Männer am Herd: War ich gut?
Einfach den Fernseher eingeschaltet – schon sehen wir: Männer sind das kochende Geschlecht. Auf allen Sendern brutzeln sie. Zeigen, was sie als Starköche auf der Pfanne haben. Hier Johann Lafers Baby-Melone für 100 Dollar pro Kilo, dort Horst Lichters Frau als „nougatgefüllte Marzipanpraline auf zwei Beinen“. Und sowieso kochen sie in allen Stimmungslagen – mal locker vom Hocker, mal perfektionistisch, sind Könner, Gaukler, Künstler oder wiedererwachte Wilde, die zwischen Grillglut und Kräutersprüchen die gesamte Weltkochkunst vermixen. Oder auch bloß mal vor laufender Kamera das Hemd offenreißen, um zu zeigen, dass sie auch sonst prächtige Kerle sind.
70 permanente Kochshows werden dem Zuschauer derzeit serviert. Noch ist kein Ende in Sicht. Und nun? Können wir jetzt besser kochen? Oder wissen wir bloß mehr über die aktuelle Seelenlage der Männer? Es muss ja etwas bedeuten, dass es vor allem Männer sind, die plötzlich nicht müde werden, öffentlich ihre Kochkünste vorzuführen. Schon könnte man glauben, Männer stünden dauernd in der Küche. Und überhaupt sei ihr wahrer Platz der Herd. Ist das einfach nur eine Mode oder ist es was Ernstes?
Weiterhin werden weltweit 80 bis 90 Prozent der Mahlzeiten von Frauen bereitet. Und der Löwenanteil des Anbaus von Nahrungsmitteln bzw. der Beschaffung wird übrigens ebenfalls vom „schwachen“ Geschlecht gewuchtet.
Bei den TV-Köchen jedoch wird das Kochen zu 80 bis 90 Prozent vom starken Geschlecht erledigt. Auch in privaten Küchen soll es schon geschehen sein, dass sich Männer ihrer kulinarischen Heldentaten rühmen, während Frauen einfach nur tun, was sie immer schon taten. 60 Prozent der Männer geben laut neueren Erhebungen an, sie könnten ein Mahl zubereiten. 23 Prozent kochen gar „gern“.
Nicht erhoben wurde, wie oft es hinterher die Frauen sind, die abwaschen und die Küche wieder aufklaren, weil sie sich unermüdlich verantwortlich fühlen für die Wiederherstellung der Ordnung der Dinge. Auch beim Kochen scheint der gesamte Alltagskram an ihnen zu hängen: Was koche ich morgen? Was ist gesund? Was macht glücklich und satt, aber nicht dick? Wo müssen wir sparen? Ist noch Butter im Haus? Dazu das schlechte Gewissen, wenn einem wieder einmal nur Pizza oder Kotelett mit Blumenkohl eingefallen ist.
Übernimmt der Mann den Einkauf, schreibt ihm die Frau den Einkaufszettel; auch Angela Merkel tut das, wie sie in EMMA preisgab. Neu ist, dass viele Frauen immensen Aufwand betreiben, um für jeden Esser am Tisch das Passende zuzubereiten – noch mehr Stress. Und Buhlen um Lob und Liebe.
Der kochende Mann hingegen schreitet im Prinzip als Wochenend-Küchenchef zum Herd, immer bereit, ein unvergleichliches Kochwerk abzuliefern. Warum? Braucht er neue Herausforderungen? Sichert er neues Terrain mit seinen Kochkünsten angesichts einstürzender Männerbastionen? Vielleicht will er sich auch nur als Selbstversorger konditionieren – nun, da immer mehr Frauen an öffentlichen Krisenherden stehen, statt wie gewohnt nur den Frieden daheim am Köcheln zu halten?
„Männliche Köche kochen, um zu imponieren, weibliche, um sich zu kümmern“, gaben unisono zwölf Sterneköchinnen zu Protokoll, als sie von der Kulinarik-Expertin Katja Mutschelknaus interviewt wurden. Da muss was dran sein, da Jahrhunderte galt, was die finnische Historikerin Kaari Utrio mit Blick auf vergangene Jahrtausende konstatiert: „Männer verdienten das Brot für die Familie – aber sie buken es nie.“
Und der französische Soziologe Jean-Claude Kaufmann kommentiert trocken: „Frauen haben schon immer gekocht, weil sie es müssen. Männer entdecken das Kochen im Zeitalter der individuellen Autonomie, weil es ihnen Spaß macht.“ Damit, so Kaufmann, treffen zwei gegensätzliche Bewegungen aufeinander: Die wachsende Zahl von Frauen, die sich vom Haushalt abgewendet haben, weil sie sich mit wachsender Selbstverständlichkeit für andere Tätigkeiten interessieren.
