Beste Feindin - alles "Schmarrn"?
Neulich lieferten sich die aus „Sex and the City“ („SATC“) bekannten Schauspielerinnen Kim Cattrall und Sarah Jessica Parker (SJP) einen öffentlichen bitch fight auf Instagram. Der Anlass dafür ist leider traurig: Kims Bruder war tot aufgefunden worden, Kim postete die tragische Nachricht auf ihrem Account, und Sarah Jessica Parker hat, genau wie die anderen Drehkolleginnen, ihr Beileid und Mitgefühl per Kommentar darunter geäußert. Kim reagierte darauf, zur Überraschung ihrer Follower, mit gleich zwei erbosten Posts. SJP solle sie endlich in Ruhe lassen, sie sei eine Heuchlerin.
Können Männer Privates und Profession besser trennen?
So ein Gefühlsausbruch mit Einblick in das Privatleben eines Stars wird einem selten geboten. Schuld daran ist eine Entfremdung, die sich schon zu Beginn des Erfolgs der Serie 2008 zwischen Cattrall, die damals schon ein bekannter Filmstar war, und der noch relativ unbekannten SJP abzeichnete. Eine Entfremdung, die immer tiefer wurde und zur völligen Isolation Cattralls innerhalb des Teams führte. Bis sich Cattrall sogar weigerte, bei einem dritten „SATC“-Spielfilm mitzuwirken, weil sie seit Jahren keinen Kontakt mehr zu den anderen Schauspielerinnen hatte.
Woher kennen wir Geschichten dieser Art? Eine kommt neu dazu, die anderen, die sich schon kennen, rücken näher zusammen, und irgendwann redet niemand mehr mit der, die nicht dazugehört. Das sind Mädchengeschichten aus dem Kindergarten und der Grundschule. Oder aus amerikanischen Highschool-Filmen. Aber da wir Frauen anscheinend die kleine Ziege in uns mit großziehen, anstatt sie irgendwann wegzuschicken, sind das auch Geschichten aus dem reiferen Alter. Cattrall ist 61, Parker 52 Jahre alt.
Jetzt stellen wir uns einfach mal vor, es handle sich hier um vier Männerstars aus einer Weltserie. Drei der Männer haben sich über die Jahre hinweg zusammengerottet und den vierten Mann, der zu Beginn schon ein Star war, ausgeschlossen. Bei den Dreharbeiten zum letzten Mega-Filmhit haben die Männer nicht mehr miteinander gesprochen, und so weigert sich Mann vier, bei der nächsten Verfilmung mitzuspielen, trotz Monsterhonorar. Er ist beleidigt, weil die anderen drei Männer ihn seit Jahren nicht weiter beachten. Und dann passiert das, was hier eingangs geschildert wurde, auf Instagram, und Mann Nr. Vier teilt seinen mehr als eine halbe Million Followern explizit mit, dass keine Freundschaft zu seinen Kollegen besteht. – Warum lachen wir jetzt alle?
Frauenbeziehungen sind schwierig, im privaten oder beruflichen Umfeld. Da, wo Männer Privatleben und Profession gut trennen können, gibt es bei Frauen keine große Abgrenzung. Wäre Cattrall ein Mann, würde sie bei dem lukrativen Angebot das Geld und den Ruhm sehen, die in diesem Alter und in diesem Metier eine große Ausnahme sind, und emotionslos ihren Job machen, das Geld einstecken und keine großen Gefühle investieren: „Ist ja Business, das ist rein geschäftlich.“
Genauso unkompliziert geht es bei Männern im privaten Bereich zu. Während sie als buddies miteinander durch dick und dünn gehen und auch die härtesten Schicksale und Hochs und Tiefs miteinander durchstehen, ohne große Worte zu verlieren, sind selbst die innigsten Frauenfreundschaften jederzeit zerbrechlich wie dünnes Glas.
Ein falsches Wort, und eine zwölfjährige Freundschaft ist von der einen Minute zur nächsten vorbei. Und zwar für immer. Frauen „deleten“ sich einfach und haben leider danach auch das Bedürfnis, die ganze Welt darüber zu informieren, was ihnen die „deletete“ bitch angetan hat. Und man denkt sich: „Wo sind sie denn hin, die warmen Gefühle? Oder hat es sie nie gegeben?“
Männer haben das Thema Freundschaft von klein auf viel besser verstanden als wir Frauen. Das war auf dem Schulhof schon unübersehbar. Die Jungs hielten zusammen, die Mädchen stritten, zickten und hassten. Mal war die eine die beste Freundin, dann war es eine andere. Mädchen rotteten sich zusammen und bildeten Armeen gegeneinander.
Stehen Männer Hochs und Tiefs besser durch?
Wenn Männer einander sympathisch sind – und dazu reicht die gemeinsame Liebe zu Fußball, Autos oder irgendeinem anderen Hobby –, dann bleibt das meistens so fürs Leben, und keiner hackt auf dem anderen rum, weil er zu viel oder zu wenig Geld für seine Garderobe ausgibt, zu oft zum Friseur geht oder sich zu selten meldet. Hier könnten wir Frauen einiges von den Jungs lernen. Machen wir aber nicht.
Wir beneiden die Männer um das starke Band, das sie verbindet, weswegen manche von uns dieses Band oft auch gewollt und erfolgreich zerstören, um ihn zu schwächen. Und obwohl wir die Männer um ihren Zusammenhalt beneiden und selbst nichts so sehr genießen wie den Luxus einer platonischen, ehrlichen Freundschaft zu einem Mann, sind wir nicht in der Lage, das als Vorlage für unsere eigenen Freundschaften zu nehmen.
