Offener Brief: Lieber Kollegah!
Lieber Kollegah,
wir „verweichlichten Pressepussys“ möchten dir danken! Du hast uns die Augen geöffnet. Das Einzige, was uns Emanzen fehlte, war ein „Alpha-Mann“.
Nach der Lektüre deines Buches haben wir uns umgeschaut und waren schockiert: Auf den Straßen, in den Cafés, ja sogar in unseren eigenen vier Wänden trafen wir nur auf Beta-Männer, schlimmer noch: Gamma-, Delta- und Epsilon-Männer: „Lauch“ so weit das Auge reicht.
Also haben wir umgehend gehandelt. Innerhalb weniger Tage war unser Umfeld gründlich entrümpelt. Alle Erfolglosen, alle Bierbäuchigen, Weinerlichen, Zerbrechlichen, alle „Schmuseplatten-Sammler mit Pommespiekser-Ärmchen“ haben wir entsorgt. An ihre Stelle treten nun richtige Männer, Alpha-Männer eben. Wir Feministinnen wissen, was wir wollen: nämlich immer nur das Beste.
Überall nur
Beta-Männer - "Lauch" soweit das Auge reicht
Aber wir sind ja nicht herzlos. Und deshalb haben wir all den schlappen Männern ein Exemplar deines Buches mit auf den Weg gegeben. Man merkt es uns nicht immer an, aber auch wir wünschen uns unseren Prinz Alpha in weißem Mercedes – „Model S-Klasse AMG mit 1000 PS und Goldfelgen“. Auch wir wollen einen muskelbepackten Mann, der uns charmant die Tür zu seiner Villa öffnet, und uns „fickt, bis das Steißbein bricht“.
Sollten wir in Zukunft hin und wieder zurückfallen in überholte Muster und behaupten, eine emanzipierte Frau wünsche sich beruflichen Erfolg, Unabhängigkeit oder eine Beziehung auf Augenhöhe, vergib uns bitte, wir können so schnell nicht aus unserer aller Haut. Im tiefsten Inneren unserer Selbst aber wissen wir nun: „Frauen wollen vom Mann geführt werden. Es liegt einfach in der Natur der Frau, dass sie eine starke Schulter braucht, die sie führt und die ihr Sicherheit gibt.“
Wir möchten Dir auch im Namen all der orientierungslosen Männer danken, die dein Buch gekauft haben. Sofort auf Platz 1 der Bestseller-Listen – wir gratulieren zu diesem Erfolg.
Du hast ihn dir redlich verdient. Du machst es ganz deutlich, was du von der Mehrzahl von Lebensratgebern hälst: Sie sind „wacker Scheiß (auf Deutsch: schlecht)“. Die Autoren dieser Bücher tun nichts als „altbackene Motivationssprüche zu sammeln“ und zu recyceln. Wie anders doch dein Buch:
„Das Erste Gebot der Bosshaftigkeit: Du sollst niemals den leichten Weg gehen!
Das zweite Gebot: Du sollst aus deinen Fehlern lernen!
Das dritte Gebot: Du sollst dir realistische Ziele setzen.“
Ich könnte fortfahren, doch du kennst sie ja, deine unverwechselbaren Gebote, die dem „verarmten, faulen, unterfickten, unsicheren, erfolglosen, skinnyfatten TOTAL-LAUCH“, kurz: deinem Leser, nun endlich Reichtum, Ruhm und Sex en masse garantieren.
Aber dann
kamst du,
Hunsrücker Jung!
Aber wer will den unterfickten TOTAL-LAUCHS schon einen Vorwurf machen? Es ist eine schwere Zeit für sie. Wo gibt es schon noch echte Vorbilder? Auf den Straßen: Kinderwagen-Daddys an der Hand von Top-Managerinnen, dazu Schwulitäten, so weit das Auge reicht. Mann muss aufpassen, was er sagt, mann muss seine Hand bei sich behalten, mann muss im Beruf mit frau konkurrieren. Fast wäre mann so klein geworden, wie er hier geschrieben wird. Aber dann kamst du, der Hunsrücker Jung! Und du sprachst: Er werde Alpha! Und er ward Alpha! Und du sahst, dass es gut war.
Oder vielleicht doch nicht? Bist du etwa nur ein Wölflein, das laut heult – so wie dein kürzlich im Stern enthüllter Bruder Bushido?
Das fragt sich
Die EMMA-Praktikantin
Sonja