Österreich: „Die Wahrheit ist uns zumutbar“

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Salzburg, Silvesternacht, gegen ein Uhr morgens. Eine 26-Jährige und ihre Freundin feiern am Residenzplatz. Plötzlich rückt ihnen eine Gruppe von etwa fünf jungen Männern auf die Pelle, einer soll der jungen Frau auf die Brust und das Gesäß gegriffen haben. Schon zuvor soll ein Exhibitionist vor den Frauen an seinem Penis herumgespielt haben. „Ich war ihnen ausgeliefert“, erzählte eine andere, die von einer Gruppe von Männern attackiert worden war. Sie hätten sie wegzerren wollen; hätte ihr nicht ein Passant geholfen – „ich weiß nicht, was passiert wäre“.

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Auch in Öster-
reich dauerte es, bis die sexuelle Gewalt Thema wurde

Umringt, in den Schritt gefasst, ins Ohr geleckt: Auch in Österreich dauerte es ein paar Tage, bis klar war, dass auch hier Männer(gruppen) in der Silvesternacht Frauen sexuell attackiert und beraubt haben. „In Salzburg sind es sieben Anzeigen“, sagt eine Polizeisprecherin. Drei Tatverdächtige wurden bisher identifiziert, zwei Afghanen und ein Syrer; teilweise sind sie geständig.

Generell beschrieben die Frauen die Angreifer als „südländisch“ oder „dunkelhäutig“. Vereinzelt soll es auch in den Tagen vor und nach Silvester sowie in anderen Städten, etwa Wien und Innsbruck, zu Übergriffen gekommen sein. Die Debatten über Köln, Salzburg und die Folgen verliefen ähnlich wie in Deutschland. Auch in Österreich wurden Sicherheitstipps für Frauen zum Bumerang für die Ratgebenden. „Frauen sollten nachts generell in Begleitung unterwegs sein“, wurde der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl in der Kronen Zeitung zitiert. Außerdem sollten sie „Angst-Räume meiden und in Lokalen keine Getränke von Fremden annehmen“. Eine Welle der Empörung brach los, Pürstl ließ ausrichten, es handle sich um „verkürzte Zitierungen“. Er habe sich bloß auf „seit Jahren bekannte“ Präventionstipps bezogen.

Flugs rückte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) aus und erklärte: „Wir Frauen lassen uns sicher keinen Millimeter in unserer Bewegungsfreiheit im öffentlichen Raum einschränken.“

Strengere Bestrafung - 
Dank des neuen
Sexualstrafrechts 

Extreme Fronten verlaufen in der Debatte zwischen linken und rechten Parteien. Vor allem die Freiheitlichen, die in der Flüchtlings-Causa seit langer Zeit eine martialische Sprache pflegen, fühlen sich in all ihrer Ablehnung bestätigt. Eine FPÖ-Landespartei forderte gar ein nächtliches Ausgehverbot für Asylbewerber. Eine Wirtin in Bad Ischl erklärte ihre Bar für „jetzt wieder asylantenfrei“ und begründete dies damit, ihre weiblichen Gäste würden ständig von Asylbewerbern belästigt. Die Wiener Blauen applaudierten.

Auf der anderen Seite warnen vor allem Grüne und SPÖ davor, die Herkunft der Männer überhaupt auch nur zu thematisieren; sexuelle Gewalt gäbe es überall. Differenzierte alternative Positionen sind unter den Parteien kaum zu finden.

„Schnitzerl, reiß owi di Panier, i wü di klopfen!“ Diese sexistische Ansagen postete demonstrativ eine SPÖ-Abgeordnete – und betonte: „Alle Zitate stammen ausschließlich von Männern mit österreichischem Pass.“ Ähnlich argumentierte die Grüne Frauensprecherin Berivan Aslan: „Woher die Täter von sexueller Gewalt kommen, ist unerheblich bei der Verfolgung ihrer Straftaten. Es geht um Gewalt an Frauen. Und die ist zu verurteilen.“

Einige erinnerten an die Debatte um die Novellierung des Tatbestands „sexueller Belästigung“ im Vorjahr, Stichwort „Popo-Grapschen“. Viele Politiker und Prominente hatten dafür damals nur einen matten Witz übrig – und nun würden sich dieselben als Frauenrechtler aufspielen.

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) war wohl froh, nach Silvester auf das neue Sexualstrafrecht verweisen zu können: Damit würden Täter nun viel strenger bestraft. Ein Griff an den Po etwa soll damit erstmals überhaupt strafbar werden.

Haben wir mit Flüchtlingen auch Gewalt ins Land gelassen?

Insgesamt ist der Tonfall in der gesamten Flüchtlingsdebatte nach Köln & Co. deutlich rauer geworden, die Fremdenfeindlichkeit nimmt zu. Auch in den Medien. Dennoch finden in den Medien eher als in der Politik auch Debatten Platz, die den sozialen und kulturellen Hintergrund der mutmaßlichen Täter seriös thematisieren.

