Sexualgewalt: Nein heißt Nein!

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Jetzt sind sogar die beiden (männlichen) Fraktionsvorsitzenden dafür. „Die Vorschläge der Frauen in der Union für eine weitere Verschärfung des Sexualstrafrechts sind absolut richtig. Ich unterstütze diese in vollem Umfang“, erklärte Volker Kauder (CDU). „Insbesondere muss die Neuregelung zur Bestrafung der Vergewaltigung dem Grundsatz folgen: ‚Ein Nein ist ein Nein‘. Nur eine solche Bestimmung wird dem Selbstbestimmungsrecht der Frauen gerecht.“

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Und sein sozialdemokratisches Pendant Thomas Oppermann sekundiert: „Mich persönlich hat die Diskussion überzeugt, dass es nur eine Regelung gibt, die die ­sexuelle Selbstbestimmung umfassend schützt: Nein heißt Nein. Das ist nicht sehr schwer zu verstehen!“

Nein, das ist nicht schwer zu verstehen. Dennoch hat es verdammt lange gedauert, bis es auch die Chefs der Koalition verstanden haben. Es sieht so aus, als hätte erst eine Strategie sie überzeugt, die sich vor knapp 20 Jahren schon einmal bewährt hat – die parteiübergreifende Frauensoli­darität. 

Nein heißt Nein ist eigentlich nicht schwer zu verstehen

Wir erinnern uns: Am 15. Mai 1997 beschloss der Bundestag die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe, und zwar mit überwältigender Mehrheit von 470 Stimmen (gegen 138 Nein-Stimmen). Diese Mehrheit zustande zu bringen, war nicht einfach. Geschafft hatte das ein parlamentarisches Frauenbündnis, angeführt von Ulla Schmidt (SPD). Damals legten Politikerinnen aller Parteien das Gesetz als Gruppenantrag vor. Als dann auch noch waschkörbeweise Protestbriefe von Landfrauen und katholischen Frauengemeinschaften in der CDU-Parteizentrale eintrafen, hissten auch die konservativen Männer die weiße Fahne. Das Ergebnis ist bekannt.

Jetzt scheinen die Politikerinnen die bewährte Taktik wiederholt zu haben. Nur, dass diesmal offenbar die CDU-Frauen die treibende Kraft sind. Es war die Vorsitzende der CDU-Frauenunion, Annette Widmann-Mauz, die Anfang des Jahres dafür gesorgt hatte, dass ihr Parteivorstand in einem Grundsatzbeschluss, der so genannten „Mainzer Erklärung“ ankündigte: „Sexualdelikte sind keine Kavaliersdelikte. (...) Deshalb sorgen wir dafür, dass gemäß Art. 36 der Istanbul-Konvention die Gesetzeslücke bei Vergewaltigung geschlossen wird. Für den Straftatbestand muss ein klares ‚Nein‘ des Opfers ausreichen.“

Als das Bundeskabinett diesen Beschluss im März ignorierte und den halbherzigen Gesetzentwurf aus dem Hause Maas dennoch verabschiedete, zündeten die CDU-Frauen Stufe 2. Sie taten sich mit den SPD-Frauen zusammen. Gemeinsam mit der „Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen“ (AsF) organisierten sie eine ExpertInnen-Anhörung zum Thema und verkündeten anschließend in einer ­gemeinsamen Presseerklärung: Solange es weiterhin auf die Widerstandsfähigkeit und nicht den Willen des Opfers ankommt, bleiben Schutzlücken bestehen. Wir brauchen einen Grundtatbestand, der jede nicht-einvernehmliche sexuelle Handlung unter Strafe stellt.“

Aber es hat gedauert, bis das bei den Chefs der Koalition an-
gekommen ist

Flankiert wurde der Frauenaufstand von einem breiten Protest der Frauenorganisationen: Noch bevor der Bundestag am 28. April in erster Lesung über den Gesetzentwurf debattierte, hatten Frauenorganisationen von Terre des Femmes über die Frauenhaus-Dachverbände bis zum Juristinnenbund in einem Offenen Brief an Bundeskanzlerin Merkel den aktuellen Gesetzentwurf scharf kritisiert: „Übergriffe bleiben weiterhin straffrei, auch wenn die betroffene Peron ihren entgegenstehenden Willen bekundet und der Täter sich darüber hinweggesetzt hat.“ 

In der darauf folgenden Bundestags­Debatte erläuterte dann nicht nur Elisabeth Winkelmeier-Becker von der CDU, warum „Nein heißt Nein“ ins Gesetz muss. Auch Eva Högl, rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, verdeutlichte ihrem Parteikollegen Maas, warum sein Gesetzentwurf dringend der Korrektur bedürfe. 

Und nun scheint das „Nein heißt Nein“ tatsächlich zu kommen. Noch bevor sich die Abgeordneten am 8. Juli in die Sommerpause verabschieden, wolle man das „Nein heißt Nein“-Gesetz in trockenen Tüchern haben, heißt es aus der Pressestelle der CDU-Frauenunion. 

Sollte das so kommen, hätten die Parlamentarierinnen ein weiteres Mal bewiesen, wie man ein frauenfeindliches Gesetz verhindert bzw. ein frauengerechtes durchsetzt: indem frau die Frauenfragen über die – sich in der Berliner Republik zusehends verhärtende – Parteiräson stellt.

