Mein Leben als Trotzdem-Mutter
Immer, wenn über Mutterschaft mit ihren Tücken neu verhandelt wird, fehlt vor allem eines: eine Lösung. Die Ausgangsbasis: Die Kleinfamilie wird sich in nächster Zeit genauso wenig auflösen wie das Kita-Platz-Problem. Eier einfrieren lassen erscheint vielen Frauen ebenso absurd wie die Option, mit 60 noch schwanger zu werden.
Noch immer grätscht ein Kind in den Beruf, und noch immer ist der Großteil aller Väter nur dabei statt mittendrin. Bleibt eigentlich nur ein Fazit: Lasst es lieber! Gibt nur Ärger.
Diese Option aber ist für mich passé, ich habe bereits zwei Kinder. Und ich habe die Entscheidung keine Sekunde bereut.
„Jetzt haltet mal den Rand!“, das möchte ich so manches Mal all denen entgegnen, die meinen, sich mal wieder über Mütter auslassen zu müssen. Hier die versnobten Latte-Macchiato-Mütter, da die verrückten Helikopter-Glucken. Haha.
Dann wären da noch die zutiefst zu bedauernden Alleinerziehenden, die Bugaboo-schiebenden Prenzlauer-Berg-Mamas und die veganen Schnippel-Muttis, die mit Superfoods ihre Familien fit machen. Nicht mehr das Mutterkreuz ist die Krönung der Schöpferinnen, sondern der Windelfrei-Eimer, dessen Nutzung Babys Po vor Chemie und dazu noch unsere Umwelt rettet. Karriere machen darf die Mama zwar immer noch nicht, aber nur zu Hause bleiben ist ja wohl total 50er.
Was bei der Diskussion um Mutterschaft fehlt: Ehrlichkeit!
Wenn Mütter all das ernst nehmen würden, was ihnen da suggeriert wird, dann gäbe es bald keine mehr. Doch die Realität sieht anders aus. Mütter sind immer noch Menschen, und die sind bekanntlich verschieden. Lasst ihnen doch den Kaffee! Vielleicht brauchen sie den nach der durchwachten Nacht. Und nicht jede Mutter helikoptert, nur weil sie mal mit auf dem Spielplatz hockt. Ich mache das manchmal auch. Weil ich zwar meinem Kind, aber nicht allen Mitmenschen vertraue.
Jenseits aller Klischees und Rollenzuschreibung sollte es bei einer ernstzunehmenden Diskussion über Mutterschaft doch wohl vor allem um eines gehen: Ehrlichkeit. Zum Beispiel darüber, was auf Frauen zukommt, wenn sie Mutter werden.
Ja, dein Leben wird sich grundlegend ändern. „Ich hab‘ auch noch ein Leben!“ höre ich oft von Vätern, die glauben, zu kurz zu kommen. Die Wahrheit ist: Nein, hast du nicht. Hat deine Frau ja auch nicht! Zumindest nicht im ersten Baby-Jahr, da müssen Eltern sich zusammenreißen und hintenanstellen. Ihr werdet nicht in Jahreszeiten, sondern in „Phasen“ leben. Phasen, die vorübergehen und die im Nachhinein gar nicht so schlimm waren. Einige werdet ihr sogar genießen.
Jede zweite Ehe wird derzeit in Deutschland geschieden, die meisten, wenn das Kind ein Jahr alt wird. Der am häufigsten genannte Grund ist „mangelndes Verständnis“ der/des anderen. Um sich verstehen zu können, muss man miteinander reden, Pflichten klären, einen verbindlichen Pakt darüber schließen, wie ein Familienleben aussehen soll, mit dem beide zufrieden sein können.
Frauen verhandeln nicht - aus Angst vor Liebesverlust
Aus Angst vor Liebesverlust vergessen Frauen oft, über die Arbeitsteilung zu verhandeln und die Väter in die Pflicht zu nehmen. Und dann haben sie den Salat.
Krankenkassen sollten mal darüber nachdenken, nicht nur Geburtsvorbereitungskurse zu finanzieren, sondern auch in die Nachsorge zu investieren. Dank Hebammennotstand stehen viele frischgebackene Mütter allein auf weiter Flur. Und entgegen der allseitigen Annahme, dass das Wissen über die Baby-Versorgung so etwas wie gottgegeben ist, bräuchten sie viel öfter einen guten Rat, wenn das Baby da ist. Väter müssten ebenfalls besser auf die Zeit mit einem Baby vorbereitet werden, sich Klarheit darüber verschaffen, was sich ändern wird. Und das geht weit über ein munteres Sexualleben und ein sauberes Auto hinaus.
Und FrauenärztInnen müssten aufhören, werdende Mütter verrückt zu machen. Wie viele Sorgen in Bezug auf die Gesundheit des werdenden Kindes lösen sich später in Luft auf? Oft würden schon bessere Ultraschallgeräte die ständige Orakelei hinfällig machen.
Vor allem: Frauen mit und ohne Kinder sollten sich nicht voneinander abgrenzen, sondern zusammenhalten, schon aus Solidarität zur eigenen Mutter. Und Mütter sollten aufhören, kinderlose Frauen zu bemitleiden.
Auch die Mütter müssen nicht alles mitmachen, nur weil es „alle“ machen. Nicht alle Frauen wollen sich „Hänschen klein“ singend in der Krabbelgruppe über den Boden wälzen. Und wenn doch, dann ist das doch auch okay. Wer sonst ein todernstes Leben hat, der genießt es vielleicht, für ein paar wenige Monate in der wohligen Babyblase zu kullern. Die Zeit vergeht so schnell.
Okay, wenn das Stillen klappt; wenn nicht, geht die Welt auch nicht davon unter. Psychischer Stress der Mutter ist viel blöder für das Kind als Fertig-Milch.
Es muss für beide Eltern normal werden, Elternzeit zu nehmen
Und Alleinerziehende brauchen keine Beileidsbekundungen, sondern gerechte Steuern und flexible ArbeitgeberInnen. Fehlende Kita-Plätze sind nicht der einzige Grund für den Geburtenrückgang, sondern auch Arbeitszeiten, die Müttern und Vätern weder Sicherheit noch Flexibilität bieten. Es sollte für beide Elternteile normal sein, gleichermaßen Elternzeit zu nehmen. Noch immer wird kein Mann, der drei Kinder hat, gefragt, wie er das denn wohl schaffe.
Grundsätzlich sollte es einfach normaler sein, ein Kind zu bekommen und zu haben, finde ich. Das funktioniert in anderen Ländern ja auch. Mein Leben mit Kindern ist das Beste, was ich mir vorstellen kann. Mein Sohn und meine Tochter bringen mich zwar manchmal an meine Grenzen, nicht aber an den Rand der Verzweiflung. Und ich habe selten so viel gelacht.
Die zwei erleben eine 50/50 geteilte Elternschaft. Was zu machen ist, wird gemacht, von beiden Eltern. Wir wickeln beide, kochen Essen, kaufen ein, putzen das Klo, gehen zur Kinderärztin, auf den Spielplatz oder zum Elternabend in den Kindergarten. Aber eines muss ich zugeben: Meine Kinder haben nicht eine Mutter und einen Vater, sondern zwei Mütter. Doch warum sollte nicht einer Frau und einem Mann dasselbe gelingen, was auch zwei Frauen schaffen?
Annika Ross