deshalb richteten sie an diesem Abend an 180 Orten viele tausend Taschenlampen auf die Kirchentüren. Dazu sprachen diesmal nicht Pfarrer, sondern Frauen in jeder Stadt die gleiche Klage-Andacht.
„Wir stehen hier mit Wut im Bauch und im Kopf. Viele sind maßlos enttäuscht und fassungslos. Das Vertrauen in unsere Kirche, in Priester und Bischöfe und die Verantwortlichen, die über Jahrzehnte hinweg geschwiegen, Täter gedeckt und Missbrauch vertuscht haben, ist für viele Frauen zerstört. Viel zu lange standen die Belange der Institution im Vordergrund und nicht die Opfer. So stehen und beten wir heute auch ganz bewusst vor der Kirche und nicht innen. Viele wissen nicht mehr, ob sie zu dieser Kirche noch dazu gehören wollen.“
Auslöser für die Kampagne war die Studie gewesen, die Kardinal Reinhard Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, am 25. September der Öffentlichkeit vorgestellt hatte. 38.000 Personalakten aus 27 Diözesen aus den Jahren 1946 bis 2014 hatten die Forscher untersucht. Das Ergebnis war ein Schock. Fast 4.000 Opfer, fast 2.000 Täter. Und das sind nur die entdeckten Taten. „Die Dunkelziffer ist natürlich viel größer“, weiß nicht nur Agnes Wuckelt.
Spätestens seit im Jahr 2010 das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs in katholischen Internaten offenbar wurde, liegt das Problem auf dem Tisch. „Aber es ist zu wenig passiert“, klagt die kfd-Vorsitzende. Deshalb gehen die Katholikinnen jetzt laut und deutlich an die Öffentlichkeit. Sie fordern:
- Der Missbrauchsskandal muss „glaubwürdig und umfassend aufgeklärt“ werden. Es gebe immer noch „Bistümer, die sich weigern, Akten rauszugeben. Dass immer noch Täter geschützt werden, ist nicht nur für die Opfer unerträglich“, sagt Agnes Wuckelt.
- Die Kirche muss unabhängige Missbrauchsbeauftragte einsetzen. „Die eingesetzten Missbrauchsbeauftragten sind aber größtenteils kirchliche Bedienstete. Da hält sich das Vertrauen von Opfern in Grenzen.“
- In Ausbildung und Lehre müsse ein „verantwortungsbewusster und befreiender Umgang mit Körperlichkeit und Sexualität gestärkt“ werden. „Die Sexualmoral, die in Rom verkündet wird“, sagt Agnes Wuckelt, „ist nicht lebbar und wird nicht gelebt."
Gegen die klerikal-autoritären Machtstrukturen.
- Die kfd-Frauen fordern nichts weniger als „eine strukturelle Erneuerung der Kirche. Klerikal-autoritäre Machtstrukturen haben in unserer Kirche keinen Platz!"
Die kfd hat die Forderungen auf Postkarten gedruckt und auf ihrer Website zum Download bereitgestellt. 25.000 Postkarten haben die Menschen schon an die Düsseldorfer kfd-Zentrale geschickt. Werden die Bischöfe die gar nicht frohe Botschaft der Frauen verstehen?