Die platonische Freundschaft einer Frau zu einem Mann, die ist so stabil wie ein Haus, sie steht einfach da, man kann hingehen und sich hineinsetzen und das Haus genießen oder auch nicht. Das Haus wird sich nicht davon beeinflussen lassen. Es steht da für immer. Eine Frauenfreundschaft kann jederzeit zusammenfallen wie ein Kartenhaus durch einen Windstoß.
Fragt man Männer, was der Grund für das Ende einer Freundschaft sein könne, nennen sie nur zwei Gründe: Erstens, wenn man geschäftlich über den Tisch gezogen wird, und zweitens, wenn der andere eine unerträgliche Partnerin hat und sich von dieser beeinflussen lässt. Die Gründe für Frauen dagegen, Freundschaften zu beenden, sind unzählbar. Sie reichen von „Sie hat meine Kleider nachgekauft“ bis zu „Sie hat sich mit meiner Feindin angefreundet“. Warum das so ist, hat nicht so viele, aber eindeutige Gründe:
1. Männer sind selten beleidigt. Aber Frauen ständig. Beleidigt, weil man als Letzte eingeladen wird. Beleidigt, weil die Freundin ein Geheimnis für sich behalten hat. Beleidigt, weil man bei einem Dinner nicht den richtigen Platz hatte. Beleidigt, weil man irgendwo nicht sofort vorgestellt wurde. So geht das die ganze Zeit. Wenn man einem Mann dreimal hintereinander am selben Tag die Verabredung absagt, ist es ihm egal. Wenn man ihn eine Stunde vorher zu einer Dinnerparty einlädt, freut er sich. Mit Frauen wäre die Hölle los.
2. Männer sind nicht nachtragend. Wenn man sagt: „Du hast doch letztes Jahr auch schon ein paarmal vergessen, mich abzuholen“, sagt er: „Wie? Das weißt du noch? Das sind doch alte Kamellen.“ Wir Frauen aber vergessen nie, wir haben daher immer genug Grund für negative Gefühle, denn wir sind ja wegen jeder Kleinigkeit beleidigt.
3. Männer sind unglaublich hilfsbereit. Man kann sie immer fragen, egal, ob man als Frau einen Tipp, einen Kontakt, technischen Support oder nur jemanden zum Schwere-Sachen-Heben braucht. Männer helfen gerne, und sie wollen nichts dafür. Frauen erwarten immer etwas. Auch wenn sie so tun, als wäre es nicht so. Wenn sie das Gefühl haben, sie würden nicht ausreichend für ihre Hilfe belohnt, dann holen sie sich das, was sie glauben, dass es ihnen zusteht, einfach. Und das Kartenhaus bricht zusammen.
4. Männer lästern nicht über Freunde. Und wenn sie über einen etwas Schlechtes zu sagen haben, dann reicht ein Satz, und man weiß: Die beiden dürfen nicht zusammen in einen Raum. Wir Frauen lästern immer, auch wenn es gar keinen Grund zu lästern gibt. Wir lästern, weil eine zu viel oder zu wenig redet, zu viel oder zu wenig isst, sich zu oft oder zu selten meldet, oder einfach so. Die Lästerei zeigt: Da fehlt ganz grundlegend der Respekt vor dem eigenen Geschlecht.
Männerfreundschaften muss man nicht hegen und pflegen. Weder will der Mann, dass von ihm regelmäßiges Melden erwartet wird, noch erwartet er es. Man kann sich ein ganzes Jahr nicht melden. Aber wenn man dann wieder auftaucht, freut er sich und will nur wissen, ob es einem gutgeht. Frauen erwarten regelmäßige Newsletter. Und wenn man eine aus dem Verteiler streicht, merkt sie es sofort, und dann: siehe oben.
Sind Männer einfach weniger neidisch?
Der letzte Grund, der das ganze Problem und die vorher genannten Gründe untermauert, ist der Neid. Wir Frauen sind grundsätzlich neidisch auf jede andere Frau. Auch wenn es keine rationalen Gründe gibt – wenn man etwa das, was die andere hat, gar nicht haben möchte, das Leben der anderen nicht leben möchte –, ist immer ein Grundneid vorhanden, der bei jeder Zurückweisung, Unsicherheit oder anderen Ängsten hochkommt und zu einem Vernichtungsmittel heranwachsen kann. Wir konkurrieren und vergleichen uns nonstop.
Natürlich verspüren Männer auch Neid, aber zum einen sind bei ihnen Neid und Hass nicht so nah beieinander gebaut, zum anderen können Männer einander auch etwas gönnen und sind sogar stolz, wenn der buddy sich Dinge leisten kann, die sie sich selbst nicht leisten können. „Mein buddy hat sich ein Boot gekauft, das liegt jetzt im Hafen und wartet auf uns im Sommer.“ Frauen können das sehr selten, zumal es bei uns nicht nur um materielle Dinge geht, sondern um alles. Schönheit, Erfolg, Aufmerksamkeit, Freunde, Männer, Geld, Prozente bei Chanel. Motto: Es gibt nichts, worauf neidisch zu sein, es sich nicht lohnen würde. Aber, liebe Freundinnen und Feindinnen: Nur, wenn man zusammenhält, ist man wirklich stark.
Der hier leicht gekürzte Text erschien zuerst in der Schweizer Weltwoche.