“Moi aussi”: MeToo in Cannes
Es war ein ungewöhnliches Bild, das sich den Kameras und Fotografen auf dem roten Teppich in Cannes bot. Schauspielerin Judith Godrèche legte sich fürs Foto die Hände über den Mund, genau wie ihre Begleiterinnen und Begleiter, alle Protagonisten ihres Films „Moi aussi“, also: MeToo. In diesem Film geht es um das Schweigen über sexuelle Gewalt beziehungsweise darum, dass immer mehr Opfer nicht mehr schweigen. Deshalb die zugehaltenen Münder auf dem roten Teppich.
Judith Godrèche hatte bei der Verleihung des César, also des französischen Oscar, im Februar 2024 eine mutige und erschütternde Rede gehalten. Die Schauspielerin hatte offenbart, dass sie als 14-Jährige von den Regisseuren Benoît Jacquot und Jacques Doillon mehrfach vergewaltigt worden war (was die natürlich bestreiten). Und sie hatte die Filmbranche angeklagt: „Wir sollten das Schicksal des französischen Films nicht länger Männern überlassen, die der Vergewaltigung angeklagt sind“, hatte sie erklärt und: „Um an sich selbst glauben zu können, muss einem geglaubt werden.“ Godréche erhielt Standing Ovations.
In den Wochen danach bekam sie über 5.000 Zuschriften von Frauen (und auch Männern), die Opfer von Missbrauch und Vergewaltigung geworden waren und der so mutigen Schauspielerin ihre Erlebnisse schilderten. Godrèche machte daraus einen Film, in dem sie den Opfern eine Stimme gibt. In „Moi aussi“ besetzen 1.000 von ihnen eine Pariser Allee.
Flankiert werden der Film und die Aktion auf dem roten Teppich von einem Appell: „MeToo – On persiste et on signe“ (MeToo – Wir bleiben dabei und wir unterschreiben). Pünktlich zum Start des Festivals hatten 100 Frauen (und einige Männer) in Le Monde bessere Gesetze für die Bestrafung von Vergewaltigern gefordert. „Obwohl die Opfer so mutig sind zu sprechen, wächst die Straflosigkeit“, erklären die UnterzeichnerInnen, darunter die Schauspielerinnen Isabelle Adjani, Juliette Binoche, Sandrine Bonnaire und natürlich Judith Godrèche.
#MeToo persiste et signe !
Nous avons parlé, nous avons dénoncé mais rien n’a changé.
Maintenant on s'unit, maintenant on agit, nous exigeons la fin de l’impunité.
Signez la pétition : https://t.co/St7hg51RrD#MaintenantOnAgit pic.twitter.com/Sr9ZKJWFkt— Fondation des Femmes (@Fondationfemmes) May 16, 2024
Aber auch Frauen aus anderen Berufen haben unterschrieben, denn sexuelle Gewalt kommt nicht nur in der Filmbranche vor. Auch Organisationen wie die „Fondation des Femmes“, die französische Sektion der „Europäischen Frauenlobby“ oder das „Mouvement du Nid“ (das die Freierbestrafung in Frankreich maßgeblich durchgesetzt hat) sind beim Appell dabei.
„Es ist inakzeptabel, dass die Rate der Verfahrenseinstellungen bei Vergewaltigung im Jahr 2020 unglaubliche 94 Prozent erreicht hat“, heißt es im Appell. Die UnterzeichnerInnen fordern deshalb die Schaffung spezialisierter Ermittlungseinheiten und ein Gesetz, in dem der Begriff der Vergewaltigung wie auch der der Zustimmung genau definiert werden und das die Beweisaufnahme vereinfacht. Außerdem sollen Opfer nicht mehr nach ihrer sexuellen Vergangenheit befragt werden dürfen. Sie sollen sofortigen Zugang zu therapeutischer Unterstützung bekommen und es sollen Gelder an Opferorganisationen fließen.
„Wir sind mehr als 100, aber in Wirklichkeit sind wir Millionen, die hoffen, dass die sexuelle Gewalt aufhört. Das ist keine Utopie“, erklären die UnterzeichnerInnen. „Seit wir uns zusammengetan haben, wissen wir, dass wir so zahlreich sind, dass unsere Stimmen nicht mehr überhört werden können.“
CHANTAL LOUIS
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