Muslimische KomikerInnen: Humor – auch

Artikel teilen

Cheryl Benard stellt arabische bzw. muslimische KomikerInnen vor, so manche im westlichen Exil. Sie lassen ihre Barbarellas fighten, verspotten das Kopftuch und noch nicht einmal der Prophet ist ihnen heilig. Die halb in Arabien lebende Wienerin Cheryl Benard und die in der Türkei lebende Deutsche Sabine Küper-Büsch besuchten Komikerinnen und Karikaturistinnen von Istanbul bis New York, von Kairo bis Oslo. Und sie stellten fest: Humor ist international. Allen voran der Humor von Frauen.

Anzeige

Der wilde Streit um die dänischen Karikaturen war blutig, kostspielig, vor allem aber entstand der Eindruck, dass der arabische Raum die Heimat der dumpfen Humorlosigkeit sei – was nicht zutrifft. Einer langen Geschichte von Autokraten steht die ebenso lange Geschichte des politischen Witzes gegenüber. Der Prophet selber mag dabei in der Regel ausgespart geblieben sein, nicht aber seine irdischen Vertreter. Insbesondere der ländliche Dorfmullah nach Manier des „Mullah Nasruddin“ war seit jeher eine beliebte Spottfigur. Er stand im Ruf, simpel, selbstgefällig und rigide zu sein.

