Marilyn Monroe: Ein Mordfall

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"Die Nacht, in der Kennedy Marilyn sterben ließ..." Mit dem Satz titelte im Juni 91 die linksintellektuelle französische Wochenzeitschrift "L'autre Journal" und trat auch gleich den Beweis für die suggestive Zeile an: Das Journal brachte einen Vorabdruck aus einem Buch von Leslie Gormine und Sacha Hobler über das Leben und den Tod von John F. Kennedy, für das die Journalisten sechs Jahre recherchiert haben, und das im Frühling 1992 in den USA erscheinen wird. Das französische Journal druckte ein besonders brisantes Kapitel vorab: Es geht darin um Marilyn Monroe, um das Verhältnis der Kennedy-Brüder mit ihr und um den Tod.

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Dienstag, 24. Juli 1962. Gegen 23 Uhr erscheinen drei hohe Geheimagenten im Weißen Haus, die auf ein sofortiges Gespräch mit dem Präsidenten gedrungen hatten, ohne ihre Namen aufzudecken. John F. Kennedy, beunruhigt, hatte daraufhin seinen Bruder Bob gebeten, das Gespräch versteckt in einem der Nebenräume mitanzuhören.
Die drei Geheimagenten machen einen sehr sicheren Eindruck, sie treten bestimmter auf als der Präsident selbst. In dem von den Journalisten wörtlich wiedergegebenen Gespräch hat der erste Mann des mächtigsten Staates der Welt den CIA-Männern Rede und Antwort zu stehen.
Die drei kommen - bei Fruchtsaft, Mineralwasser, Gin und Whiskey - rasch zur Sache. Das Gespräch geht über zwei Stunden. Sein wesentlicher Inhalt:
K.R., der Wortführer der CIA-Agenten, fragt den Präsidenten, ob er "in den letzten Wochen erneut der Liebhaber von Mrs. Monroe" gewesen sei. Kennedy, der zunächst ironisch reagiert, windet sich und gibt dann zu: ,,I say yes". Nun fragt K.R., ob auch sein Bruder Robert seines Wissens "erneut der Liebhaber dieser Frau" sei? "Soweit ich weiß, ja", antwortet John F. Kennedy. Von wem er das erfahren habe, von seinem Bruder oder von ihr? Kennedy weicht zunächst aus, räumt aber dann ein: "Von ihr."
Nun fragt K.R. den Präsidenten, ob er wisse, daß Mrs. Monroe seit einigen Monaten eine feste Beziehung mit einem Mann habe, der ein intimer Freund von Jimmy Hoffa sei (der Vorsitzende der Fernfahrer-Gewerkschaft, der seinerseits ein Todfeind von Bob Kennedy ist). John F. Kennedy ist nicht überrascht. "Pech", sagt er, aber "so ist das Leben". Er sei bereits vom Chef des FBI, Edgar Hoover, darüber informiert worden.
Daraufhin fragt K.R. den Präsidenten, ob er denn auch wisse, daß Mrs. Monroe vorhabe, ihre Memoiren zu schreiben, genauer gesagt: sie zu diktieren. Und daß der Freund von Hoffa sie dabei filmen wolle. Kennedy ist überrascht, bleibt jedoch scheinbar gelassen. Sein einziger Kommentar: "Eine ausgezeichnete Idee. Jede Aktivität, die ihr helfen kann, die augenblickliche schwierige Phase zu überstehen... Sie verstehen..."
K.R. insistiert: "Der Film wird großen Schaden anrichten." Kennedy abrupt: "Und was schlagen Sie vor?" K.R.: "Wir wollen Ihr Einverständnis dafür, entsprechend zu handeln, so daß dieser Film nicht gedreht werden kann." Kennedy: "Und dann?" K.R.: "Das ist alles, Mister President."
Nach einer Zeit des Schweigens steht John F. Kennedy auf, begleitet die drei CIA-Agenten zur Tür und fragt: "Wohin gehen Sie jetzt? Zum Vizepräsidenten?" (Lyndon B. Johnson, der nach der Ermordung Kennedys Präsident wird). Schweigen.
