Männerbünde: Eine unheilige Allianz
Die schwarzgelbe Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag eine „eigenständige Jungen- und Männerpolitik“ vereinbart. Im zuständigen Familienministerium gab es bisher nur einen einzigen Mitarbeiter, der für „Männer, Migration, Milieus“ zuständig war – das klang mehr nach Gedöns als nach ernsthaftem Anliegen. Mittlerweile wurde das Referat 408 „Gleichstellungspolitik für Männer und Jungen“ etabliert. Jetzt heißt es genau hinsehen, denn die Männerbewegung – wenn man von einer solchen überhaupt sprechen will – präsentiert sich äußerst unterschiedlich.
Unter Federführung der Kirchen gründeten fortschrittliche und „profeministische“ Männerverbände im November das „Bundesforum Männer“ als Pendant zum Deutschen Frauenrat. Antifeministische Aktivisten dagegen wittern überall männliche Benachteiligungen. Sie klagen über eine „Kaste der Genderfunktionäre“, deren kulturelle Hegemonie jeden Widerspruch unterdrücke. Mit der Realität hat das wenig zu tun. Denn wann immer die Medien in den letzten Jahren etwa das spröde Wortpaar Gender Mainstreaming erwähnten, changierte die Bewertung zwischen „lächerlich“ und „gefährlich“.
2005 bezeichnete der Stern die „neue Geschlechtergefühligkeit“ als „trivial und teuer“. Der Spiegel malte 2007 ein düsteres Bild autoritärer Gender-Pädagogik, das Jungen „früh zu Kritikern des eigenen Geschlechts“ mache. Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeine Zeitung, sah Frauen die „Bewusstseinsindustrie“ übernehmen – weil Moderatorinnen den Herrenrunden in den Polittalkshows die Stichworte liefern. FAZ-Redaktionskollege Volker Zastrow wetterte gegen ein „angewandtes Kaderprinzip der feministischen Lobby“, die eine „politische Geschlechtsumwandlung“ plane. Die rechtslastige Junge Freiheit nahm den Verschwörungston aus der Mitte der Gesellschaft dankbar auf: Hier werde „eine totalitäre Ideologie durch eine auserwählte Truppe Linientreuer von oben nach unten durchgesetzt“.
Als Kronzeuge dient häufig Gerhard Amendt. Der Geschlechterforscher, einst Vorkämpfer für die Legalisierung der Abtreibung mit gutem Ruf in linksliberalen Kreisen, vertritt inzwischen irritierende Ansichten. So behauptet er, Frauen seien in Beziehungen ebenso gewalttätig wie Männer. In der Welt forderte er gar die Abschaffung der Frauenhäuser: Wegen ihres „militanten Feminismus“ seien die dort Tätigen zu „professionellen Interventionen“ nicht fähig. Auch der Focus schreibt mit ständigen Berichten über das „geschwächte Geschlecht“ eine „neue Bürgerrechtsbewegung“ geradezu herbei.
Doch Zeitungstexte nehmen die meisten Männerrechtler nur als Spuren im Netz wahr – ohne ihren redaktionellen Kontext, als aus dem Zusammenhang gerissenen Textbaustein. Der neue Geschlechterkampf wird vorwiegend online geführt. Internetforen stilisieren Männer zur maßgeblichen Opfergruppe, zu Diskriminierten in allen Lebenslagen. Die Netzbeiträge schwanken zwischen trotzig-beleidigtem „Da seht ihr’s mal wieder“-Tonfall und unverhüllter verbaler Aggression. Kritiker gelten als „lila Pudel“, die bei der eigenen „Kastration“ assistieren. Ein Forenbetreiber träumt öffentlich davon, die „Genderisten wegen Geschlechterverhetzung im Kerker verrotten zu lassen“. Andere Blogger drohen den „Feministinnen und ihren Drohnen“ gar mit einer „Wiederauflage der Nürnberger Prozesse“.
