Medaillen-Hoffnungen?

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SANJA JILWAN RASUL - BREAKING
„Breaking“ ist in Paris zum ersten Mal als olympische Disziplin dabei. Der Tanz aus der subversiven Hip-Hop-Kultur, der in den 1970ern in der Bronx aufkam, war lange Zeit eine Sache für coole Jungs. Die Kölnerin Sanja Jilwan Rasul, Künstlername Jilou, räumt mit dem Klischee schon seit einigen Jahren auf. Als einzige Deutsche gehört sie im Breaking zur Weltspitze. Und sie ist keine 18, wie meisten TänzerInnen, sondern 30 Jahre alt. 1999, mit sechs, hat sie in Köln mit dem Turnen angefangen. Weil ihr das aber zu langweilig war, hat sie beim Zirkus mittrainiert. 2006 erzählte ihr ihre Mutter von einer Doku, in der es um Breaking geht. Turnen, Zirkus, Kunst, Ausdruck, Freiheit, das sei doch ihr Ding, hatte die Mutter gesagt – und Recht behalten. Jilou breakt sich durch Deutschlands Jugendzentren, gibt Tanzunterricht, lebt oft auf dem letzten Cent. Dann klopfte Olympia an die Tür, und alles änderte sich. Nationalkader, Bundestrainer, Olympiastützpunkt, Sporthilfe. Jilou, mittlerweile in Berlin heimisch, bekommt ihren ersten Athletenvertrag mit Top-Sponsor.
In Paris wird sie auf dem Place de la Concorde mit Live-DJ um eine olympische Medaille breaken.

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Mikaelle Assani hat die sieben Meter im Visier. Foto: imago images/Beautiful sports
Mikaelle Assani hat die sieben Meter im Visier. Foto: imago images/Beautiful sports

MIKAELLE ASSANI WEITSPRUNG
Im Weitspringen hat Deutschland durch diese drei Frauen aus Baden-Württemberg wortwörtlich die Nase vorn: Malaika Mihambo, Laura Raquel Müller und Mikaelle Assani. Letztere könnte in Paris allen davonspringen. Seit 2018 heißt die deutsche Weitsprung-Abräumerin eigentlich Malaika Mihambo. Doch im Februar 2024 zeigte Mikaelle Assani in Leipzig plötzlich, dass auch sie mit 6,91 Metern auf dem Sprung zu olympischen Medaillen steht (Mihambo sprang 6,93). Die 21-jährige Karlsruherin, die neben dem Sport in Vollzeit Bio-Ingenieurswesen studiert, kämpft nun an der Weltspitze mit, die magische Sieben-Meter-Marke ist nahe. „Natürlich sind wir Konkurrentinnen. Aber Malaika ist für mich wie eine große Schwester“, sagt Mikaelle. Wichtigstes Wettkampf-Ritual: Ihre Mutter, eine Friseurin, macht ihr vorher die Haare. Natürlich fährt auch die Mutter mit nach Paris.

 

Pauline Schäfer Betz auf dem Schwebebalken. Foto: imago images/Frank Hoermann
Pauline Schäfer Betz auf dem Schwebebalken. Foto: imago images/Frank Hoermann

PAULINE SCHÄFER-BETZ TURNEN
Der Turnerin aus Chemnitz ist es zu verdanken, dass Deutschland beim Turnen der Frauen doch noch bei Olympia startet. Ihr Team hatte die Qualifikation leider hauchdünn verpasst, aber Schäfer-Betz sicherte sich durch ihre grandiose Leistung bei der WM in Antwerpen einen Einzel-Startplatz. Dass die 27-jährige Pauline kämpfen kann, zeigte sie schon bei den Spielen in Tokio. Dort setzte sie sich federführend dafür ein, dass sie und ihre Kolleginnen nicht mehr in den knappen Badeanzügen auf den Schwebebalken und die Turnmatte gehen, sondern in Ganzkörper-Turnanzügen, den sogenannten Unitards. „Wir haben keine Lust mehr auf die Sexualisierung unseres Sports“, sagte Pauline damals. „Und außerdem wollen wir ein Vorbild für all die kleinen Mädchen sein, die Turnerinnen werden wollen!“ Die deutschen Turnerinnen hatten mit den Ganzkörperanzügen eine kleine Revolution ausgelöst. Und selbstverständlich wird Pauline auch in Paris im Unitard starten.

