Glamouröse Frauenliebe
Eine Ausnahmeerscheinung ist Dunja Hayali in der Fernsehlandschaft schon immer gewesen. Mit den schwarzen Strubbelhaaren und ihrer irakischen Herkunft hebt sich die heute-journal-Moderatorin wohltuend aus dem Einerlei zweifelsohne kompetenter, aber eben doch immer wieder blonder Nachrichtenfrauen hervor. Seit Ende Oktober hat die 34-Jährige nun ein weiteres Alleinstellungsmerkmal: In einem Zeitungsartikel gestand Hayali ihre Liebe zu einer Frau.
Unaufgeregt und völlig selbstverständlich erzählt sie dem Kölner Express am Rande eines Konzerts, dass die Frau neben ihr ihre Freundin sei. Mareike Arning, so heißt Hayalis Lebensgefährtin, singt bei der Damen-Punkrock-Band „Uschis Orchester“ und liebt an der Fernsehfrau vor allem deren „arabischen Sturkopf“, so Hayali. Die Reaktionen ihrer ZuschauerInnen auf dieses Bekenntnis sind überwiegend ebenso unaufgeregt. „Ich freue mich für sie“, schreibt ein(e) „Kerki“ auf welt.de. Und „Chris“ meint lapidar: „… fragt sich nur, wen’s interessiert“.
Interessant an dem Coming Out ist vor allem eines: In ganz klassischen Bereichen des Entertainment haben bi- bzw. homosexuelle Frauen Positionen eingenommen, die vormals demonstrativ Heterosexuellen vorbehalten waren. Lesben moderieren einige der wichtigsten Sendungen des deutschen Fernsehens. Schauspielerinnen küssen sich zur besten Sendezeit, Frauenpaare lächeln von Zeitschriftentiteln und bestimmen die Schlagzeilen der Klatschpresse. Die Medien spiegeln ein erstarktes weibliches Selbstbewusstsein und eine erstaunliche Trendwende: Waren bislang hauptsächlich Schwule in den Medien präsent, sind jetzt Frauen, die Frauen lieben, die Homosexuellen der Stunde.
Die Drehbuchautoren Hollywoods, stets Seismographen des Zeitgeistes, haben das schon längst begriffen. Die Lesben-Soap „L-Word“ über Lieben und Leben einer Gruppe schicker junger Frauen aus Los Angeles brachte es auf immerhin fünf Staffeln. Und in der Erfolgsserie „Grey’s Anatomy“ haben Dr. Erika Hahn und die sonst Männer verschlingende Dr. Callie Torres im Herbst die erotischsten Küsse ausgetauscht, die das Weißkittel-Genre je gesehen hat.
Es war ein langer Weg. Die Komikerin Hella von Sinnen – die erste öffentliche TV-Lesbe überhaupt – ist trotz kurzfristiger Trennung inzwischen seit 17 Jahren mit ihrer Conny Scheel ein Herzenspaar. Gay-Ikone Ellen de Generes outete sich auf dem berühmten Titel des Time Magazine 1997 mit dem Satz „Yep, I’m Gay“. Die amerikanische Vorzeigelesbe Nr. 2, die Sängerin Melissa Etheridge, hat mittlerweile vier Kinder mit zwei Lebensgefährtinnen und schreibt auf ihrer Webpage über „Meditation und Muttersein“.
Die Tatort-Kommissarin Ulrike Folkerts kitschte sich jüngst mit ihrer Freundin Katharina Schnitzler ein Buch über Glück zusammen, das sich nach Einschätzung der beiden „herrlich an liebe Menschen verschenken lässt“. Und Jodie Foster legt – kalifornisches Recht sei dank – schon mal die 25 Millionen Unterhalt für ihre Exfreundin Cydney Bernard beiseite, von der sie sich im Mai 2008 nach 14 gemeinsamen Jahren getrennt hat. Willkommen in der neuen BürgerInnenlichkeit.
Auch Ellen hat längst Subkultur gegen gepflegte Normalität ausgetauscht. „Die Ringe, die Torte, die Blumen!“, jubelt das People Magazine, Amerikas Bibel in gehobenen Gossip-Angelegenheiten, Ende August auf seinem Cover. Talkmasterin de Generes hat ihrer Freundin Portia de Rossi das Ja-Wort gegeben, drei Monate nachdem das Oberste Gericht in Kalifornien das Verbot der Homo-Ehe gekippt hatte (das inzwischen via Referendum wieder eingeführt wurde). People zeigt exklusive Fotos von dem Paar, selig lächelnd auf dem Titel und beim keuschen Handkuss ganz in Weiß.
Das ist eine kleine Sensation. Denn so darf auch die letzte Hausfrau im radikalreligiösen US-Hinterland beim Blick auf das Zeitschriftenregal an der Supermarktkasse lernen, dass Lesben nicht zwangsläufig Motorradstiefel und Herrenschnitt tragen, sondern auch mal einen Tülltraum von Zac Posen und eine Grace-Kelly-Frisur. Und dass sie bisweilen wie jede andere Frau auch ihre romantischen Mädchenträume ausleben. „Ellens und Portias Hochzeit hat Amerikas Verständnis vom Heiraten verändert und hat der Homo-Ehe ein Gesicht gegeben“, findet Entertainment-Editor Corey Scholibo vom US-Homo-Magazin The Advocate.