Auch der Prophet Muhammad selbst dürfte alles andere als humorlos gewesen sein. Aus zahlreichen Überlieferungen ist bekannt, dass er die leichte Unterhaltung schätzte, Ringer, Musikanten und Fechter zur Volksbelustigung sogar in die Moschee einlud.
Auch ist es bekannt, dass Muhammad mit seiner Frau Aisha zum Spaß gerne um die Wette lief und sich freute, als ihre zunehmenden Kilos ihm häufigere Siege bescherten. Kriegerisch war der Prophet gewiss, ganz wie er in den dänischen Zeichnungen karikiert ist – aber humorlos war er sicher nicht.
Und seine Nachfahren ebenso wenig. Angesichts der fahnenverbrennenden, randalierenden Moslemhorden gerät leider in den Hintergrund, dass sehr viele Menschen im muslimischen Kulturkreis diese Reaktionen lächerlich und peinlich finden, ja ihnen mitunter sogar eine komische Seite abgewinnen können. So der saudiarabische Blogger der sich „muttawa“ nennt (nach der religiösen Polizei, die mit Prügelstöcken bewaffnet im Königreich auf Patrouille geht, um „nach unzureichend bedeckten“ Frauen und „unpünktlich betenden“ Gläubigen Ausschau zu halten). Muttawa übertrifft sich angesichts der dänischen Affäre selber mit zwei Beiträgen: Der eine ist der fiktive Brief eines angeblichen königlichen Pressesekretärs an seine saudiarabische Hoheit. Im Brief werden eine Reihe (tatsächlicher) Muhammad-Bildnisse vorgestellt und mögliche Sanktionen gegen die Ursprungsländer vorgeschlagen. Er beginnt mit der San Petronio Kirche in Bologna, wo eine Renaissancefreske von Giovanni da Modena die Folterung des Muhammad in der Hölle zeigt. Doch der „Sekretär“ rät davon ab, Italien zu boykottieren, da es dann zu Marmorknappheiten für die zahlreichen Palastbauten käme. Belgien eigne sich besser für einen Boykott. Dort werde lediglich Bier produziert, und „nicht einmal die Lieblingssorte Eurer Majestät“.
Im zweiten Beitrag von Muttawa geht es um eine Signaltafel, die den „moslemischen Beleidigungsgrad“ laufend akkurat messen und bekannt geben soll. Die Skala reicht von „Höchste Beleidigungsstufe“ (Warnfarbe Orange: „Der Papst und Präsident Bush mögen sich umgehend auf den Knien für alle ihre Vergehen der letzten 1400 Jahre entschuldigen“) über „Erhöhte Beleidigungsstufe“ (Warnfarbe Gelb: „Wir sind pikiert. Wo bleibt die Dankbarkeit dafür, dass wir im 9. Jahrhundert Algebra in den Westen brachten?“).
Und „Muttawa“ ist nicht der einzige lustige Araber. In den USA geht das „Arab American Comedy Festival“ bereits in das erfolgreiche vierte Jahr. Dort tritt auch der drei-Mann Komikertrupp „Allah schuf mich Komisch“ auf. Und die jüdisch-islamische Komikerinitiative „Stand up for Peace“, gegründet von Dean Obeidallah und Scott Blakeman, ist schon in Beirut, Dubai, Haifa und Ramallah aufgetreten.
An der vordersten Komikfront aber finden wir Frauen. In den USA hat Tissa Hami, Amerikanerin iranischer Herkunft, mit ihrer Nummer „Eine muslimische Frau kommt in eine Bar“ einen großen Erfolg. Sie tritt mit Kopftuch auf, was den Überraschungseffekt ihres Monologs erhöht. Außenstehende würden es beleidigend finden, spottet sie dann, dass die Frauen in der Moschee auf die hinteren Reihen verwiesen sind und hinter den betenden Männern stehen müssten. Doch das sei eigentlich ein Vorteil, dies wäre doch schließlich der beste Platz, um nach knackigen Männerpos Ausschau zu halten …
Zu großer Beliebtheit hat es auch die britisch-pakistanische Komikerin Shazia Mirza gebracht, die religiöse Themen nicht ausspart. Sie sei kürzlich auf Pilgerfahrt nach Mekka gegangen, erzählt sie. Mitten im Gedränge der Gläubigen spürte sie unmissverständlich, dass sie begrapscht wurde. „Es muss wohl die Hand Gottes gewesen sein,“ überlegt sie.
Solche Scherze haben Mirza nicht nur Lachen und Applaus, sondern auch Drohungen und Kritik eingebracht. Die wohl Mutigste in der Reihe aber ist ihre norwegische Kollegin Shabana Rehman. Die spottet nicht nur über heuchlerische Mullahs und lüsterne Gläubige, sondern kritisiert den Islam frontal. Sie stellt die Scharia als „rückständig“ und uneingeschränkte Integration in die moderne westliche Gesellschaft als den sinnvollen Weg für Immigranten dar. Als Kolumnistin und häufiger Gast im norwegischen Fernsehen ist Rehman – deren Bühnenbekleidung von der Burka bis zum Cocktailkleid reicht und die sich auch schon mal hüllenlos, nur in den Farben ihres Adoptivlandes Norwegen bemalt, abbilden ließ – für integrationsfreudige wie säkulare MoslemInnen ein Rollenmodell – und für Fundamentalisten ein Stein des Anstoßes. Auch so manche Liberale haben ein Problem mit ihr … und sie mit ihnen. Für Multikulti-Apologeten schließlich hat sie nichts als Verachtung übrig.
Doch nicht nur Einzelkämpferinnen wie Rehman, auch KulturkritikerInnen, progressive ReformerInnen und organisierte politische AktivistInnen nutzen gerade den Humor, um den Islam in eine fortschrittlichere Richtung zu lenken. Zu nennen ist hier auch Marjane Satrapi, deren geniale Comics die iranische Revolution aus der Sicht eines kleinen Mädchens erzählen. Bemerkenswert auch die ägyptische KünstlerInnengruppe AK Comics, die eine Serie von arabischen Superhelden und Superheldinnen an die Aufklärungsfront schickt.
Auch die sehr aktiven islamisch-feministischen Gruppierungen ‚Sisters in Islam‘ und ‚Women Living Under Muslim Law‘ fighten nicht nur mit Gesetzesinitiativen, Beratungsstellen und Schulungen, sondern auch mit Humor und (Selbst)Ironie. Ihre Cartoons handeln von der Benachteiligung islamischer Frauen im Scheidungs- und im Erbrecht oder von Polygamie. Zainah Anwar von der Gruppe ‚Sisters in Islam‘ findet Spott „die effektivste Waffe gegen die selbstgefälligen Islamisten“: „Der Chef einer Radiostation, wo ich die Doppelmoral der Islamisten anprangerte, wollte mir mitten im Satz das Mikrophon abdrehen – später hat man mir erzählt, dass er selber mehrere Frauen hat“.
Zivilcourage gehört dazu, im überhitzten Umfeld des aktuellen Islam weiterhin Humor zu flaggen. Denn nicht nur das verhetzte Volk, auch arabische Diktatoren sind notorisch unlustig. In Syrien zum Beispiel sind ganz gewöhnliche Bürger zu Haftstrafen von einem Jahr verurteilt worden, nur weil sie einen per E-Mail erhaltenen Witz oder eine Karikatur über Präsident Assad an Dritte weiter gesandt hatten. Das heißt, gerade die muslimischen KomikerInnen haben nicht nur Humor – sie haben auch Mut.
EMMA Mai/Juni 2006
Mehr Informationen: www.shabana.no, www.tissahami.com, www.akcomics.com, www.shaziamirza.org, www.arabcomedy.org
In EMMA zum Thema:
Das Modell Norwegen (1/04) und
Das komische Kopftuch (4/04)

Artikel teilen
 
Zur Startseite