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Alice Schwarzer über den Fall Gina-Lisa: "Über die Würde des weiblichen Menschen"

Prozess-Termine & Demos
Prozess gegen Gina-Lisa Lohfink: 27. Juni, 9 Uhr, Amtsgericht Tiergarten Berlin. Prozess gegen Claudia D.: 14. Juli, 10 Uhr, Oberlandesgericht Frankfurt.
Für beide Termine ruft die „Initiative für Gerechtigkeit bei sexueller Gewalt“ zur Solidaritäts-Demo mit allen Opfern sexueller Gewalt auf. Mehr Infos auf www.ifgbsg.org

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Vergewaltigung: Heißt Nein bald Nein?

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Das sind ganz neue Töne, die die beiden Fraktionsvorsitzenden der Großen Koalition da soeben angeschlagen haben. „Die Vorschläge der Frauen in der Union für eine weitere Verschärfung des Sexualstrafrechts sind absolut richtig. Ich unterstütze diese in vollem Umfang“, sagt Volker Kauder (CDU). „Insbesondere muss die Neuregelung zur Bestrafung der Vergewaltigung dem Grundsatz folgen: ‚Ein Nein ist ein Nein‘. Nur eine solche Bestimmung wird dem Selbstbestimmungsrecht der Frauen gerecht.“

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Es hat lange gedauert, bis die Spitzen der Koalition begriffen haben

Und sein sozialdemokratischer Kollege Thomas Oppermann sekundiert: „Sexuelle Übergriffe sind verabscheuenswürdig und dürfen nicht länger bagatellisiert werden. Mich persönlich hat die Diskussion überzeugt, dass es nur eine Regelung gibt, die die sexuelle Selbstbestimmung umfassend schützt: Nein heißt nein. Das ist nicht sehr schwer zu verstehen!“

Nein, das ist nicht schwer zu verstehen. Dennoch hat es lange gedauert, bis es die Spitzen der Koalition nun endlich verstanden haben. Noch vor wenigen Wochen hatte das Bundeskabinett den Gesetzentwurf zur Verschärfung des Sexualstrafrechts nämlich durchgewunken. Obwohl er dem einfachen Prinzip „Nein heißt Nein“ nicht gerecht wurde – und damit auch gegen einen Beschluss des CDU-Bundesvorstands verstieß.  

Jetzt aber haben Frauenverbände und Politikerinnen noch einmal Druck gemacht – und der scheint zu nützen. Bevor der Bundestag am 28. April in erster Lesung über den Gesetzentwurf debattierte, hatten Frauenorganisationen von Terre des Femmes über die Frauenhaus-Dachverbände bis zum Juristinnenbund in einem Offenen Brief an Bundeskanzlerin Merkel erklärt: „Übergriffe bleiben weiterhin straffrei, auch wenn die betroffene Peron ihren entgegenstehenden Willen bekundet und der Täter sich darüber hinweggesetzt hat.“ Sie fordern ein Gesetz, das der sogenannten „Istanbul-Konvention“ des Europarates entspricht: „Danach müssen die Staaten alle sexuellen Handlungen, die gegen den Willen der Betroffenen verstoßen, unter Strafe stellen.“

Unterzeichnet haben den Offenen Brief Frauen wie TV-Köchin Sarah Wiener oder Schauspielerin Jasmin Tabatabai, aber auch Männer wie der Missbrauchsbeauftragte Johannes-Wilhelm Rörig oder der „heute-Show“-Moderator Oliver Welke. Und Schauspielerin Natalia Wörner, ihres Zeichens neue Lebensgefährtin des Justizministers. Bild am Sonntag titelte prompt: „Nein heißt Nein! Minister Maas muss jetzt Ja sagen“.

Ein Blick ins österreichische Strafgesetzbuch könnte helfen

Als die Bundestags-Debatte über die Reform des sogenannten Vergewaltigungs-Paragrafen 177 dann startete, war bezeichnenderweise keine der vier Rednerinnen für den vorliegenden Gesetzentwurf. Bei Grünen und Linken, die eigene Gesetzentwürfe vorgelegt hatten, verwunderte das nicht weiter. Bei Elisabeth Winkelmeier-Becker von der CDU eigentlich auch nicht, denn die CDU-Frauen hatten gleich nach der Verabschiedung im Kabinett parlamentarischen Widerstand angekündigt. Dass nun aber auch Eva Högl von der SPD ihrem Parteikollegen Maas erklärte, warum sein Gesetzentwurf nicht geht, war dann doch überraschend. Schon am Morgen hatte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Carola Reimann im ARD-Morgenmagazin erklärt: „'Nein heißt Nein' muss ins Gesetz rein. Ich werbe sehr dafür, dass man alle sexuellen Handlungen gegen den Willen unter Strafe stellt."

Und jetzt auch Kauder und Oppermann. Es sieht so aus, als ob der Minister seinen Entwurf nachbessern müsste. Ein Blick ins österreichische Strafgesetzbuch könnte dabei helfen. Seit 1. Januar 2016 wird in unserem Nachbarland bestraft, wer „mit einer Person gegen deren Willen (…) den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vornimmt“. Und auch das so genanntes Grapschen steht nun, klar definiert, unter Strafe: Seit Jahresanfang drohen in Österreich sechs Monate Haft, wenn „der Geschlechtssphäre zuordenbare Körperstellen entwürdigend berührt“ werden. Minister Maas könnte also einfach abschreiben.

 

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