Ein „ausufernder Gouvernanten- und Umerziehungsstaat“, so die Männerrechtler, bevorzuge einseitig die Frauen. „Freiheit statt Feminismus!“ fordert kurzerhand die Junge Freiheit, und prangert „Denkverbote“ an: Kritik an der Benachteiligung von Männern sei schlicht unerwünscht. Rechtskonservative sonnen sich darin, die „Political correctness“ zu missachten und als vorgestrig zu bekämpfen. Besonders hervor tun sich dabei gewendete Intellektuelle mit linker Vergangenheit, wenn sie „die 68er“ für vermeintliche „Tabus“ verantwortlich machen. Antifeministen wiederholen regelmäßig die These, Frauen seien gar nicht mehr benachteiligt, die Emanzipation sei abgeschlossen, der Feminismus habe sein Ziel längst erreicht. Unklar bleibt, wie sich dies mit der ungebrochenen – und bei einem Blick in die Führungsetagen offensichtlichen – männlichen Übermacht in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien in Einklang bringen lässt. Daran ändern auch Angela Merkel und Anne Will nichts. Unter den 186 Vorständen der DAX-Unternehmen ist eine einzige Frau – beim Chemiekonzern Henkel, weil sie zur Familie des Firmengründers gehört. Der weibliche Anteil liegt also bei gerade mal 0,5 Prozent.
Typisch ist auch die Umdeutung von Begriffen. Im Kampf um die Deutungshoheit versuchen Maskulinisten, ursprünglich emanzipatorisch interpretierte Worte wie „Befreiung“ oder „Geschlechterdemokratie“ anders zu definieren. Die selbsternannten Freiheitskämpfer präsentierten sich als die neuen Bürgerrechtler, als Bewahrer zivilgesellschaftlicher Werte. So trägt der rechtslastige Online-Auftritt freiewelt.net den harmlosen und irreführenden Untertitel „Die Internet- & Blogzeitung für die Zivilgesellschaft“. Eine andere Publikation nennt sich „eigentümlich frei“ – die Macher betrachten sich als Libertäre, sprachlich wie personell aber gibt es Überschneidungen etwa zur Jungen Freiheit.
Ein anderes Argumentationsmuster sind Biologismen. Sachbücher, in denen Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken, feiern seit Jahren riesige Verkaufserfolge. Die simple These „Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus“ ist nach wie vor populär. Selektiv ausgewählte Hinweise auf Hirnforschung oder Verhaltensbiologie untermauern fragwürdige Behauptungen zur Geschlechterdifferenz.
So entstehen klar strukturierte, angeblich „natürliche“ Rollenstereotypen und ein polarisiertes Muster von Zweigeschlechtlichkeit, das nicht der realen Vielfalt entspricht. Den Befürwortern des Gender Mainstreaming wird im Umkehrschluss vorgehalten, eine „anthropologische Neutralisierung“ anzustreben und die Fakten der Biologie zu leugnen.
Eine letzte wichtige Denkfigur der Maskulinisten ist der Anti-Etatismus. Im deutschen Parteienspektrum ist dieser vor allem in der FDP, in Österreich in der FPÖ zu Hause. Barbara Rosenkranz, die im Frühjahr gescheiterte Kandidatin der Haider-Partei bei der Wiener Präsidentschaftswahl, hat nicht nur einen unumstritten rechtsextremen Ehemann und zehn Kinder, die zum Beispiel Sonnhild oder Hildrun heißen, sondern auch ein ganzes Buch gegen den „Gender-Wahn“ erfasst. Unter Berufung auf „freiheitliche“ und zivilgesellschaftliche Prinzipien polemisiert sie wie die deutschen Antifeministen gegen staatliche Bevormundung, warnt vor „Umerziehung“ durch öffentliche Institutionen, die sich angeblich viel zu sehr in die Aufgabenteilung zwischen Mann und Frau einmischen. An diesem Punkt treffen sich Männerrechtler mit christlichen Fundamentalisten, die vor „staatlicher Herrschaft über die Kinderbetten“ warnen. Organisatorisch haben diese beiden Strömungen wenig miteinander zu tun, gemeinsam aber ist ihnen das antietatistische Schüren von Ressentiments gegen alles, was vom bösen Staat kommt.
