Nicht mein Regenbogen

Die "Pet Play" Community zeigt Flagge auf dem CSD. - Foto: IMAGO
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„Die ham‘ se doch nicht alle“, sagte mein Vater kopfschüttelnd, als wir gemeinsam die Nachrichten schauten, wo vom Berliner CSD berichtet wurde. Ein paar schwule Jungs tanzten in grünglitzernden String-Tangas zu Samba-Rhythmen, gefolgt von einer Line-Dance-tanzenden Cowboy-Formation mit Regenbogenfahnen mit der Aufschrift „Don’t ride the pony, ride the cowboy!“.

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Das muss irgendwann um 2002 gewesen sein. Ich hatte meinem Vater damals noch nicht gesagt, dass meine beste Freundin mehr als meine beste Freundin ist und dachte: Tja, das kann ja heiter werden…

Jahrelang war der CSD für mich ein kleiner Feiertag. Meist waren wir in Berlin unterwegs. Da waren einfach die besten Partys. Ich mochte diese lockere, leicht-frivole Atmosphäre, das bunte Wir-Gefühl in der für mich damals coolsten aller deutschen Städte. Klar, da waren auch immer ein paar skurrile Gestalten bei, aber so what, eben jede Farbe des Regenbogens.

Die Regenbogenfahne ist längst zur Marketing-Strategie verkommen

Wenn ich mit meiner Freundin auf Städtetrip war, etwa in Barcelona, Madrid, Paris oder London, haben wir die Viertel angesteuert, die die Regenbogenfahne hissten. Da landete man meistens direkt in der Subkultur einer Stadt und weg von den Touri-Massen. Die Regenbogenfahne, sie war mal ein guter Wegweiser. Heute nervt sie mich.

Vordergründig, weil sie zur Marketing-Strategie verkommen ist. Fast jedes Unternehmen meint, sie irgendwo unterbringen zu müssen. Adidas, Bayer, BMW, DHL, Mercedes-Benz, Puma, Siemens oder Volkswagen hissen sie. Nivea druckt sie auf den Deckel. Natürlich nur hierzulande, nicht etwa in islamischen Ländern, da steht ja die Todesstrafe auf Homosexualität. Bei Gegenwind wird keine Flagge gezeigt. Siehe das Fiasko um die Regenbogenbinde bei der Fußball-WM in Katar. Ein Fähnlein im Wind.

Der Zufall wollte es, dass ich mit meiner Familie letztes Jahr auf dem Weg in den Urlaub in den CSD in München hineingeraten bin. „Mama, warum verkleiden die sich als Hunde?“, fragte mich meine Tochter Henriette, als sie die Hunde-Maske-tragende Petplay-Community entdeckte, die sich an ZuschauerInnen schubberte und am Hals gekrault werden wollte. Einige ließen sich an der Leine führen. „Die ham‘ se doch nicht alle“, dachte ich - ganz der Papa - und schob meine Kinder in eine andere Richtung.

Was ich noch beunruhigender fand als die Fetisch-Hunde: die Stimmungsmache gegen Frauen. Wer nicht gleich die Trans-Flagge hisst, wird zur „Terf“ erklärt, und die darf man sogar töten. „Kill Terfs“ stand auf mehreren Plakaten. Seit wann ist es eigentlich cool, auf einer Demo für Toleranz gegen andere zu hetzen? Ein Großteil der jungen Mädels auf dem CSD war in Regenbogen-Trans-Flagge gehüllt. „Proud to be trans“ oder „Proud to be queer“ stand auf ihren Buttons.

“Proud to be lesbian?“ Ich glaube, den Button gibt es gar nicht. Würde ein Mädchen sich trauen, ihn heute anzustecken? Einen lesbischen Aktionswagen habe ich im gesamten CSD-Zug nicht erblicken können. Butches? Gibt’s die überhaupt noch? Ich habe ja nicht mal Frauen in Trekking-Klamotten mitlaufen sehen. Dafür pappte das Schild „Leihmutterschaft ermöglichen“ an einem Stand. An einem anderen klebte „Pharma for Pride“. Tja, die Revolution frisst ihre Kinder. Der Regenbogen, der ist an diesem Tag endgültig für mich untergegangen.

"Terfs" darf man töten und Frauen sollen sich Flintas nennen

Frauen hatten es in der LGTBQ-Gemeinde noch nie leicht und Lesben waren auch noch nie die Lautesten beim CSD. Aber heute, da haben sie so richtig Gegenwind. Sie sollen sich ja nicht mal mehr Frauen nennen, sondern „FLINTAs“ oder „gebärende Personen mit Uterus“, damit sich bloß keiner ausgeschlossen und diskriminiert fühlt.

Wisst ihr was? Ich fühle mich ausgeschlossen. Ich fühle mich diskriminiert. Als Frau. Unser ewig währender Kampf um Sichtbarkeit, der soll mal eben in einem Wimpernschlag hinterm Regenbogen verschwinden?

Wir haben in Deutschland jeden dritten Tag einen Femizid. Hunderte Frauen werden jedes Jahr ermordet, weil sie Frauen sind. Nur jeder hundertste Vergewaltiger wird verurteilt. Gruppenvergewaltigungen stehen an der Tagesordnung. Die häusliche Gewalt gegen Frauen hat einen traurigen Höhepunkt erreicht. Wir sind alles andere als gleichberechtigt. Wir Frauen müssten endlich mal wieder Flagge zeigen!

Und nicht die des Regenbogens.

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