Nairobi: Die Rebellin
ExpertInnen gehen davon aus, dass technische Innovationen zukünftig auch von dem Kontinent kommen, mit dem einige Menschen immer noch vor allem Hunger, Armut und HIV verbinden: Afrika. In Kenia, Uganda, Ghana oder Tansania haben sich in vielen Städten selbstorganisierte „hackerspaces“ gegründet, in denen EntwicklerInnen gemeinsam an ihren Projekten arbeiten. Wie zu Beispiel das iHub in Nairobi. Martha Chumo, 21, ist eine von ihnen. Programmiererin, Mentorin, Feministin, Rebellin. Mit der gleichen Leidenschaft, mit der sie sich für die Zukunft von Ost-AfrikanerInnen in der Tech-Branche einsetzt, plädiert sie für eine Verbesserung der Rechte von Mädchen und Frauen in ihrer Heimat. Martha war 18, als sie ihr Leben in die Hand nahm. Nach der Schule arbeitete die Einser-Schülerin für eine Frauenrechtsorganisation in Nairobi. Sie nutzte jede freie Minute, um sich an dem Computer im Büro selbst Programmieren beizubringen. Mit 19 bewarb sich für einen dreimonatigen Kurs an der New Yorker „Hacker School“. Sie wurde angenommen, als zweite Afrikanerin. Um die Reise zu finanzieren, startete sie eine Crowdfunding-Kampagne im Internet. In Kürze hat Martha rund 6000 Dollar zusammen. Aber die USA verweigerte ihr die Einreise. Begründung: Das Risiko sei zu groß, dass die junge, alleinstehende Frau aus Kenia nach dem Kurs in Amerika abtaucht. Martha gründete also eine eigene Hacker-Schule in Nairobi. Erklärtes Ziel: Junge Kenianerinnen zum Programmieren ermutigen. Die „Nairobi DevSchool“ funktioniert bis heute. Und Martha studiert. In San Francisco – und in Buenos Aires, Seoul, Istanbul, Berlin, Bangalore und London.
Wie habt ihr die DevSchool organisiert?
Wir gehen zum Beispiel in die Bibliothek oder in den iHub. Dort unterrichten wir, wie man Apps entwickelt und ein Unternehmen führt. Wir bieten auch Seminare nur für Frauen und Mädchen an.
Haben noch mehr Mädchen in Kenia solche Chancen wie du?
Nicht wirklich. Es gibt drei typische Biografien. 1. Ich bin eines der wenigen Mädchen, das auf eine der prestigeträchtigen Schulen gegangen ist und eine Universität besuchen darf. 2. Ich komme aus einer Stadt und habe die Chance eine weiterführende Schule zu besuchen – und arbeite im Bildungsbereich. 3. Ich zähle zu den tausenden kenianischen Mädchen, die schon die Grundschule abrechen und verheiratet werden.
Tausende kenianische Mädchen werden nach der Grundschule verheiratet
Und du?
Ich bin auch auf dem Land geboren. In Kitale, das ist wirklich ab vom Schuss. Die Menschen sprechen weder Englisch noch Kisuaheli, sie haben eine eigene Muttersprache. Die Stammes-Kultur in Kenia ist immer noch sehr stark. Meine Mutter und mein Vater kommen aus unterschiedlichen Stämmen. Ich bin von meiner Mutter groß gezogen worden, weil mein Vater früh gestorben ist. In dem Stamm meiner Mutter haben die Frauen das Sagen, das heißt zum Beispiel, dass sie erben – und meine Mutter sich auch geweigert hat, bestimmte Riten von meinem Vater anzunehmen. Sonst wäre ich als kleines Mädchen schon genitalverstümmelt und verheiratet worden. Stattdessen habe ich in einer kleineren Stadt die Grundschule besucht. Und dann ein Internat in Nairobi.
Was hält die Tech-Community in Kenia von programmierenden Frauen?
Von uns gibt es nur sehr wenige. Alle bemühen sich deshalb, in die Hände zu klatschen. Eine Frau, Applaus! Ich hasse das! Als wäre ich ein seltsames Wesen von einem anderen Stern.
Und deine Zukunftspläne?
Ich bin letztlich doch noch in Amerika gelandet. In San Francisco ist meine erste Station der Minerva-Uni, das ist sozusagen eine mobile Universität. In den nächsten vier Jahren werde ich in sieben Städten leben – der Unterricht findet über Online-Learning statt. Ich mache einen Master in Computerwissenschaften und Politik. Genau so wichtig ist es, dass wir das Leben in den Städten und auch die Menschen kennenlernen. Danach möchte ich nach Nairobi zurück. Um die technische Entwicklung und die Internet-Rechte voranzutreiben. Und die Rechte von Frauen und Mädchen.