Die Diskutanten in den einschlägigen Internetforen sind überwiegend keine Neonazis. Allerdings ergeben sich immer wieder Überschneidungen und Verbindungen zu rechtslastigen Kreisen und Publikationen. Eindeutig rechtsextrem ist die Seite free-gender.de, auf der sich Mitglieder und Sympathisanten der Initiative „Raus aus den Köpfen – Genderterror abschaffen“ präsentieren. Gender Mainstreaming, so heißt es dort, sei „eine unbekannte Gefahr, die sich seit gut 25 Jahren immer tiefer in den politischen Alltag der BRD und der restlichen Welt hineingebohrt hat“. Die vor allem in Ostdeutschland aktive Gruppe veranstaltet „Aufklärungsvorträge“ zum Gender-Thema („Langfristige Ziele des GM“ sind danach „die Vernichtung der Geschlechteridentitäten“ und „die frühkindliche Sexualisierung“), besucht aber auch Treffen von Neonazis, wie zum Beispiel das „Fest der Völker“ im September 2009 in Thüringen.
Das Buch „Befreiungsbewegung für Männer“ sieht Mitherausgeber Paul-Hermann Gruner als längst überfällige „Publikation für die Zeit nach dem Feminismus“. Der Redakteur beim Darmstädter Echo fordert „das Ende des weiblichen Geschlechtermonologs“ und eine „offensive Interessenvertretung der Männer“. Die Kerngruppe der Autoren bildete im Dezember 2009 den Verein AGENS – „Arbeitsgemeinschaft zur Verwirklichung der Geschlechter-Demokratie“. Als politische Plattform dient das „Berliner Mannifest“. Das dürftige Positionspapier nennt als Ziel unter anderem den „gemeinsamen Dialog auf Augenhöhe zwischen der befreiten Frau und dem befreiten Mann“.
Männerbefreier mischen sich gerne unter bekannte Experten. Im Februar 2010 veranstaltete die Universität Düsseldorf den Kongress „Neue Männer, muss das sein? – Über den männlichen Umgang mit Gefühlen“. Von Medizinern und Therapeuten organisiert, war die Veranstaltung gewiss kein Treffen von Rechtsradikalen. Renommierte Redner wie der Jugendforscher Klaus Hurrelmann, der Historiker Martin Dinges oder der Gesundheitswissenschaftler Elmar Brähler waren vertreten; es referierte aber auch Gerhard Amendt, dessen Einladung Frauenaktivistinnen mit Interventionen beim Rektor und bei der Gleichstellungsbeauftragten zu verhindern versucht hatten.
Wenig Berührungsängste zu Männerrechtlern zeigt auch die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung. Bei ihr arbeitet AGENS-Mitglied Karl-Heinz van Lier, der im Sommer 2009 mit öffentlichen Geldern die Tagung „Ein Männeraufbruch ist überfällig“ in Mainz organisierte. Auch hier eine Mischung aus rechtslastigen und vergleichsweise harmlosen Rednern: Das Spektrum reichte vom antifeministischen Blogger Arne Hoffmann über den zur Welt gewechselten Ex-taz- Redakteur Robin Alexander bis zu Hartmut Steeb, dem Generalsekretär der „Deutschen Evangelischen Allianz“ – einer Dachorganisation pietistischer Gruppen, die als „Kreationisten“ am Wortlaut der Schöpfungslehre festhalten und gleichgeschlechtliche sexuelle Orientierungen als psychische Störung betrachten.
In der „Männerbewegung“ existieren progressive und rückwärts gewandte Strömungen von jeher nebeneinander. Streit über traditionelle und moderne Selbstverständnisse hat es seit den 1970er Jahren immer wieder gegeben, ein einheitlicher Kurs war und ist nicht erkennbar. Einige der von Männerrechtlern skandalisierten Themen sind diskussionswürdig: Vor allem Migranten-Jungen haben Schwierigkeiten in der Schule. Es gibt Gesundheitsberichte über Frauen, aber keine über Männer. Dass Gewalt nicht nur von Männern ausgeht, sondern sich auch überwiegend gegen sie richtet, ist ein unterbelichtetes Thema. Doch daraus lässt sich keine allgemeine Diskriminierung qua Geschlecht ableiten.