Kochende Männer aber, so der Soziologe, hätten auch den Gedanken aufgefrischt, dass „das Kochen zu einem konstituierenden Element einer Partnerschaft, einer Familie werden kann“. Insbesondere Starköche hätten demnach, so ließe sich schließen, weitaus Größeres im Sinn als die Herdkunst – nämlich die Rettung des Zusammenlebens in althergebrachter Form.
Holger Stromberg, Leibkoch der Männer-Fußballnationalmannschaft hält die neue Kochlust der Männer für eine besonders anrührende „Flucht in die Vergangenheit“, bedeute Kochen doch immer auch das Wiedererwecken frühester Eindrücke. „Wir können uns alle an den ersten Kuss erinnern oder unseren ersten Beischlaf. Aber noch stärker ist das Essen. Diesen ersten Geschmack, diese Sehnsucht nach der Rindsroulade von Omi – das vergisst man nicht.“ Ausgerechnet in einem Playboy-Interview verriet Stromberg, dass auch Fußballspieler nostalgische Sehnsüchte ans Essen knüpfen: „Wenn ich mal Rahmspinat mit Spiegelei mache oder eine Rindsroulade – da ist Partystimmung.“
Ansonsten erklärt der Fußballer-Koch den Männer-Kochtrend schnörkellos: „Der Mann stellt sich halt selber in die Küche, weil es heute zu wenig Frauen gibt, die gut kochen können.“ Dass in der Reihe der Spitzenköche überwiegend Männer vertreten sind, erscheint ihm darum nur folgerichtig: „Männer kochen archaischer. Und Frauen sehen es häufig als Pflichtübung. Frauen nehmen ein Lineal, eine Waage, einen Messbecher zur Hilfe – und Männer machen einfach. Männer kochen mit einem Lebensgefühl und Frauen mit dem Messbecher.“
Dass Menschen nicht eher hungern als essen und sich überhaupt Gedanken machen können über das Kochen, ist relativ neu. Dass aber Männer das öffentliche und professionelle Kochen zu ihrer Sache gemacht haben, ist alt.
Von der Frühzeit bis weit ins Mittelalter war in weiten Teilen der Welt ein Brei aus Getreide, Hirse oder Reis das Hauptnahrungsmittel der Menschen. Meistens mit den Fingern aus einer Gemeinschaftsschüssel gefischt; aufs Feld wurden fester gekochte Breischeiben mitgenommen. Der Rang bestimmte, wie viel jeder bekam. Frauen hielten sich zurück, Kinder durften nur stippen. Abwechslungsreich war das nicht: auf ein Liter Wasser ein halbes Kilo Haferschrot, Salz, umrühren, fertig. Wer’s hatte, tat Milch, Bier, Honig oder einen Klacks Butter drauf. Als jedoch die großen Reisenden Gewürze aus Indien und China mitbrachten, variierten die Frauen den Brei durch hunderterlei Saucen; am längsten hat sich das in Afrika mit Hirsebrei und roten Fleisch- oder Fischsaucen erhalten.
Das zweite Grundrezept der Armen stammt aus der Zeit des frühen Ackerbaus: Ein Eintopf mit vom Knochen geschnittenen Fleischstücken, geschmortem Gemüse, Insekten, Pilzen, falls vorhanden auch mit Fisch, anfangs auf heißen Steinen gegart. Das verlangte durchaus Kreativität bei der Zusammenstellung der Zutaten, mehr noch verlangte es Künste der Tierhaltung, des Melkens, Federviehrupfens, Getreidemahlens und Wasserholens, was – wie das Backen und das Bierbrauen – Jahrhunderte lang so selbstverständliche Frauenarbeit war wie die Zubereitung der Speisen.
