Mayim Bialik: Die Nerdin

Sheldon und Amy in "Big Bang Theory".
Artikel teilen

Den Ruf einer Exotin hat sich Mayim Bialik in Hollywood hart erarbeitet. Nach einer Karriere als Kinderstar – die sie ganz gegen den Trend ohne Alkohol- und Tablettenexzesse überstand – schloss sie ein Studium an einer Elite-Universität ab, wurde Mutter, veröffentlichte drei Bücher und startete einen Blog. Bei groknation.com schreibt die 41-Jährige quasi täglich über Feminismus, Kindererziehung und die Tücken der Filmbranche. Dabei steht Bialik gleichzeitig weiter vor der Kamera. Als zynische Neurowissenschaftlerin Amy Farrah Fowler ist sie seit acht Jahren fester Bestandteil der Erfolgsserie „The Big Bang Theory“.

Nach Turbulenzen um die vieldiskutierte Honorarkluft zwischen Schauspielerinnen und deren männlicher Co-Stars gelang Bialik jetzt einer der ungewöhnlichsten Gagensprünge der amerikanischen Fernsehgeschichte. Ihr vergleichsweise schmales Honorar in Höhe von 200.000 Dollar je TBBT-Episode wurde für die nächsten zwei Jahre auf 450.000 Dollar aufgestockt – durch freiwillige Honorarkürzungen ihrer Co-Stars Kaley Cuoco, Jim Parsons, Johnny Galecki, Kunal Nayyar und Simon Helberg, die auf „Amy“ nicht verzichten wollten.

Dass Bialik sich in Hollywoods sorgsam ausstaffierter Kunstwelt durchgesetzt hat, grenzt an ein Wunder. Während die meisten SchauspielerInnen Dutzende Eingriffe der Schönheitschirurgen über sich ergehen lassen, einen Personal-Trainer anheuern und den Fans nur aus der Distanz roter Teppiche begegnen, setzt sie auf Authentizität. Die Haare trägt „Mayim“, wie sie bei ihren AnhängerInnen heißt, weiter unblondiert und lang, und ihre Figur ist von Hollywoods Size Zero erfrischend weit entfernt. „Ich halte nicht viel von Anpassung“, fasst Bialik ihren Lebensstil zusammen.

Ähnlich ungefiltert lässt sie die Welt seit zwei Jahren auf der Website an ihrer Einstellung zu Religion, veganer Ernährung und Emanzipation teilhaben. Bialiks Video über die Unsitte, Frauen als „Girls“ zu verniedlichen, befeuert in den Vereinigten Staaten seit Wochen die Debatte über Sprache und Sexismus. Sie warnt: „Wenn wir erwachsene Frauen mit Begriffen belegen, die normalerweise Kinder beschreiben, ändert das die Perspektive. Unbewusst nimmt die Gesellschaft Frauen dadurch nicht auf derselben Stufe wie Männer wahr. Frauen werden als minderwertig gesehen.“

Auch Auftritte wie der in der „Late Late Show“ festigen Bialiks Ruf, eine der überzeugtesten Feministinnen in der Männerdomäne Hollywood zu sein. Als der Moderator Piers Morgan in der Talkshow erzählte, nach der Kritik an Susan Sarandons Dekolleté von Feministinnen beschimpft worden zu sein, stand die Schauspielerin auf und öffnete ihr Wickelkleid. „Ich schließe mich den Feministinnen an“, sagte sie in aller Seelenruhe – und zeigte ihre Brüste. Das Publikum brach in frenetischen Applaus aus.

Mayims Versuche, Hollywoods Tabuthema Religion in die Öffentlichkeit zu tragen, treffen dagegen auf ein geteiltes Echo. Die Tochter einer Lehrerin und eines Dokumentarfilmers, die nach progressiv-jüdischen Regeln in Südkalifornien aufwuchs, ist heute eine Anhängerin der modernen Orthodoxie. Im Unterschied zu anderen Hollywood-Stars verzichtet Bialik auf tiefe Ausschnitte und aufreizende Roben. Mit ihren Söhnen Miles und Frederick aus der geschiedenen Ehe mit dem Unternehmer Michael Stone hält sie den Sabbat ein. Dass sie ihren jüdischen Glauben auch in sozialen Medien thematisiert, bringt ihr regelmäßig giftige Kommentare ein – aus der Unterhaltungsbranche, aber auch von AnhängerInnen.

Wie wenig Bialik sich davon erschüttern lässt, zeigte in diesem Frühjahr die Debatte über die Vereinbarkeit von Zionismus und Feminismus. Ein Interview, in dem die – verschleierte – palästinensisch-amerikanische Frauenrechtlerin Linda Sarsour Feministinnen absprach, den jüdischen Anspruch auf einen autonomen Staat Israel unterstützen zu dürfen, holte die „eiserne Zionistin“ zu einem verbalen Gegenschlag aus. „Dem Zionismus eine Unvereinbarkeit mit Feminismus vorzuwerfen, ist außergewöhnlich kurzsichtig. Es ist borniert“, kritisierte Bialik Sarsour. Sie erinnerte die muslimische Aktivistin an Gewalt gegen Frauen in muslimischen Ländern wie: Zwangsehen und Vergewaltigungen zur Vergeltung.

Sarsour, Mitorganisatorin des Washingtoner Frauenmarsches, hielt sich bedeckt. Ihre AnhängerInnen aber ließen ihrer Wut freien Lauf. Bialik berichtete von Beleidigungen bis hin zu Drohungen. Der Hasswelle, die ihr in sozialen Netzwerken entgegenschlägt, hielt sie stand: „Ich will mir keinen Maulkorb umhängen lassen.“

Mit ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Unabhängigkeit war Bialik schon in den Neunzigern zum Vorbild für Millionen junger Amerikanerinnen geworden. Nach Gastauftritten in kleineren Produktionen und der Rolle als junge Bette Midler in Gary Marshalls Filmdrama „Freundinnen“ entdeckte der Produzent Don Reo die damals 14-Jährige für die Sitcom „Blossom“. Als unbeholfene Heranwachsende mit einem Faible für blumengeschmückte Schlapphüte ließ sie ihre jugendlichen Fans an Erfahrungen mit sexueller Belästigung, Essstörungen und Rauschgift teilhaben.

Als die Serie nach fünf Jahren abgesetzt wurde, wechselte der Jungstar von der Filmbranche an die Universität (ganz wie Jodie Foster und Emma Watson). An der University of California in Los Angeles (UCLA) begann sie ein Studium der Neurowissenschaften, das sie mit einem Doktortitel abschloss.

Als die Produzenten der Serie „The Big Bang Theory“ anriefen, um Bialik den Part der Freundin des Hauptdarstellers Jim Parsons alias Sheldon Cooper anzubieten, sagte sie spontan zu. Die Rolle der Neurowissenschaftlerin Amy Farrah Fowler brachte der Schauspielerin und Wissenschaftlerin mehrere Emmy-Nominierungen – und einen Bekanntheitsgrad, der von Hollywoods Klischees weit entfernt ist.

Christiane Heil

Ausgabe bestellen
Anzeige
'
 
Zur Startseite