Oscar-Gewinnerin für Frauenrechte!

Arquette: "Zeit, für Frauenrechte zu kämpfen!" © Robyn Beck/AFP/Getty Images
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Sie hatte es sich vorgenommen – und schon sehr bewusst ihr Amazonenkleid angezogen: verdeckter Busen und freie linke Schulter. Sodann ergriff sie energisch mit der Linken den Oscar und sagte ins Mikrophon: „Wir haben für die Gleichberechtigung aller anderen gekämpft. Nun ist es an der Zeit, dass wir auch für gleiche Bezahlung und gleiche Rechte für Frauen in den USA kämpfen!“ Jubel bei den Frauen. Meryl Streep springt auf und klatscht begeistert.

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Patricia Arquette hat den Oscar als „beste Nebendarstellerin“ für ihre Rolle in „Boyhood“ bekommen. In dem Film, der in Berlin mit dem Silbernen Bären prämiert worden war und der das Erwachsenwerden eines 12-jährigen Jungen begleitet, spielt sie die energische, alleinerziehende Mutter. Regisseur Richard Linklater hat den Film in 40 Tagen gedreht – sich aber zwölf Jahre Zeit dafür genommen. Wir sehen also nicht nur den Jungen älter werden, sondern auch die von Arquette gespielte Mutter.

„Ich kann mir in dem Film selbst dabei zusehen, wie ich rapide altere. Manchmal von einer Szene zur nächsten“, sagte die heute 46-Jährige in einem Spiegel-Interview. „Aber ehrlich gesagt, ich möchte keine 18 oder 34 mehr sein. Alt zu werden, ist befreiend. Ich bin weniger unsicher und – im Gegensatz zu früher – im Reinen mit mir selbst. Ich bin freier in meinen Entscheidungen. Es interessiert mich nicht mehr, was andere von mir erwarten. Wie ich auszusehen habe oder was ich tun und lassen soll.“

Alt zu werden, ist befreiend. Es interessiert mich nicht mehr, was andere von mir erwarten.

Ergo hat sich Arquette auf dem Höhepunkt der glamourösen Oscar-Verleihung sogar an das so gar nicht glamouröse Thema Frauenrechte gewagt. Die Schauspielerin weiß, wovon sie spricht. Sie kommt aus einer armen Familie mit vier Kindern, in der die Mutter sich trotz allem den Raum für ihre Schriftstellerei nahm. Vater und Großvater waren Schauspieler, die Geschwister sind es auch alle geworden. Sie selbst ist die Mutter eines Sohnes und, in einer zweiten Beziehung, Mutter einer Tochter.

Doch obwohl es für Arquettes schauspielerisches Talent schon lange viele, viele Belege und Filme gibt, hatte Hollywood zuletzt kaum noch Rollen für sie – wie für alle älter werdenden Schauspielerinnen nicht. Also ist sie ins Fernsehen gegangen, mit Erfolg („Das Medium“). Doch jetzt hat Hollywood Patricia Arquette wieder, Dank eines Regisseurs, der einen ungewöhnlichen Film gewagt hat – mit einer ungewöhnlichen Darstellerin.

"Boyhood" gibt es auf DVD und Blu-ray (Universal Pictures).

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Meryl Streep: Was für eine Traumfrau!

Meryl Streep: "Natürlich bin ich Feministin!" - Foto: Vera Anderson/getty images
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Man findet bei ihr einfach kein Haar in der Suppe. Kein einziges. Nicht, dass man danach suchen würde, aber für gewöhnlich taucht bei einer berühmten Schauspielerin doch automatisch der eine oder andere Ausrutscher auf. Eine mit Blick aufs Konto ausgewählte Filmrolle in einem blöden Blockbuster, ein distanzierender Spruch zum Feminismus, ein Lifting, irgendwas. Bei Meryl Streep: Fehlanzeige. Die Frau ist einfach perfekt.

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Als Schauspielerin sowieso. Shirley MacLaine findet sie „überirdisch“, Diane Keaton bezeichnet sie als „Genie“ und Carrie Fisher erklärt sie zur „fucking best actress of the world“. Sogar die große Bette Davis schrieb ihr einmal einen bewundernden Brief, in dem sie Meryl Streep zu ihrer „legitimen Nachfolgerin“ erklärte.Doch die Frau, die gerade ihren dritten Oscar gewann und mit 17 Nominierungen den Rekord der meistnominierten Schauspielerin aller Zeiten hält, hält Abstand von der Traumfabrik. „Ich gehöre da nicht hin“, sagt Streep. Statt in Hollywood lebt sie in New York, seit 33 Jahren mit „einem großartigen Mann“, dem Bildhauer Don Gummer. Drei Töchter und einen Sohn hat die 62-Jährige mit ihm großgezogen. Und da Streeps Oeuvre stolze 53 Kino- und drei Fernsehfilme umfasst, darf angenommen werden, dass sich die beiden die „Familienarbeit“ teilen.