Auf den Bauernhöfen wurde das Gesinde von der Bäuerin bekocht. Dienstmädchen in Herrschaftshäusern hatten sich eher selbst zu versorgen. Arbeiterinnen und Arbeiter auf den Feldern, in Bergwerken, beim Holzschlagen, Bauen, Steineschleppen, waren gezwungen, selber nach Knollen und Wurzeln zu suchen, mahlten aus Kastanien und Eicheln Mehl, um Fladen zu backen.
Glücklich, wer wie die Römer und Griechen von Oliven, Schafskäse und Früchten leben konnte. „Getrocknete Feigen dienen, wenn ich Brot habe, als Ersatz für Fleisch, und habe ich keins, dann als Ersatz für Brot“, schrieb der römische Philosoph Seneca (ca. 1–65 n. Chr.). Im übrigen Europa aßen Landbewohner Zwiebeln und Brot zum Gerstenbrei.
Mit der Verbreitung feuerfester Ton- und Eisentöpfe begann das Epos der Suppen. Meist wurde offenes Herdfeuer unter freiem Himmel angezündet; private Küchen gab es nicht fürs gemeine Volk, selten nur in den Häusern wohlhabender Bürger. Schlachten galt als schmutziges Geschäft, weil es mit Blut und Gestank verbunden war. Kochen rangierte unter Pflicht, nicht unter Kunst.
Das galt allerdings nicht für Fürsten- und Königshäuser. Dort waren Speisen nicht profan „Nahrung“, sondern das Mittel, um Überfluss, Genussfreude, Macht zu demonstrieren. Niemand außer dem Adel war berechtigt, Wild zu jagen. Regenten besaßen die Fischrechte, hielten in ihren Ställen Huftiere, ließen sich auch Seevögel, Störche, Reiher und Kraniche braten, betrieben Käsereien, große Weinberge, Obst- und Gemüsezuchten. Zeichnungen aus dem Ägypten des 14. Jhdt. v. Chr. zeigen, dass ihre Sklaven Brot, Gurken und Zwiebeln aßen, sie selbst ließen sich Spezereien aller Art auftischen.
Als 1700 v.Chr. insbesondere die babylonische Küche einen hohen Stand erreichte, sind in ihren Annalen 100 verschiedene Suppen aufgelistet. Zum Fleischangebot gehörten Rind, Schaf, Schwein, Hirsch, Reh, Gazelle, Taube, Rebhuhn, Ente. Dazu 50 Sorten Seefisch, 18 Käse- und 300 Brotsorten. Für Zubereitungen dieser Größenordnung waren nicht nur Profiköche erforderlich, sondern eine geradezu militärische Aufgabenverteilung, nicht zuletzt Körperkräfte – schon wegen der immensen Mengen, die hin und her zu schleppen waren. Kochen war an diesen Orten also ein Erwerbsjob, stellte was dar, war nicht mehr nur unbezahlte, selbstverständliche, hingebungsvolle Leistung.
An den Höfen übernahmen deshalb zum ersten Mal Männer den Job des Speisenbereitens; Frauen waren allenfalls Handlangerinnen. Für große Bankette wurden ganze Heerscharen von Helfern und Könnern gebraucht, die nun bezahlte Arbeit machten, mit den Herrschern reisten und oft an andere Höfe ausgeliehen wurden. In den Tempeln der Sumerer hatten Köche schon früh zu den gehobenen Angestellten gehört, denen auch Land zugeteilt wurde – lauter Privilegien, die nur Männern zuteil wurden und die sie naturgemäß mit Eifer anstrebten.
Im alten Griechenland gab es plötzlich sogar Profi-Breiköche, so genannte „Mageiros“, die das tägliche Familienpensum der Frauen nun außer Haus verrichteten und Geld dafür bekamen. Da sie unter reichhaltigen Zutaten wählen konnten, buken sie den Brei auf heißem Stein wie ein Omelett oder bereiteten ihn im Ofen wie einen Pudding, angereichert mit Fleisch, Käse, Eiern, Honig und getrocknetem Obst. Frauen durften bei Hofe nur als „Demirgia“ zuständig für Süßigkeiten sein.
Je mehr auch in Rom die Zeit des Luxus begann, desto reicher wurden Köche bezahlt, selbst wenn sie noch Sklaven waren. Die Römer ließen ihr Brot nicht mehr zu Hause von den Frauen backen, sondern gründeten öffentliche Bäckereien, bald auch Gastronomien, wodurch Frauen das Privileg des Backens verloren und damit auch das Recht des Brauens, das wegen der gemeinsamen Gärungsmittel eng ans Backen angelehnt war. Wer jetzt als guter Koch hervorstach, konnte ein Vermögen verdienen.