Der Wiener Integrationsexperte Kenan Güngör beispielsweise erklärte im staatlichen ORF, sexuelle Übergriffe seien zwar auch in Österreich weit verbreitet, in Ländern wie Ägypten aber seien die Dimensionen ungleich höher. Und man werde im Zusammenhang mit dem Islam noch über viele Probleme reden müssen, etwa die Kindererziehung und den Umgang mit Mädchen.

Unter dem Titel „Die Wahrheit ist uns zumutbar“ schrieb eine Autorin der Salzburger Nachrichten: „Haben wir mit Flüchtlingen auch Gewalt gegen Frauen neuen Ausmaßes ins Land gelassen? Ja, danach sieht es aus. … Das ist die Realität. Wer sie verschweigt oder ignoriert, erweist der Sache der Frauen, der Demokratie, des sozialen Friedens und schutzwürdiger Flüchtlinge keinen guten Dienst.“ Übrigens: Von den Opfern, den Frauen, reden nur wenige.

Gerlinde Pölsler

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Alice Schwarzer schreibt

War die Silvester-Nacht organisiert?

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„An diesem Donnerstag war ausnahmsweise mal der Talk bei Markus Lanz die bessere Wahl (...) Obwohl sich Lanz Alice Schwarzer eingeladen hatte. Die raunte davon, ob es nicht verdächtig sei, dass es zu Silvester in so vielen deutschen Städten und europäischen Ländern gleichzeitig solche massiven Angriffe auf die Freizügigkeit der Frauen gegeben habe. Wenn da mal nicht der ‚Islamische Staat’ dahinterstecke, so Schwarzer. Die Emanzipation der Frau sei den ultrafundamentalistischen Terror-Muslimen ja schließlich der größte Dorn im Auge.“ Merke: Freizügigkeit - nicht Freiheit.

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Der Spiegel 
Frei von
jeglicher
Sachkenntnis

Soweit der Spiegel-Online-Rezensent nach der Sendung zur Sache – frei von auch nur einem Hauch Sachkenntnis. Dass Justizminister Maas bereits am 5. Januar erklärt hatte: „Niemand kann mir erzählen, dass das nicht abgestimmt und vorbereitet wurde", das weiß der Mann nicht. Auch nicht, dass Innenminister de Maizière am 11. Januar öffentlich darüber sinnierte, ob die Überfälle „möglicherweise organisiert“ gewesen seien. Ebensowenig kennt er die Erklärung von BKA-Chef Holger Münch: „Sie (die Männer) haben sich gezielt verabredet, da sie auch aus dem überregionalen Raum kamen.“ (Zum Beispiel aus Belgien und Nordfrankreich, Hochburgen der marokkanischen Islamisten). Und schon gar nicht kennt der Mann aus Berlin-Mitte die längst entflammte internationale Debatte, in der zum Beispiel die Algerierin Mariem Helie Lucas schreibt: „Eigenartig, dass die Parallelen (zwischen dem Kölner Bahnhofsplatz und dem Kairoer Tahrir Platz, Anm. d. Red.) nicht gesehen werden. Will Europa denn so gar nicht von uns lernen?

Nein, will es anscheinend nicht. Denn sonst hätten wir vieles, worüber wir jetzt lamentieren, schon vorher kommen sehen. Allerdings muss man sagen, dass selbst bei Berücksichtigung der gewohnt niedrigschwelligen Erwartungen an das deutsche „Nachrichten"-Magazin ein solcher Totalausfall von Information, Objektivität und journalistischer Sorgfaltspflicht dann doch leicht überrascht. Höchste Zeit also, es nicht länger beim „Raunen“ meiner „Verschwörungstheorie“ in nächtlichen Talkshows zu belassen, sondern hier aufzuschreiben, was wir bisher wissen – und auf welche Fragen wir dringend Antworten finden müssen!

Sexueller Terror
Eine Strategie
im Heiligen
Krieg?

Solche Ausbrüche kollektiver sexueller Gewalt wie in der Silvesternacht in sechs europäischen Ländern und Dutzenden von Städten hat es bisher in Europa noch nie gegeben. Das ist eine neue Dimension. In Nordafrika und Nahost hat die sexuelle Bandengewalt - bei uns neckisch als „Gang Bang“ bezeichnet – Tradition. Es gibt dafür sogar ein eigenes Wort: taharrush gamea. Als massenhaftes kollektives Phänomen allerdings ist sie auch in den arabischen Ländern relativ neu: Das tauchte erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf, als die Araberinnen begannen, sich zu emanzipieren: raus aus den Häusern und rein in den öffentlichen Raum.

Die taharrush gamea in Tunis während des sogenannten Arabischen Frühlings fand bei uns wenig Beachtung. Aber die systematische sexuelle Gewalt auf dem Tahrir-Platz in Kairo ging durch die internationalen Medien, nicht zuletzt, weil auch westliche Journalistinnen Opfer wurden. Auf dem Tahrir-Platz hatten 2013 Banden von jungen Männern über Monate hunderte von Frauen geschlagen und betatscht: Busen und Genitalien, bis hin zur Vergewaltigung. Das waren die Monate, in denen das ägyptische Volk auf die Straße ging, um zunächst gegen Mubarak zu protestieren und sich dann von dem noch diktatorischeren islamistischen Muslimbruder Mursi zu befreien. Dabei fighteten und hofften die Frauen an vorderster Front.

