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Und wenn mein Sohn kämpfen will?

Einen Sohn zu haben, hatte sich Hannah Lühmann immer einfach vorgestellt. Was sollte schief gehen?
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Ich dachte, dass es einfacher sein würde, einen Jungen zu haben als ein Mädchen, weil es die Mutter-Tochter-Dynamik durchbrach. Mein Kind – so dachte ich – würde sich nicht damit herumschlagen müssen, zu ergründen, was es bedeutet, wie ich zu sein, weil es nicht wie ich sein würde.

Ich empfand so zu einer Zeit, in der – zumindest in meiner Bubble akademischer Großstädterinnen – eher das Gegenteil en vogue war: Ich habe oft von schwangeren Freundinnen gehört, sie wünschten sich ein Mädchen. Die Gründe sind offensichtlich: Mit der toxischen Männlichkeit wird es nicht besser, von Donald Trump über Putin bis hin zu Andrew Tate und Konsorten, es sieht nicht gut aus für den Mann der Zukunft. Etwas in mir – und sicher ist das aus feministischer Sicht ein grober Fehler – hat sich jedoch stets geweigert, in meinem Kind das Potenzial zu einem toxischen Mann zu sehen. Und so fuhr ich auch, ohne es so zu benennen, eine Art feministisches Minimalprogramm, das man so beschreiben könnte: viel Liebe, ein sehr zugewandter und weitgehend untoxischer Papa und eine working mom. Was sollte da schiefgehen?

Ich stehe mit dieser Haltung nicht allein da – wenn ich die Mütter all der netten, weißen, gebildeten Jungs aufsuchen würde, die sich im Laufe meines 38-jährigen Lebens an mich gedrängt, ein „Nein“ nicht akzeptiert und meine Freundinnen belästigt haben, dann würden die wahrscheinlich ganz ähnliche Erziehungsprinzipien benennen. Die Feministin Bell Hooks sieht den Schlüssel zur Veränderung von Männern bei den Müttern. Erst wenn die aufhörten, ihren Söhnen das Patriarchat beizubringen, könne wahrer Wandel entstehen.

Ich bin also in der Verantwortung. Ich glaube, wer heute einen Jungen feministisch erziehen will, hat es schwerer als die Mütter unserer Vorgängergeneration. Die kolossale Verunsicherung durch Erziehungsratgeber, Social Media und verschiedene ideologische Ansätze gilt insbesondere für die Jungserziehung. Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir Großstädterinnen uns so viel darauf einbilden, dass wir unseren Jungs erlauben, Glitzernagellack zu tragen, dass wir darüber den Rest vergessen.

Sicher, auch ich kenne es, dieses Gefühl, dass mein Sohn ein Kleid sieht, es schön findet, und in mir der Kampf beginnt zwischen meiner progressiven Seele und der Angst, mein Kind könnte gemobbt werden. Auch ich kenne den Blick der Schuhverkäuferin, die versucht, meinen Sohn wegzulotsen von den pinken Schuhen, die ihn begeistern, hin zu den blauen. Aber ich glaube, das sind Nebenschauplätze.

Ich glaube nicht an genderneutrale Erziehung. Ich wurschtele mich irgendwo zwischen nature und nurture durch. Natürlich glaube ich an die Macht der Sozialisierung, aber ich lasse ihn mit den Plastikpistolen spielen, ich bewundere seine Lego-Flieger, ich sage: Aber niemals auf Menschen zielen, auch nicht im Spaß.

2022 geschahen zwei Dinge, die das Verhältnis zu meinem geliebten Sohn, die Art, wie ich über ihn nachdenke, umwälzten.

Den ganzen Artikel in der Mai/Juni-Ausgabe lesen.

 

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