In Rom sollen Starköche umgerechnet auf heutigen Wert rund 300000 Euro im Jahr verdient haben. Als der römische Geschichtsschreiber Sallust (84–34 v. Chr.) den Koch des Cassius Nomentanus abwerben wollte, bot er 100000 As, was heute ungefähr den gleichen Euro-Betrag ausmacht. Ein schwunghafter Handel mit talentierten Köchen begann – ähnlich dem Transfer von Fußballspielern unserer Tage.
Diese Art der Professionalisierung machte das Kochen endgültig interessant für Männer – ein Paradigmenwechsel, der weltweit eintrat und bis ins absolutistische Frankreich schwindelerregende Perspektiven eröffnete. Im Jahr 200 v.Chr. verzeichnet der Personalplan des chinesischen Hofes 4000 Personen, darunter 162 Diätmeister, 70 Fleischspezialisten, 100 Weinbeamte, 140 Weinservierer, 94 Eismänner, 61 zum Auftragen von Fleischplatten, 62 für Salz und so weiter, wie Anna Dünnebier in ihrem Buch über die „Kulturgeschichte des Essens und Trinkens“ auflistet.
Die Kalifen des Sultanpalastes in Istanbul führten 630 Köche bei Kriegszügen mit. An den europäischen Fürstenhöfen wurden die für die Ernährung zuständigen Männer mit hohen militärischen Titeln ausgezeichnet. In Deutschland galt „Küchenmeister“ ab 1209 als eines der vier höchsten Ämter am Königshof. Am französischen Hof des 15. Jahrhunderts gehörten die 700–800 Personen, die mit dem Essen und Trinken des königlichen Haushaltes befasst waren, zu den höchsten Rängen – etwa der Oberste Beamte der Brotverwaltung, der Obermundschenk, der Großmeister der Küche, der Restaurantchef, die Fleischköche.
Im 17. Jahrhunderts beschloss die englische Kochzunft, keine Frauen mehr zuzulassen, auch nicht, wenn sie die Mitgliedschaft von ihren Vätern erbten. 1664 wurde ein Koch zu hohem Strafgeld verurteilt, weil er einer Frau beigebracht hatte, Pasteten und Hefeteig herzustellen. Geld und Orden fürs Kochen sollten nur Männern zustehen. Kein Wunder, dass es dann auch Männer waren, die in den ersten französischen Restaurants des 18. Jahrhundert herausragende Berufe angeboten bekamen – hoch spezialisiert als „Charcutiers“ für Pasteten und Würste, als „Traiteurs“, speziell für Ragouts und Fleisch mit Sauce, als „Rôtisseurs“ für Braten ohne Sauce, als „Tripiers“ für Innereien sowie als „Bouillons“ für die Suppenküche.
Nur eine verschwindend geringe Zahl von Frauen ist in ähnliche Ränge vorgedrungen. Das Übliche: Quer durch die Menschheitsgeschichte haben sie die unbezahlte Familien- und Hausarbeit gemacht, galten zwar als Versorgerinnen, nicht aber als eine Person, die sich selbst ernährte oder gar Ernährerin der Familie war. Erwerbsberufe waren ihnen versagt, so lange Männer Frauen ganz aus der Öffentlichkeit heraushalten wollten, sie also im Haus hielten – als Hüterin, als Erzieherin der Kinder, als liebende Gattin, die den Mann herzlich begrüßte, wenn er aus der weiten Welt nach Hause kam. (Wobei die Sehnsucht nach dem „Heimchen am Herd“ mancher Männern bis heute nicht versiegt ist.)
So jedenfalls galt es für die höheren Stände. Frauen der armen Schichten leisteten denselben Elf-Stunden-Tag wie die Männer, legten die Babys am Feldrain ab, später am Fuß der Spinn- und Webmaschinen, und hatten beim Heimkommen noch die Haushaltsarbeit vor sich. Kinderarbeit war gang und gäbe. Kochen war Überlebensleistung. Die Wogen des Wandels in der Geschichte des Essenkochens erreichten die armen Schichten immer nur mit Verzögerung.