In Deutschland leistet Ramona Leiß – die mit Fred Kogel ein Kind hat und im ZDF-Fernsehgarten ein kreuzbraves Publikum mit Kochrezepten, Heimwerkertricks und Schlagermusik versorgte – ähnliche Aufklärungsarbeit an der Gartenzwerg-Front. Nach ihrem Coming Out im Sommer 2008 plaudert die 51-Jährige im Herbst im Goldenen Blatt ausführlich über ihre Freundin Sabine Amonn. „Ich empfinde die Liebe zu einer Frau als ausgewogener und zärtlicher“, erklärt die Gastgeberin der „Goldenen Hitparade der Volksmusik“ ihren Fans via Yellow-Press und: „Ich denke nicht, dass mir ein Mann das alles geben kann“. Und in Bild, dem selbsternannten Zentralorgan für gleichgeschlechtliche Herzensangelegenheiten, verkündet Ramona Leiß: „Wir werden heiraten“.
Dass Frau und Frau in Deutschland bis heute nicht einfach ins Standesamt spazieren können und auch nach dem Gelöbnis noch Steuerklasse Eins haben, thematisiert Ramona nicht. Sie will ja auch nicht Politik machen, sondern Quote – erschienen die beiden Artikel doch im Vorfeld ihrer Gastrolle in der Telenovela „Sturm der Liebe“. Davon kann frau halten, was sie will, eines ist der Schlüssellochblick jedenfalls: Ein gängiges PR-Instrument bei vielen heterosexuellen Protagonisten des Showbusiness und somit ein weiterer Schritt der frauenliebenden Moderatorin in Richtung Promi-Normalität.
Mut zum öffentlichen Coming Out machten Leiß nach eigenen Angaben Anne Will und deren Lebensgefährtin Miriam Meckel. „Ja, wir sind ein Paar!“, entrang eine Bild am Sonntag-Reporterin im Herbst 2007 am Rande einer Preisverleihung im Jüdischen Museum den beiden Frauen. Polit-Talkerin Will machte jedoch rasch klar, dass sie nun nicht weiter über ihr Privatleben Auskunft geben wolle.
Die amerikanische Schauspielerin Lindsay Lohan verfolgt eine umgekehrte Strategie. Kaum ein Tag vergeht ohne ein neues Foto der 21-Jährigen, wie sie in hipper Designerkleidung Hand in Hand mit ihrer Freundin Samantha Ronson durch Los Angeles läuft. Lohan und Ronson, eine Schauspielerin und eine DJane, Teil der Jeunesse Dorée Hollywoods, sind seit zwei Jahren unzertrennlich. Sie tragen Freundschaftsringe und dieselben Tattoos, beteuern wie wichtig sie füreinander sind und bloggen gemeinsam auf ihren MySpace-Seiten. Die vier entscheidenden Worte aber, die Anne Will zur Schutzheiligen der deutschsprachigen Lesbenszene haben werden lassen, bleiben sie der Öffentlichkeit schuldig.
Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb sind die zwei jungen Frauen ständig in der People-Presse vertreten. Für Gala-Chefredakteur Peter Lewandowski ist das Paar ganz klar ein Thema für sein Hochglanzblatt – und zwar völlig unabhängig davon, ob es sich dabei um zwei Frauen handelt: „Bevor Lohan mit Samantha Ronson zusammen war, fiel sie vor allem durch Alkoholexzesse auf. Ronson scheint ihr Halt und eine Perspektive zu geben. Das ist eine positive Geschichte, die gut zu Gala passt“. Ein anderes Leutemagazin bot Lindsay Lohan angeblich eine Million Dollar für ein exklusives Coming Out. Bislang umsonst. Als Rollenmodell für junge Lesben kann Lohan denn auch nicht herhalten, findet Advocate-Promifachmann Colin Scholibo.
Aber muss sie das überhaupt? Sexuelle Identität ist kein starres Konstrukt und vielleicht definiert ja auch dieses die sexuell emanzipierte Frau im 21. Jahrhundert: dass sie nicht festgelegt sein muss auf homo oder hetero, sondern sich einen Lebensmenschen unhabhängig von dessen Geschlecht auswählt. So wie Lindsay Lohan. Oder heute-journal-Moderatorin Dunja Hayali, die über die Liebe zu ihrer Freundin Maike sagt: „Wie ich mir ja auch meine besten Freunde nicht nach dem Geschlecht aussuche, habe ich mich in eine bestimmte Person verliebt – und das ist nun mal eine Frau.“
Die Autorin ist Chefreporterin der Gala.
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Titelgeschichte: Lesbierinnen über sich! (3/78),
Frauenliebe – von Latzhose bis L-Word (4/06).