Friedensnobelpreis für Maria Ressa!

Foto: Aaron Favila/AP Photo/IMAGO
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Zwei Tage lang schwieg die philippinische Regierung. Dann gratulierte sie Maria Ressa doch noch zum Friedensnobelpreis. Der Glückwunsch des Regierungssprechers endete allerdings mit einer unverhohlenen Drohung. Die Preisträgerin, erklärte er, sei eine „verurteilte Verbrecherin“.

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Das stimmt nicht ganz, denn das Urteil vom 14. Juni 2020 ist erstens nicht rechtskräftig – Ressa legte Berufung ein und ist seither gegen Kaution auf freiem Fuß. Zweitens ist es nicht rechtens. Sechs Jahre Gefängnis drohen der Journalistin, weil die von ihr gegründete Nachrichten-Plattform „Rappler“ angeblich einen Geschäftsmann „verleumdet“ haben soll: „Rappler“ hatte dem Mann Menschenhandel und Verbindungen zur Drogenmafia vorgeworfen. Das Gesetz, auf dessen Basis Ressa beschuldigt wurde, war aber zum Zeitpunkt des Artikels noch gar nicht in Kraft. Es liegt auf der Hand, dass die Anklage die nächste Zündstufe ist, mit der die Journalistin eingeschüchtert werden soll.

Ihre Kindheit war hart. Der Vater starb früh, die Mutter war auf der Flucht

Doch die unermüdlich lächelnde 58-Jährige will weitermachen mit der Berichterstattung über die „umstrittene, mörderische Anti-Drogen-Kampagne“ des Präsidenten Rodrigo Duterte, die „einem Krieg gegen die eigene Bevölkerung gleichkommt“, wie das Nobel-Komitee erklärte. „We hold the line!“ Wir halten die Stellung!, versicherte die Geehrte, die in diesem Jahr die einzige Frau war, die mit einem Nobelpreis ausgezeichnet wurde – und in 120 Jahren Friedensnobelpreis die 18. Frau, die die von der Pazifistin und Frauenrechtlerin Bertha von Suttner initiierte Auszeichnung bekam.

Maria Ressa ist schon als Kind durch eine harte Schule gegangen. Damals hieß sie noch Angelita Aycardo. Ihr Vater starb, als sie noch ein Baby war, ihre Mutter flüchtete vor der Marcos-Diktatur in die USA, wo sie einen Amerikaner mit italienischen Wurzeln heiratete. Sie holte die zehnjährige Maria und deren Schwester zu sich nach New Jersey. Der Stiefvater adoptierte die Mädchen und „die Lehrer in der Schule nannten mich bei meinem ersten Namen – dem der meisten philippinischen Mädchen – Maria.“ Aus Angelita Aycardo wurde Maria Ressa.

„Als philippinisches Mädchen war ich immer schüchtern, weniger aggressiv als meine amerikanischen Mitschüler. Ich war immer das jüngste und kleinste Kind in der Klasse“, erinnert sich Ressa. Aber das Mädchen kämpft sich durch und lernt von der amerikanischen „Wettkampforientiertheit“. „Ich habe heute das Beste aus beiden Welten“, sagt sie.

Als Investitgativ-Reporterin deckt sie "Trollarmeen" in den sozialen Medien auf

Maria Ressa studiert in Princeton Biologie und Englisch, schließt cum laude ab und geht 1986 als Fulbright-Stipendiatin zurück nach Manila. 1988 wird sie Leiterin des CNN-Studios, zunächst in Manila, dann im indonesischen Jakarta. Dort erlebt sie den Aufstieg der islamischen Fundamentalisten. Zwei Jahre nach 9/11 erscheint ihr Buch „Seeds of Terror.“ „Jeder größere Angriff von Al Quaida seit 1993 hat eine Verbindung zu Südostasien“, erklärte sie.

Fast zwei Jahrzehnte arbeitet die Investigativ-Reporterin für CNN. 2012 gründet sie, gemeinsam mit neun KollegInnen, ihr eigenes Medium, das Internet-Portal „Rappler“. Als vier Jahre später Präsident Duterte an die Macht kommt, muss die Journalistin feststellen, dass der despotische Machthaber nicht nur Killerkommandos gegen (vermeintliche) Drogendealer losschickt, sondern auch seine „Trollarmeen“ in die sozialen Medien.

„Jeder, der sich kritisch äußerte oder Fragen zu den Mordkommandos stellte, wurde brutal attackiert. Die Frauen am schlimmsten“, erklärt Maria Ressa. „Ich wurde als hässlich beschimpft, als Hündin oder als Schlange, und mit Vergewaltigung und Mord bedroht.“ Doch der „Rappler“ geht zum Gegenangriff über: Er entlarvt die Fake Accounts, mit denen die Regierung Fake News und Verleumdungen verbreitet. Die selbstbewusste Maria Ressa wird sogar bei Marc Zuckerberg persönlich vorstellig, um die Verantwortung von Facebook in dem „Propaganda War“ anzuprangern. Auch das ist eine Front in Maria Ressas Kampf für die Pressefreiheit. „Dies ist eine Schlacht um Fakten“, sagt sie. Die mutige Journalistin kann die Bestärkung durch den Nobelpreis, den sie am 10. Dezember in Oslo bekommt, bestens gebrauchen.

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