Mehr Frauen in die Parlamente!
Stell dir vor, es ist Bundestagswahl 2021 - und alle Parteien haben ihre Wahllisten abwechselnd mit Frauen und Männern besetzt. In den Wahlkreisen treten als DirektkandidatInnen überall Tandems an: ein Mann und eine Frau. Sie können nur im Doppelpack gewählt werden. Nicht alle Parteien sind davon begeistert. Aber es bleibt ihnen nichts anderes übrig. Denn: Deutschland hat jetzt – wie acht weitere europäische Länder – ein Paritätsgesetz.
Vier von fünf Abgeordneten der Union sind männlich.
Noch gibt es dieses Gesetz nicht, aber überall arbeiten Frauen mit vereinten Kräften daran. Gerade hat nun der Deutsche Frauenrat, Dachverband von 60 Frauenorganisationen, eine Kampagne lanciert: Mehr Frauen in die Parlamente! „Wir fordern die in den Parlamenten vertretenen Parteien auf, im Rahmen von Wahlrechtsreformen sicherzustellen, dass Männer und Frauen je zur Hälfte die Mandate in den Parlamenten innehaben – sowohl bei Listenmandaten als auch bei Direktmandaten“, heißt es in dem Aufruf, den zum Kampagnenstart über 200 ErstunterzeichnerInnen unterstützen.
Die Front ist breit: Der Verband Deutscher Unternehmerinnen ist ebenso dabei wie der Landfrauenverband; der Deutsche Hebammenverband ebenso wie die Autonomen Frauenhäuser; der Katholische Deutsche Frauenbund ebenso wie der Deutsche Evangelische Frauenbund. Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) hat unterzeichnet, die Ehrenvorsitzende der CDU-Frauenunion auch, die frauenpolitische Sprecherin der Grünen ist dabei und sogar die Vorsitzende der Liberalen Frauen. Und auch Alice Schwarzer und Anne Will gehören zu den ErstunterzeichnerInnen.
Sie alle haben spätestens nach der letzten Bundestagswahl gesehen: Ohne Gesetz wird es nichts mit der halbe/halbe-Besetzung der Parlamente. Vor der Wahl hatten noch 37 Prozent weibliche Abgeordnete im Bundestag gesessen, danach waren es nur noch knapp 31 Prozent – so wenig wie zuletzt vor 20 Jahren. „Von der Regierungsbank aus schaue ich auf ein Meer von grauen Anzügen“, hatte Bundesjustizministerin Katarina Barley das Bild kommentiert, das sich ihr seither im Bundestag bietet.
Negativer Spitzenreiter ist die AfD, deren Fraktion zu 90 Prozent aus Männern besteht. Aber auch bei der Union sind vier von fünf Abgeordneten männlich. Insgesamt stimmen in Berlin 218 Frauen über Gesetze ab – und 491 Männer. Kein Wunder: von 3.943 Listenplätzen waren nur 1.249 mit Frauen besetzt. Noch dünner wird die Luft für Frauen bei den Direktmandaten: Für insgesamt 2.559 Direktmandate hatten die Parteien nur 640 Frauen aufgestellt.
Ohne Gesetz wird es nichts mit der halbe/halbe-Besetzung.
Die Zeit, das zu ändern, ist nicht nur reif, sondern auch günstig. Gerade arbeitet eine Kommission daran, das Wahlrecht zu reformieren, um das mittlerweile auf über 700 Abgeordnete gewachsene Parlament zu verkleinern. Dies ist also der Moment für die Frauen, die geplante Reform zu nutzen. „Wir fordern die Frauen in den Parlamenten auf, fraktionsübergreifende Initiativen für Parität in den Parlamenten zu ergreifen und einer Wahlrechtsreform ohne Parität nicht zuzustimmen“, heißt es in dem Aufruf des Deutschen Frauenrats. „Die Beispiele in anderen Ländern zeigen: Wenn der politische Wille für gleichberechtigte Teilhabe in den Parlamenten vorhanden ist, sind auch rechtliche Änderungen möglich.“
Im Herbst 2021 sind wieder Bundestagswahlen, ein Jahr vorher beginnen die Nominierungen der KandidatInnen. Bis dahin muss der Bundestag die Wahlrechtsreform verabschiedet haben. Der Countdown läuft.