Wie wollt ihr gebären?
Soll in Zukunft eine Geburt so stattfinden: Hebammen haben es endlich aufgegeben, Frauen mit absurden Therapiemöglichkeiten, wie Massagen, Ölen, Badewannen, Globuli, Positionsveränderungen, Akupunktur oder sonstiger Scharlatanerie zu unterhalten. Der betreuende Gynäkologe macht lediglich Routineuntersuchungen und schießt einige 3D-Ultraschallbilder. Das ist zwar teuer, aber so kann er jeden Winkel des Ungeborenen sehen. Dazu noch die Herztonüberwachung durch das CTG, Fruchtwasseruntersuchung, intrauterine Blutentnahmen über Nabelschnurpunktion und Nackendichtemessung, Organscreening und Chorionzottenbiopsie. Der Arzt muss sich nicht um die „Wehwehchen“ des hysterischen Mikrokosmos Frau kümmern. Jede Frau muss sich selbst helfen – oder gilt als Versager. Auch die Frau im Wochenbett muss alleine zurechtkommen.
Was in dieser Zukunftsvision fehlt, ist die seelische Unterstützung. Mir als angehende Hebamme liegt es am Herzen, die Frauen während der Schwangerschaft so zu stärken, dass sie ihre Geburt selbstbestimmt erleben und mit Unterstützung bewältigen können.
Wir Hebammen gehen auf die Frau und ihre Bedürfnisse ein: Sie lernt mit ihrem Körper umzugehen, spürt die Veränderungen. Das Ziel in Sicht. Der Weg dorthin ist bei jeder unterschiedlich. Wir als Hebammen sind für sie und das Kind, welches schon bald das Licht der Welt erblicken wird, da.
Wir können aus moralischen Gründen nicht streiken
Während der dreijährigen Ausbildung mit Einsätzen auf verschiedenen Stationen und im Kreißsaal sammeln wir praktische Erfahrungen. Wir schärfen unsere Sinne und erkennen physiologische und pathologische Verläufe der Geburt. Wir überwachen kontinuierlich die kindlichen Herztöne. Hinzu kommen 1600 Theoriestunden, in denen Physiologie, aber auch Pathologie der Geburtshilfe, Schwangerschaft, Wochenbett, Anatomie, Pädiatrie, Krankheitslehre und vieles mehr abgedeckt werden. Einer Hebamme entgeht nichts.
Wir beobachten viel, wir reden, wir messen, wir dokumentieren, wir lachen, wir weinen mit den Frauen, wir trösten, wir begleiten, wir schützen und unterstützen.
Ich danke allen, die unsere Arbeit würdigen und ein Zeichen für eine selbstbestimmte Schwangerschaft und Geburt setzen. Denn wir Hebammen können aus moralischen Gründen nicht streiken und sagen „Heute machen alle Entbindungsstationen zu“. Wir freuen uns über Elternproteste, nicht nur, damit dadurch unsere Zukunft und Existenz gesichert wird, sondern auch, damit den zukünftigen Generationen eine angemessene Geburtshilfe ermöglicht werden kann.
Dilara Cokokur, 22, Hebammenschülerin