„Ein vermeintlicher Dialog, der von vorneherein mit klischeehaften Zuweisungen arbeitet, kann nur ein Monolog bleiben“, sagt der Freiburger Geschlechterforscher und Gewaltexperte Hans-Joachim Lenz. Auch er hat für den Sammelband der Männerbefreier einen Beitrag geliefert, sich aber anschließend vom „maskulinistischen Geplänkel“ seiner Koautoren distanziert. Statt „berechtigte männerpolitische Anliegen“ selbstbewusst zu vertreten, bedienten sich diese „tumber Pauschalisierungen“: „Verschwörungen phantasierend“ würden Männer „zum Opfer böser Frauen stilisiert“.
Das Männer-Thema bekommt unter der von CDU und FDP geführten Bundesregierung auffällig mehr Gewicht. Verschlafen Sozialdemokraten, Grüne und Linke ein Politikfeld der Zukunft? Die Oppositionsparteien verweisen warnend auf Erfahrungen in Österreich, wo die FPÖ gegen den Widerstand von Frauenverbänden eine „männerpolitische Grundsatzabteilung“ im Sozialministerium installierte. Ein Teil der Publikationen, die die finanziell gut versorgten Wiener Männeraktivisten in hohen Auflagen unters Volk brachten, hatte in der Tat eine männerrechtliche Schlagseite.
Am neuen „Bundesforum Männer“ sind neben kirchlichen Gruppen und Sozialverbänden auch Jungenarbeiter, Väteraktivisten oder Gesundheitswissenschaftler beteiligt. Der Zusammenschluss versteht sich als Beratungsgremium und Sprachrohr für Männer. Eine Lenkungsgruppe, die die offizielle Gründung vorbereitet, hat eine Plattform mit zehn Grundsätzen entwickelt. Ausdrücklich gewünscht wird darin der „konstruktive Dialog zwischen den Geschlechtern“. Männliche Anliegen müssten in Ministerien und anderen Institutionen mehr Beachtung finden, fordert das Forum, distanziert sich aber von antifeministischen Vereinfachern.
Männer sind ebenso wenig wie Frauen eine homogene Gruppe. Wenn Geschlechterforscher von „hegemonialer Männlichkeit“ sprechen, meinen sie deren fortdauernde Dominanz in den Spitzenpositionen. Auf der anderen Seite sind schlecht qualifizierte Männer besonders häufig arbeitslos, leiden manche Väter unter der Trennung von ihren Kindern, birgt der traditionelle männliche Lebensstil ein hohes Gesundheitsrisiko. Wer die Vielfalt von Männlichkeiten in einer gemeinsamen Politik vertreten will, muss Prioritäten setzen. Die in Österreich gesetzten Akzente blieben fragwürdig, weil sie vorwiegend männliche Benachteiligungen dokumentierten. Doch die mangelhafte Umsetzung einer Idee ist keine Entschuldigung für Nichtstun
Die einstigen Helden der Industriearbeit ausgemustert; ein Erziehungssystem mit wenig männlichen Bezugspersonen; eine Krebsprävention, die als zweitrangig gilt, weil von ihr nicht die biologische Reproduktionsfähigkeit der Gesellschaft abhängt: Das sind keine Erbsenzählereien, sondern Facetten von nicht durchgängig vergoldeten Männlichkeiten – und damit bedeutsame Themen eines „gegenderten“ Blicks auf sämtliche Politikfelder.
Eine „zukunftsorientierte Männerpolitik“, wie sie zum Beispiel der Schweizer Dachverband „maenner.ch“ in staatliche Gremien einbringt, steht in Deutschland erst am Anfang. Förderprogramme für Jungen, mehr Geschlechterforschung aus männlicher Perspektive oder ein staatlicher Männergesundheitsbericht müssen nicht zu Lasten der nach wie notwendigen Frauenpolitik gehen. Sie nehmen aber den konfrontativen Antifeministen den Wind aus den Segeln. Der Gestus des Tabubrechers, der „politisch korrekte“ Denkverbote missachtet, wird ebenso erschwert wie das Umdeuten von emanzipatorischen Begriffen wie Befreiung oder Geschlechterdemokratie.
Dieser Artikel basiert auf der Gesterkamp-Studie „Geschlechterkampf von Rechts“ im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung. Der Autor veröffentlichte u.a. „Die neuen Väter zwischen Kind und Karriere“ (Barbara Budrich) und „Die Krise der Kerle“ (Lit Verlag).
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