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Nathalie Pohl: Die Freischwimmerin

Schafft es Nathalie Pohl, die Ocean's Seven zu vollenden? - Foto: NP-Invest GmbH
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Nur 23 Menschen weltweit haben es bisher geschafft. 16 Männer und sieben Frauen. Sie durchquerten die sieben gefährlichsten Meerengen der Welt. Auf fünf Kontinenten mit Strecken bis zu 40 Kilometern: den Ärmelkanal, die Straße von Gibraltar, den Santa-Catalina- Kanal, den Kaiwi-Kanal, die Cookstraße, die Tsugaru-Straße und den Nordkanal.

Letzteren muss Nathalie Pohl noch absolvieren. Dann wird die 29-jährige Marburgerin in den Kreis der extremsten aller ExtremschwimmerInnen aufgenommen – als erste deutsche Frau und achte Frau weltweit. Aktuell trainiert sie dafür auf Mallorca, im September will sie dann den berüchtigten Nordkanal zwischen Schottland und Irland schwimmen. 34,5 Kilometer bei einer Wassertemperatur von 14 Grad – und das über zehn Stunden.

„Die Kälte ist mein größter Feind“, sagt Nathalie. Badedeanzug, Schwimmbrille, Badekappe – mehr hat sie nicht am Leib. Dafür ein bisschen vom lebenswichtigen „Channel Fat“, dem Überlebenstrick der KanalschwimmerInnen. Statt immer dünner und leichter zu werden, wie BeckenschwimmerInnen es tun, futtern sich FreischwimmerInnen absichtlich Körperfett an. Es dient als Energiereserve und Schutz gegen die Kälte. Nathalies Mittel der Wahl: Nudeln mit Butter.

Noch wichtiger als ein paar extra-Kilo ist allerdings die innere Haltung: Disziplin, Ausdauer, Durchhaltewillen und Mut. All das braucht es, wenn ein Mensch bei drei Meter hohen Wellen und starken Strömungen durchs offene Meer pflügt. Und ein paar Haie und Quallen schwimmen da auch noch rum. „Ich trage ein elektronisches Shark-Shield, das sendet Elektro-Reize, die Haie abschrecken. Bei Quallen kann man nicht viel machen. Wird man von der spanischen Galeere getroffen, ist es, als fasst man in einen glühenden Draht. Das passiert aber selten“, erzählt Natalie. Viel öfter hingegen schwimmt sie in Müll, den Container-Schiffe verloren haben.

Mit warmer Cola, Toast und Tomatensuppe wird sie vom Begleitboot aus versorgt. Auf dem sitzt auch ihr Vater, der sie seit Kindertagen motiviert und eingreift, wenn es zu gefährlich wird. 2015 rettet er der Tochter bei der Durchquerung des Ärmelkanals das Leben. Nathalies Lungen hatten sich mit Salzwasser gefüllt. Vater Andreas brach ab, zog sie aus dem Wasser.

1994 in Marburg geboren, lernt Nathalie mit fünf Jahren Schwimmen. „Das ist mein Sport, das habe ich sofort gefühlt“, erinnert sie sich. Doch das Schwimmen in der Halle wird ihr zu eintönig, ihr fehlt die Verbindung zur Natur. Dann liest sie das Buch „Die Eismeerschwimmerin“ von Lynne Cox. Die Amerikanerin ist eine Legende im Extremschwimmen. Als Fünfzehnjährige durchquerte Cox in damaliger Rekordzeit den Ärmelkanal.

„Das will ich auch“, sagte sich Nathalie und wechselte ins Freiwasser. Mutter und Vater, beide Unternehmer, sowie Bruder und Schwester unterstützen Nathalie, helfen bei der Organisation des Trainings.

Die junge Frau gilt schnell als Ausnahmetalent, unter Frauen wie Männern. 2016 durchquert sie als schnellste deutsche Frau den Ärmelkanal. 2018 gewinnt sie den legendären „20 Bridges Swim“ in New York – als erste Deutsche überhaupt. 2023 durchquert sie die Cookstraße vor Neuseeland, die stürmischste Meeresstraße der Welt. Selbst Schiffskapitäne haben davor Respekt.

Nathalie wird die erste Deutsche, der die Durchquerung gelingt, und mit sechs Stunden und 33 Minuten wird sie auch die schnellste Europäerin.

„Als schwämme ich im Weltall“ beschreibt sie das Gefühl, nachts im offenen Meer zu sein. „Ich weiß, wozu ich fähig bin. Wenn der Körper irgendwann aufhört, setzt meine mentale Stärke
ein. Der Kopf ist dann alles. Diese Kraft zu spüren, das ist einfach der Wahnsinn!“

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