Müssen alle Frauen Mütter sein?
Aus "Regretting Motherhood" von Esther Göbel
Ein Vater schrieb als Kommentar auf Facebook: „Alle jammern immer nur rum.“ Eine Frau postete: „Krank. Diese Frauen sollten sich schämen!“. Ein User namens Shrimpsmann twitterte: „#regrettingmotherhood = Egotrip.“ Die Welt betitelte die laufende Diskussion als rückständig und kompletten Unsinn. Und in dem Debattenmagazin The European bezeichnete die Kolumnistin Birgit Kelle die twitter-Kampagne #regrettingmotherhood unter der Überschrift „Werdet endlich erwachsen!“ als „Selbstmitleid in Perfektion.“ Doch was war passiert? Orna Donath, eine israelische Soziologin von der Universität Tel Aviv, hatte eine qualitative Studie durchgeführt. Die 39-Jährige erforschte ein Phänomen, das sie regretting motherhood nennt. Übersetzt heißt das so viel wie: Die Mutterschaft bereuen. Donath befragte 23 israelische Mütter im Alter von Mitte zwanzig bis Mitte 70 in intensiven Interviews zu ihren Gefühlen gegenüber der eigenen Mutterrolle. Die Frauen hatten sich freiwillig als Reaktion auf einen Aufruf bei der Wissenschaftlerin gemeldet.
Aus "Die deutsche Mutter ist heilig" von Antonia Baum
Ich habe schreckliche Angst davor, Mutter zu werden. Interessiert Sie nicht? Finden Sie heulsusenhaft, irrelevant, egal? Klingt egoistisch, selbstbezogen, unreif? Wahrscheinlich sollte ich mich nicht so anstellen und machen, was Frauen tun, seit es Menschen gibt, nämlich Kinder kriegen, die natürlichste Sache der Welt, gewissermaßen, und wenn ich schon dazu nicht in der Lage bin, so sollte ich doch wenigstens nicht darüber schreiben, denn es gibt wirklich wichtigere Sachen (Griechenland, Ukraine, brennende Flüchtlingsheime). Also, da bitte wirklich die Finger von lassen, sonst setzt es was, und zwar jene moralischen Zurichtungs- und Durchhalteparolen, die die deutschen Mütter schon immer begleitet haben: Stell dich nicht so an, reiß dich zusammen, da müssen wir alle durch. Jedenfalls liegt der Fehler auf jeden Fall bei dir, der Mutter. Du bist schuld.
Die Lage scheint sich in den letzten 40 Jahren nicht wirklich geändert zu haben. 1977 schrieb Alice Schwarzer, damals 34 Jahre alt, über ihre eigentlich gar nicht so persönliche Entscheidung, "warum ich keine Kinder habe". Und der Text klingt gar nicht so von gestern. Leider.
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