Malarina: Grausam Komisch
Trifft man Malarina zum Interview, kann man sich nie ganz sicher sein, wie viele Personen man da eigentlich vor der Nase hat. Da ist zunächst natürlich Malarina, die Kunstfigur: aus Serbien stammende Österreicherin mit Hang zur rechtsorientierten FPÖ und sentimentalen Gefühlen für den in Ibiza gestrandeten Ex-Parteiführer H.C. Strache. Diese Malarina spricht mit Akzent, legt viel Wert auf ihr Äußeres, das natürlich vor allem den männlichen Blick in den Bann ziehen soll, und spielt hervorragend auf der Klaviatur des Sich-Lustigmachens über Nationalitätenklischees.
In ihrem Debütprogramm „Serben sterben langsam“, das 2020 Premiere hatte, dekliniert Malarina das Verhältnis zwischen Österreich und Serbien in allen Schattierungen durch und entdeckt am Ende mehr schmeichel- und unschmeichelhafte Parallelen, als beiden lieb sein kann.
Hinter Malarina steht die reale Person Marina Lacković, geboren 1990 in Serbien. Ihre Großmutter war die Erste, die als Gastarbeiterin nach Tirol ging. Sie selbst kam als Kindergartenkind. Die Mutter arbeitete in der Hotellerie, der Vater auf dem Bau. Schon in den 1990er Jahren hing über den Migranten in Österreich das Damoklesschwert des Rechtspopulismus. „Mein Vater ist oft von der Arbeit nach Hause gekommen und hat gesagt: Wir müssen packen, bald müssen wir zurück“, erinnert sich Lacković. Willkommenskultur, Integrationsmaßnahmen? „Das gab es alles nicht.“
Person Nummer drei, der man im Gespräch mit Marina Lacković begegnet, ist die waschechte Tirolerin. In feinstem Dialekt erzählt sie dann von Kühen und dem Landleben. Die Bergtäler wurden ihr aber irgendwann doch zu eng, sie ging zum Studium der Literaturwissenschaft nach Wien, arbeitete beim Österreichischen Rundfunk.
Mehr aus einer Laune heraus landete sie beim „Political Correct Comedy Club“ (PCCC), der Talentschmiede der queeren Comedian Denice Bourbon. Was Bourbon ihren Schützlingen beibringt, ist, dass gutes Kabarett nie nach unten tritt, sondern immer nach oben. Lacković hat das verinnerlicht. Wenn sie als Malarina über ihre eigene Community ablästert oder wieder einmal in völlig scheinbar überholten Rollenmustern agiert, dann tut sie das mit so feiner Klinge, dass deutlich wird: Nicht die Individuen sind böse, sondern die Strukturen, in denen sie aufwachsen und leben.
In ihrem zweiten Soloprogramm „Trophäenraub“, das im März 2025 Premiere hatte, ist Malarina mittlerweile von der FPÖ abgefallen und hat sich darauf verlegt, sich einer reichen Dame oder einem Milliardär als „Trophy Wife“ anzudienen. Und weil sich dabei der Tiroler René bald als Pleitier entpuppt, geht es auch um Grundsätzliches: Fragen von Ungleichheit und Raubtierkapitalismus in postkommunistischen Ländern und die Rolle, die Frauen darin zugewiesen wird. Auch eine gewisse Melania kommt vor, die es drüben in Amerika zwar geschafft habe, nun aber furchtbar leide, weil der Göttergatte sich wirklich für Gott hält.
„Dass sich so viele Frauen aus dem Osten als ‚Trophy Wives‘ hergeben, hat mit dem wahnsinnig sexistischen kommunistischen Erbe zu tun“, sagt Lacković. „Frauen waren sehr benachteiligt, patriarchale Strukturen, etwa beim Erbrecht, sehr lange wirksam. Männer waren Sexisten und auch Materialisten, und das bei kollektivem Mangel.“ Dass auch das seine historischen Wurzeln hat, zeigt sie auf der Bühne, wenn sie die Frauenunterdrückung vom Neolithikum übers Mittelalter bis ins Heute nacherzählt.
Es gelingt Lacković dank ihres geschickten Spiels mit Identitäten, viele unterschiedliche Gruppen anzusprechen. Menschen mit oder ohne Migrationshintergrund, Heteros und Queers, Alte und Junge. Nicht Spaltung, sondern Verbindung ist ihr Ziel. Wo die Politik versagt, schlägt die Stunde des Humors. Und Malarinas am Ende doch großes austroserbisches Herz hoffentlich auch noch sehr, sehr lange.
Termine für das aktuelle Programm „Trophäen-Raub“: www.malarina.com
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