Der Terror war erwiesenermaßen organisiert und ging von Islamisten aus. Was kein Zufall ist. Die Frauen sollten eingeschüchtert und wieder aus dem öffentlichen Raum vertrieben werden. „En-nsa, l-ed-dar!“ gröhlten die Männer („Frauen ins Haus!“)

Taharrush gamea
Erprobt auf dem
Tahrir-Platz

Die Emanzipation der Frauen ist seit jeher der Hauptfeind der muslimischen Fundamentalisten, gegen sie gibt es zahllose Pamphlete. Der so genannte „Islamische Staat“ ist dabei nur die Spitze des Eisberges dieser längst international organisierten Terroristen, ihre Basis erstreckt sich von Teheran bis Köln oder Paris.

Die Islamisten führen Krieg gegen den Westen – spätestens seit dem 11. September, und der Westen zittert vor Anschlägen mit Kalaschnikows und Selbstmordattentätern mit Sprengstoffgürteln, wie in Paris oder Istanbul. Mit weiteren gezielt organisierten Anschlägen wird gerechnet. Denn das hohe Wissen der Strategen des Heiligen Krieges über uns und ihre militärische Erfahrung sind bekannt, ja berüchtigt.

Jetzt kommt also offensichtlich ein neues Element hinzu: die sexuelle Gewalt gegen Frauen. Sie ist seit jeher eine Waffe im Krieg. Damit schlagen die Täter zwei Fliegen mit einer Klappe: Erstens werden so die Frauen körperlich und seelisch zerstört. Zweitens werden so ihre Männer – Väter, Brüder, Ehemann – gedemütigt: Der Gegner ist noch nicht einmal in der Lage, seine „eigenen“ Frauen zu schützen (Susan Brownmiller analysierte diese Strategie als erste 1975 in „Gegen unseren Willen“). Bei der Variante taharrush gamea sollen die Frauen im arabischen Kulturkreis außerdem mit dem sexuellen Terror aus dem öffentlichen Raum vertrieben werden.

In 6 Ländern,
gleichzeitig -
ein Zufall?

In Köln gibt es bis jetzt 650 Anzeigen, mehr als die Hälfte wegen sexueller Gewalt in der Silvesternacht. Von Hamburg werden 205 Anzeigen gemeldet. In Bielefeld haben etwa 500 Männer „nordafrikanischer, arabischer Herkunft“ versucht, eine Disco zu stürmen, heißt es. Es ist ihnen nicht gelungen, sonst hätten wir auch von da ein paar hundert Anzeigen. Und die Aufzählung könnte immer so weiter gehen: Stuttgart, Wien, Kopenhagen, Stockholm.

Das alles soll Zufall gewesen sein? Sehr unwahrscheinlich!

Hat der „Islamische Staat“ also ein rotes Handy, von dem aus er persönlich in Köln, Zürich oder Kopenhagen anruft? Nein, das hat er gar nicht nötig. Die Strukturen der islamistischen Terroristen sind dezentral, wie wir wissen – es genügen gezielte Impulse aus der Zentrale. So würden bei den über 1.000 Männern am Kölner Hauptbahnhof eine Handvoll Provokateure gereicht haben, die das Ganze seit ein, zwei Wochen vorbereitet haben. Von Handy zu Handy, von Mund zu Mund: Silvester gehen wir Frauen klatschen! Diese „Huren“, die da abends auf der Straße sind, haben es nicht anders verdient...

Es wäre die subversivste Waffe. Jeder Mann hat sie.

Kurzum: Befinden wir uns in einem neuen Stadium des „Krieges“ der Islamisten gegen den Westen? Ein Stadium, in dem zu den bekannten Waffen nun die der Sexualgewalt hinzukommt? Das wäre die wohl subversivste Waffe. Denn jeder Mann hätte sie bei sich - und keine Kontrolle könnte dagegen etwas ausrichten.

Nicht nur ich und arabische Feministinnen, auch deutsche Minister stellen sich seit Tagen diese Fragen. Dass ein Spiegel-Online-Autor am 15. Januar das noch nicht einmal ahnt, ja auch noch dummdreist über diese These hämt, das ist nicht nur sein Problem und das eines Blattes, das so etwas veröffentlicht. Die Ignoranz vieler Medien in Deutschland ist unser aller Problem. Vor allem das von uns Frauen.

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Alice Schwarzer (Hrsg.): "Die große Verschleierung. Für Integration. Gegen Islamismus". (2011, KiWi, das Buch ist nur noch als Ebook erhältlich) und "Die Gotteskrieger und die falsche Toleranz" (2002, KiWi). mehr

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