Die Filme. Antifaschistisch, antikrieg, antiatom – alles dabei, und das von Anfang an: „Holocaust“ (1978), „Die durch die Hölle gehen“ (1978), „Silkwood“ (1983). Meryl Streep spielte alles, was das Emanzenherz begehrt: die Actionheldin in „Am wilden Fluss“, die lesbische Intellektuelle in „The Hours“ und als „Mamma Mia“ ihre Filmtochter in Sachen Vitalität und Sexyness dreimal an die Wand. Singen konnte sie, im Gegensatz zu anderen DarstellerInnen, auch. Und jetzt ist sie also Margaret Thatcher. Endlich, ein Haar?

Die Konservativen warfen dem Film vor, dass er die heute 86-jährige Ex-Regierungschefin vor allem als alte, demente Frau zeigt. Einige Feministinnen sind auch der Meinung. Die Linken beklagten das Gegenteil: Der Film vermenschele die knallharte New Economy-Lady und Gewerkschafts-Hasserin und vernachlässige ihre unsoziale Politik. Meryl Streep, die in New Jersey an der liberalen Ostküste aufwuchs, hat die erzkonservative Thatcher ebenfalls „verabscheut“. Aber Streep hält die „Neugierde für eine der wichtigsten Voraussetzungen für ihren Beruf. Denn Neugierde ist eine Form von Zweifel: Es geht darum, dass man unbedingt wissen will, was sich hinter den Fassaden verbirgt.“

Hinter Thatchers steinharter Fassade verbarg sich laut ihrer Darstellerin Folgendes: „Als sie 1979 an die Macht kam, war sie der erste weibliche Regierungschef der westlichen Welt. Wenn man da Gefühle zeigt und weint, wäre das automatisch ein Eingeständnis, dass man für eine solche Position nicht geeignet ist. Damals regierte in England eine Männerhierarchie aus der Oberschicht. Dass Thatcher sich dort durchsetzte, finde ich heute schier unglaublich.“ Streep, die „einen analytischen Zugang zu allen Rollen hat“, erklärt weiter: „Der Hass, der sich auf Margaret Thatcher konzentriert hat, war und ist unvorstellbar.

Er hat mit diesem unglaublichen Panzer zu tun, den sie aufgebaut hat – um als erste Frau in dieser Position nicht schwach zu erscheinen. Dieses Gefängnis, in das sie sich hineinbegeben hat, um Thatcher zu werden – das hat mich vor allem interessiert.“ Zweifellos sei der Film „ein feministisches Projekt“, sagt Streep. Und „natürlich“ sei sie selbst Feministin.

Da Meryl Streep so gut wie nichts über ihr Privatleben preisgibt – und Hollywood daher seit Jahrzehnten völlig skandalfrei überlebt hat – kann man nur mutmaßen, dass in Sachen Feminismus Mutter Mary, eine Grafikerin, ihre Hand im Spiel gehabt haben könnte. „Ich habe sie zutiefst bewundert“, sagt Streep. „Sie war jemand, der einen Raum schlagartig mit ihrer Präsenz erleuchtete.“ Tochter Meryl, die mit zwei jüngeren Brüdern aufwuchs, machte ihren Bachelor am berühmten Frauencollege Vassar und wechselte für den Master an die „School of Drama“ nach Yale. Zwei ihrer eigenen Töchter wollen jetzt in die Fußstapfen der Mutter treten, und Meryl Streep sieht das mit einem lachenden und einem weinenden Auge: „Für junge Schauspielerinnen ist das Geschäft härter geworden. Sie müssen heutzutage bizarre Medienerwartungen bedienen und sich zum Sexobjekt degradieren, um aufs Cover zu kommen. Und sie müssen extrem hübsch und extrem dünn sein.“

Für Frauen in ihrem Alter hingegen habe sich einiges zum Besseren gewandelt. „An meinem vierzigsten Geburtstag sagte ich zu meinem Mann: So, das war’s. Wir müssen uns nach einem Altersruhesitz umsehen, denn ohne Rollenangebote kann ich mir New York nicht mehr leisten.“ Tatsächlich bekam Streep prompt drei Angebote. Alle drei Rollen: Hexen. „Aber inzwischen gibt es ein paar weibliche Studiobosse in Hollywood, und die sorgen dafür, dass auch Filme über ältere Frauen gedreht werden. Sehen Sie mal, was ich in den vergangenen Jahren für wundervolle Rollen spielen durfte!“

Ihr Ein-Millionen-Honorar, das sie für die „Iron Lady“ erhielt, hat Feministin Streep übrigens gespendet: dem „National Women’s History Museum“ in Washington, dessen Sprecherin sie ist. Bisher existiert das Museum nur virtuell. Das soll sich ändern, denn: „Geschichte wurde bis in das 21. Jahrhundert von Männern geschrieben. Und für die war die Geschichte der Frauen einfach uninteressant. Es ist notwendig, dass dieser Teil unserer Geschichte, die Mädchen und Jungen nicht kennen, aufgearbeitet und an die Oberfläche
geholt wird.“

Vergessen wir einfach die Suche nach dem Haar in der Suppe. Es gibt keins.
 

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