 

Leonie Beck erreicht Italiens Küste. Foto: Imago Images/Frank Hoermann
Leonie Beck erreicht Italiens Küste. Foto: Imago Images/Frank Hoermann

LEONIE BECK - FREIWASSERSCHWIMMEN
Am 8. August wird die Seine zum Wettkampfbecken. Dann werden die Freiwasserschwimmerinnen zehn Kilometer durch sie hindurchpflügen, mitten in Paris. Leonie Beck gilt als das deutsche „Freiwasserwunder“. Sie ist die erste deutsche Frau, die sich fürs Freiwasser, das sogenannte „Open Water“ qualifizieren konnte. Das Schwimmen im offenen Wasser gehört zu den härtesten Olympia-Sportarten und war lange eine absolute Männerdomäne. Der Wind, die Wellen, die Wassertemperatur und die Strömungen machen jedes Rennen anders. Leonie ist vom Becken ins offene Wasser gewechselt, weil „die Langstrecke einfach die größere Herausforderung“ ist. Die gebürtige Augsburgerin ist dreifache Weltmeisterin. Für Paris hofft die 27-Jährige auf warmes Wasser, denn das bringt ihr ein paar extra Sekunden. Und das könnte in ihrem Fall Gold bedeuten.

 

Camilla Kemp und die perfekte Welle. Foto: Instagram/Kemp
Camilla Kemp und die perfekte Welle. Foto: Instagram/Kemp

CAMILLA KEMP - SURFEN
Deutschland war noch nie die große Surfer-Nation. Gut, das mag an der Wellen-Lage liegen. Aber bei diesen Spielen könnten wir eine werden. Und zwar dank einer Frau: Camilla Kemp. Die 28-Jährige hat sich als erste deutsche Surferin überhaupt für die Olympischen Spiele qualifiziert. Gesurft wird allerdings nicht auf der Seine oder an der Atlantikküste, sondern auf Tahiti, französisch Polynesien, etwa 15.000 Kilometer entfernt von Paris. Denn da schwappt die berühmt-berüchtigte Teahupoo-Welle, die spektakulärste, wenn auch gefährlichste Welle der Welt, die hohlräumig über einem Korallenriff bricht. Deswegen wird dort auch mit Helm gesurft. Surfen ist in diesem Jahr erst zum zweiten Mal olympisch, am 27. Juli ertönt das Startsignal. Kemp, die im wellenreichen Portugal aufgewachsen ist, gilt als große Medaillenhoffnung. Sie ist fest entschlossen, eine ordentliche Welle zu machen: „Für Mädchen und junge Frauen in Deutschland will ich gerne die Vorreiterin sein!

 

Satou Sabally für Deutschland. Foto: Imago Images/Beautiful Sports
Satou Sabally für Deutschland. Foto: Imago Images/Beautiful Sports

SATOU SABALLY - BASKETBALL
Sie ist für die deutschen Basketballerinnen das, was Dennis Schröder für die Männer ist: Der Star, der die ganze Mannschaft trägt – und jeden zweiten Korb wirft. Qualifiziert haben sich die deutschen Basketballerinnen im Februar in Brasilien, nach einem straßenkampfähnlichen Fight. Sabally holte 20 Punkte, mit dick verbundenem Wurfarm, den sie vor Schmerzen kaum bewegen konnte. „Der beeindruckendste Basketball, der je mit einem Arm gespielt wurde“, titelten die Medien. Sabally, 26, spielte seit 2017 in der NBA der Frauen in den USA, 2023 wechselte sie nach China. Ihr Vater stammt aus Gambia, die Mutter ist Deutsche. Geboren wurde sie in New York. Als Satou drei Jahre alt war, gingʼs nach Berlin. Mit acht Jahren wurde sie auf dem Spielplatz wegen ihrer Größe entdeckt und zum Kids-Basketball-Day einer Schule eingeladen. Der Beginn einer großen Karriere. Heute kritisiert Sabally offen die Gehaltsunterschiede von Männern und Frauen im Basketball. Als sie für die „Dallas Wings“ spielte, sprach sie sich gegen die rigiden Abtreibungsregelungen in Texas aus und in Berlin hat sie nun einen Basketball-Platz nur für Mädchen gebaut.

 

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