Britney: Oops, she did it again!

Britney Spears hat ihre Autobiografie geschrieben - und überrascht mit einer Leerstelle.
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In den Südstaaten zielte die Kindererziehung früher vor allem darauf ab, den Eltern Respekt zu zollen und den Mund zu halten. Bei mir zu Hause durfte man einem Elternteil nie widersprechen. Den Regeln zufolge musste man schweigen, egal wie schlimm es kam.“ Statt zu sprechen, sang das Mädchen. Das Ergebnis ist bekannt. Britney Spears wurde schon mit 17 einer der größten Popstars der Welt.

Nun hat die „Princess of Pop“ also im Alter von 42 Jahren ihre Autobiografie veröffentlicht, die mit diesen Sätzen beginnt. Vieles, was Spears auf knapp 300 Seiten beschreibt, ist bekannt: Der Weg des supertalentierten Mädchens aus Mississippi, das mit viel Leidenschaft und Fleiß auf eine Weltkarriere hinarbeitet; die Liaisons mit Justin Timberlake und Kevin Federline; der Zusammenbruch inklusive Kopfrasur vor den klickenden Kameras der Paparazzi; die Vormundschaft durch ihren Vater, die im November 2021 nach 13 Jahren, nicht zuletzt dank der Bewegung #FreeBritney, endlich beendet wurde. Was ihr in dieser Zeit angetan wurde, in der sie mit ihren Shows Millionen verdiente, über die sie nicht selber verfügen durfte, und wie der Vater jeden ihrer Schritte von Ernährung bis Verhütung kontrollieren ließ – darüber haben die Medien aus führlich berichtet.

Eins jedoch wussten wir bisher noch nicht. Und es sagt einiges über das Leben dieser Frau, die als Pop Lolita verkauft wurde – und sich verkaufen ließ – und deren Superhits Titel trugen wie: „Hit Me Baby One More Time“ oder „I’m a Slave 4 U“. Britney Spears sang diese Songs halb nackt im Prostituierten Look in einem Käfig oder kroch im schwarzen Latexanzug über die Bühne und fraß aus einem Hundenapf.

In der Familie Spears ist es üblich, Frauen schlecht zu behandeln und ihnen Gewalt anzu tun. Der Großvater mütterlicherseits holt seine mondäne Frau aus London auf seinen Milchbauernhof in Louisiana. Er verbietet ihr fortan das Reisen, sie vergräbt sich in Bücher und entwickelt einen Putzzwang.

Viel schlimmer ergeht es jedoch Britneys Großmutter väterlicherseits. Großvater June misshandelte seine Frau Jean, und schickte sie ins Southeast Louisiana Hospital, „eine grauenhafte Nervenheilanstalt, wo man sie unter Lithium setzte“. Auch Britney Spears wurde während ihrer Vormundschaft mit Lithium „behandelt“. Oops, they did it again.

Diese Großmutter erschoss sich mit 31 Jahren. Auch June Spears‘ zweite Frau landete in der Psychiatrie, eine seiner Töchter floh mit 16 aus dem Haus. Der Vater hatte sie ab ihrem elften Lebens jahr sexuell missbraucht.

Seinen Sohn Jamie – Britneys Vater – malträtierte June auf andere Weise: Mit unmenschlichem Drill trainierte er den Jungen in Basketball bis zur totalen Erschöpfung. Jamie Spears wird später dasselbe mit seinem Sohn tun, zu Tochter Britney ist er „rücksichtslos, kalt und gemein“.

Der schwere Alkoholiker betrinkt sich bis zur Bewusstlosigkeit, verschwindet oft tagelang, und versäuft seine Baufirma. Dass ausgerechnet dieser „bankrotte Alkoholiker“ später als Vormund seiner angeblich „geisteskranken“ Tochter eingesetzt wird – und sich an ihren Millionen kräftig bedient – kann Britney Spears bis heute nicht fassen. „Wie viele Männer haben ihr gesamtes Geld verzockt, wie viele hatten Drogenprobleme oder psychische Störungen? Aber niemand hat versucht, ihnen die Kontrolle über ihren Körper und ihr Geld zu nehmen“, schreibt sie.

Umso mehr überrascht die Leerstelle in ihrem Buch. Kein Wort zu der hypersexualisierten Darstellung, mit der sie schon als Teenager vermarktet wurde. Das legendäre Fotoshooting der spärlich bekleideten 17-Jährigen in ihrem Kinderzimmer zwischen Puppen und Stofftieren im Rolling Stone? „Meine Mutter wirkte besorgt, doch mir war klar, dass ich mich gern wieder von David LaChapelle fotografieren lassen würde.“ Das Buchcover zeigt eine junge Britney mit nacktem Oberkörper und Schmollmund. Und auf Instagram postet sie ein Nacktbild nach dem anderen, weil sie jetzt „end lich über ihren Körper bestimmen kann“. Hat die Frau noch nicht alles gesagt, was dem Mädchen widerfahren ist? Oder ist es ihr selber immer noch nicht klar?

„The Woman in Me“ hat Spears ihre Autobiografie genannt. Eine Anspielung auf einen ihrer großen Hits aus dem Jahr 2002: „I’m Not a Girl, Not Yet a Woman“. Spears war damals 21 und „kein Mädchen mehr, aber auch noch keine Frau“. Jetzt, so will uns die heute 42-Jährige offenbar sagen, ist aus dem All American Girl endlich eine erwachsene Frau geworden, die Herrin über ihr Leben ist. Aber warum tut Britney Spears dann immer noch genau das, was man ihr als Teenager beigebracht hat? Oops, she did it again.

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