In reichen Bürgerhäusern war ab dem 16. Jahrhundert die Kochkunst samt reicher Tafel zum Maß des gesellschaftlichen Ranges geworden. Erst wurde geprotzt mit ausschweifenden Festen, dann ging es vor allem um die Raffinesse der Zubereitung. Im 18. Jahrhundert besann man sich auf Askese, „auf dass der Mensch nicht wie ein Tier fräße“. Der Dame des Hauses wuchs die Aufgabe zu, wohldurchdachte Speisenfolgen zu arrangieren, ohne selbst je am Herd zu stehen; Kochkunst blieb weitgehend den Dienstboten überlassen. Da selbst wohlhabende private Haushalte aber auf Dauer weder den hohen Ansprüchen an kunstvolle Menus noch dem dafür nötigen Personalbedarf genügen konnten, breiteten sich immer mehr Restaurants aus, wo ein Standard geboten wurde, an dem sich – schleichend – nun wieder die Frauen als private Köchinnen messen lassen sollten.
Im 19. Jahrhundert kam der Familie eine neue Bedeutung zu – sie sollte im privaten Rahmen die soziale Ordnung wiederherstellen, die im Staat verloren gegangen war. Manieren wurden wichtig; auch Tischmanieren. Die Mutter hatte die Kinder entsprechend zu erziehen; der Vater strafte ab, wenn Gebote wie „Schweigen bei Tisch“ und „alles aufessen“ durchbrochen wurden. In ärmeren Kreisen wurde vor allem hochgehalten, dass gemeinsames Essen die Familie zusammenhalte – und dass selbst bei geringem Portefeuille eine simple Regel zu gelten habe: Der Vater bekommt immer das größte Stück Fleisch. Ein Verdikt, das absurderweise bis heute in vielen Familien gilt. Und wieder verschwand die Hausfrau, die das alles durchorganisierte, hinter dem Mann auf dem zweiten Rang.
Als Mitte des 19. Jahrhunderts dann der Kampf der Frauen um Zugang zu den Universitäten begann, wurde der gleichzeitig zum Kampf um Loslösung von der Hausarbeit. Endlich wagten Frauen zu sagen, dass sie ihr Dreiecks-Leben zwischen Küche-Kindern-Kirche für zu eng und stupide hielten. In unzähligen Pamphleten ist nachzulesen, für wie abwegig und skandalös Männer derlei Emanzipationsbestrebungen hielten – ein Vergehen „gegen die Natur der Frau“. Und sie bestanden darauf, dass die Frauen weiter kochten.
Warum aber sind Frauen auch dann so gering bei den heutigen Koch-Stars vertreten, wenn sie leidenschaftliche Köchinnen sind?
Es stimmt, dass die professionellen Männer aufgrund langer, immer wieder verfeinerter Professionalität einen deutlichen Vorsprung vor privat arbeitenden Köchinnen haben. Übung schafft Virtuosität. Große Bühnen machen fit für Mut; manchmal auch für Übermut, Spaß und Größenwahn. Vor allem schaffen sie Reputation – ein Gelände, das Frauen noch selten beackern. Die berühmtesten namentlich bekannten männlichen Köche waren Meister ihres Fachs an Dutzenden von Königshöfen; wo sich nicht nur schier grenzenlose Möglichkeiten für ihre Profession boten, sondern viel Raum für furiose Selbstvermarktung.
Zum Beispiel im Mittelalter für Guillaume Tirel, Spitzname „Taillevant“, der Chefkoch von Karl V. war. Später in der Renaissance für den Koch Martino, der vom Vatikan engagiert wurde. Auch für Bartolomeo Scappi, der im 16. Jahrhundert seine Gerichte mit architektonischen Meisterwerken krönte, Tempel aus Wurstsäulen und Stehpulte aus aufgeschnittenem Kalbfleisch präsentierte.
Immer schon ging es auch um die ganz große Show. Ohne Scheu lobte sich etwa François Pierre de la Varenne, der für Ludwig XIV. und Katharina de Medici kochte, dass er die Kochkunst revolutioniert habe, wenn er die schwere Fleischküche durch neue, leichte Saucen und viele Früchte auffrischte. Bei Ludwig XV. machte sich Meisterkoch Menon einen Namen, weil er die Kunst der Küche zum Gesprächsthema der Pariser Salons stilisierte.