Kennedy wendet sich ab und sagt im Gehen einen letzten Satz. Von diesem Satz gibt es zwei Versionen. Zwei der Agenten behaupten, der Präsident habe gesagt: "God bless you" (Gott segne Sie). K.R. aber ist sich sicher, daß er sagte: "God bless her" (Gott segne sie).
Einige Stunden später, im Morgengrauen, sehen ein Dienstmädchen und ein Bodyguard John und Bob im Weißen Haus an einem Tisch sitzen. Schweigend. Die beiden Brüder sehen sehr nachdenklich aus. Zehn Tage später ist Marilyn Monroe tot. Ihr Arzt findet sie am Morgen des 5. August 1962 leblos in ihrem Bett. AP, die amerikanische Presseagentur, tickert die Nachricht in die Welt: "Hollywood. Die schöne blonde Marilyn Monroe, ein glitzerndes Symbol für die aufregende und bunte Welt Hollywoods, starb am Samstag unter tragischen Umständen. Man fand ihren leblosen Körper unbekleidet im Bett, wahrscheinlich Selbstmord... Der seit langem leidgeprüfte Star hielt mit der einen Hand das Telefon umklammert. Daneben lag eine leere Packung Schlaftabletten."
Die Liste der Telefonate, die Marilyn Monroe am Tag ihres Todes geführt hat, verschwindet spurlos. Die Untersuchungen der Todesursache werden abrupt eingestellt. Die Presse spricht von einem "geheimnisvollen Druck auf die Ermittlungsbehörde". Am 28.8.62 wird der Totenschein ausgestellt.
Seither haben die Gerüchte um Marilyns Tod und seine Verbindung zu den Kennedy-Brüdern nie aufgehört. Gormine und Hobler sind nicht die ersten, die behaupten, es sei Mord gewesen, und auch nicht die ersten, die sagen, der CIA habe seine Finger im Spiel gehabt. Aber sie sind die ersten, die dafür minutiöse Beweise aus CIA-Kreisen vorlegen.
Die Autoren beenden das Kapitel Marilyn mit den Worten: "Noch nicht einmal 500 Tage werden vergehen, bis John F. Kennedy unter den Kugeln zusammenbricht. Von denselben Mördern? Die Antwort lautet: Ja. Einige Zeit später wird Bob dran sein."
Der liberale Kennedy-Clan, von dem zwei Brüder Anfang der 60er an die Spitze der Macht gelangt waren (John als Präsident, Bob als Justizminister) paßte den konservativen und erzkonservativen Kräften in den USA nicht. Gormine und Hobler glauben, den harten Kern des Komplotts ausgemacht zu haben: Der texanische Multimilliardär Lamar Hunt soll unter dem Code Two MadB (B für buster: zwei verrückte Jungs) jahrelang gemeinsam mit Leuten aus dem Kongress, dem Senat, der Wirtschaft und den Medien die Ermordung der beiden Kennedy-Brüder vorbereitet und in Auftrag gegeben haben. Marilyn Monroe scheint dabei nur ein zufälliges weiteres Opfer gewesen zu sein.
Die Schauspielerin, die damals zwar auf der Höhe ihres Ruhms, gleichzeitig aber in einer schweren psychischen Krise war, war in ihren letzten Lebensjahren tabletten- und alkoholabhängig. Ihre Beziehung zu dem für seine zahllosen Frauenaffären bekannten John F. Kennedy scheint sie im November 1961 begonnen zu haben, die mit Robert kam wohl dazu. Gute Brüder teilen eben alles...
Als Marilyn Monroe drei Monate vor ihrem Tod, am 19. Mai 1962, ihr berühmtes Geburtstagsständchen für John F. Kennedy singt ("Thank you, Mr. President"), kommt sie, wie seit Jahren überall, zu spät. Peter Lawford präsentiert sie den Gästen am Mikrophon mit den ironischen Worten: "The late Marilyn Monroe". Late   heißt verspätet, aber es heißt auch verstorben. Noch nicht einmal drei Monate später ist Marilyn Monroe tot.
Thank you, Mr. President.
EMMA August 1991

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