Oder Auguste Escoffier (1846–1935), der „Kaiser der Köche und Koch der Kaiser“ genannt wurde, ein Mann, der für alle gekrönten Häupter seiner Zeit kochte. Ob in London, Paris, Monte Carlo, Cannes, Nizza oder Luzern, ob im „Ritz“ in Paris oder im „Savoy“-Hotel London – überall lag die internationale Gesellschaft seinen Kreationen, seiner Ernsthaftigkeit, seinem gesamten Lebensstil zu Füßen.
Das haben heutige Starköche auch drauf. Meist allerdings mit wilden Prisen eines mal eleganten, mal rustikalen oder auch einfach nur geschäftstüchtigen Show-Talents. Unter den Allerersten, die einen Stern vom Guide Michelin erhielten, waren noch zwei Frauen: Eugénie Brazier und Marie Bourgeois.
Danach folgt eine Endlosreihe männlicher Sterneköche, von Paul Bocuse bis Eckart Witzigmann, deren Ruhm überrannt wurde von TV-Köchen – beginnend mit Clemens Wilmenrod, der nicht kochen, aber gut säuseln konnte. Unvergesslich auch Alfred Biolek, der Enthusiast am Herd, der seine Rezepturen vom Blatt ablesen musste, aber Lust machte, selbst nach dem Quirl zu greifen.
Die neue Garde, die seit „Kerner kocht“ über die TV-Sender hereinbrach, bringt nun eine ganze neue Rezeptur unter die Leute: Das Erfolgsrezept für hohe Quoten. Nichts launiger als das. Ums Kochen geht’s dabei inzwischen weniger. Titel wie „Kochduell“, „Kocharena“ (beide Vox), oder „Küchenschlacht“ und „Topfgeldprämie“ (beide ZDF) machen klar, dass die Koch-Shows durchaus martialisch sein sollen.
Als der Sender Sat1 seinen neuen Wettkampf um den Titel „Meisterkoch“ eröffnete, flossen Blut und Tränen. 19 von 35 KandidatInnen stachen, schnitzten, ritzten sich beim Zwiebelhacken mit scharf gemachten Messern blutig. 100 Kilo Zwiebeln waren zu würfeln und in hauchdünne Scheibchen zu säbeln. Die Tränen tropften. Sanitäter eilten. Schnittwunden en masse. Kritiker nannten das „Zwiebelmassaker“.
Doch für Profi-Köche lohnt sich die Allgegenwart. Stars wie Alfons Schuhbeck, Johann Lafer, ausnahmsweise auch die Hamburgerin Cornelia Poletto, haben sich durch ihre Fernsehpräsenz längst eigene Produktlinien erkocht: von Kalahari-Salz über Gewürzsorten aller Arten bis zu teuren Olivenölen und Fonds. Dazu kommen teure Werbeverträge. Und selbstverständlich eigene Kochshows. Wer zappt, stößt selten auf einen kochfreien Raum. Überall sind sie, die Mälzers, Lichters, Hensslers, Studers. Bei der Suche nach „Deutschlands Meisterkoch“ gaben zwei männliche Kandidaten zu Protokoll, warum sie unbedingt die ausgelobte Ausbildung gewinnen wollten. „Weil ich der Beste bin“, sagten beide.
Doch warum jetzt? Warum so selbstberauscht? Sex wäre ein möglicher Grund. Genauer: Sex-Ersatz. Kochen ist die Kunst, die Menschen durch Speisen glücklich zu machen – eine Sache des Verführens und Verführtwerdens. Nun, wo die bekannten Variationen von Sex bis zum Überdruss durchexerziert sind, wird ein Kamasutra des Essens inszeniert. Fünf Gänge, sechs Gänge, aufgeteilt in anregende Häppchen, das Vergnügen verlängernd. Essen als neue Freizeitlust, noch dazu vor aller Augen auszuführen. Schmeckt einmal hin: War ich gut?
Soll heißen: Mit dem Kochlöffel übernehmen Männer erneut die Rolle des Verführers. Falls demnächst wieder einmal die Parole „Frauen zurück an den Herd!“ aufkocht, können wir jetzt ohne Bedenken sagen: „Sorry, der ist jetzt von Männern besetzt“.