Wie ticken Pick-Up-Artists?
Auch Männer können schüchtern sein. Und sollten die sich dazu überwinden, eine Frau anzusprechen, währt es manchmal nur zwei Sätze – und eine peinliche Stille setzt ein. Ein Albtraum! Abhilfe schafft das Internet. In Chatrooms und Foren können sich Schüchterne und Draufgänger austauschen. Klingt harmlos? Ist es in den meisten Fällen auch. Doch wer sich in die Welt des Online-Datings eingräbt, stößt bald auf die „Pick-Up-Artists“. Die Aufreiß-Künstler. Ihre Methode: Abschleppen nach dem Fließbandprinzip. Ihr Ziel: Frauen flachlegen – und möglichst schnell wieder abschieben.
Dass Männer darüber sprechen, mit welchen Sprüchen und Taktiken sie beim anderen Geschlecht Erfolg haben, ist ja weder neu noch besonders aufregend. Es beginnt in der Pubertät und endet – tja. Aber in Pick-Up-Communitys hat das neue Qualität.
Ihre Methode: Abschleppen nach dem Fließbandprinzip.
Wer sich in ein Pick-Up-Forum verirrt, muss sich erst mal durch ein Glossar arbeiten. Das Glossar auf pickupforum.de mit über 100.000 Mitgliedern umfasst ausgedruckt zehn DinA4-Seiten. Ein HB zum Beispiel ist ein „Hot Babe“. Nicht zu verwechseln mit DHB, einem „Distance Hot Babe“. Sprich: einer Frau, die nur aus der Distanz gut aussieht. Das ausgewählte HB wird zum „target“, zum Ziel der Begierde. Es folgt der sogenannte „Opener“, der erste Spruch. Die Community-Mitglieder sind sich einig, dass „der einfachste und beste Opener immernoch ‚Hi!‘ ist“. Warum die Dinge auch unnötig kompliziert machen.
Pick-Up-Artists, kurz „PUAs“, treten alleine oder in Rudeln auf. „Raptor Gaming“ nennt sich die folgende Strategie: „Die PUAs bummeln durch die Innenstadt und auf einmal öffnet einer ein Set. Der Rest der Gruppe geht zwei Meter weiter und stellt sich dann im Halbkreis auf, um das Set zu beobachten. Das ganze ähnelt einer Gruppe Raptoren, die darauf warten sich gleich auf die Beute zu stürzen.“ So steht’s wirklich im Glossar.
Aber damit ist die Mission noch nicht erfüllt. Nun geht es darum, die Erlebnisse der Pick-Up-Community mitzuteilen. Ein Mann namens „got-milk“ hat zum Beispiel eine junge Frau kennengelernt, mit der er sich zwar gut versteht, die ihn aber „nicht ranlassen will“. Also wendet er sich an seine Foren-Brüder: „Soll ich einfach so weitermachen und abwarten bis sie es zulässt? Oder soll ich meine Strategie ändern?“
Die Antworten lassen nicht lange auf sich warten: „Bisschen Zeit geben und erstmal Vertrauen schaffen. Und locker bleiben. Nicht alle Frauen lassen sofort jeden rein.“ Oder: „Vielleicht hat sie auch einfach ne Harnröhrenentzündung oder ist im schlimmsten Fall HIV-positiv und will vorher erst drüber reden“. Wieder andere wissen: „Du wirst es nicht glauben, aber es gibt echt Frauen, die finden Reiben geiler als Penetrieren.“
Wem das nicht reicht, der kann sich Hilfe bei den sogenannten „Coaches“ suchen, die mittlerweile auch in Deutschland Kurse anbieten, um aus ängstlichen Jungs furchtlose Ladykiller zu machen. Einer der Bekanntesten heißt Maximilian Pütz. Wer sich auf seiner Website registriert, bekommt umgehend ein Pdf mit Tipps zugeschickt, wie mann „zehn typische Datingfehler“ vermeidet. Pütz geizt nicht mit Eigenlob für sein „Casanova Coaching“. Wer das beherrscht, „kriegt wildfremde Frauen auf offener Straße in weniger als 15 Minuten zum Sex.”
Wer einmal in Pützens Fängen geraten ist, erhält alle zwei bis drei Tage Einladungen zu weiteren Schulungen. Die kann (und soll) man über seine Website buchen. Das Einsteigerprogramm „Casanova Code Basic“ dauert zwei Tage. Und kostet 549 Euro. Andere Aufreiß-Künstler haben „Flatrates“ im Angebot: Ein Jahr Coaching für 30.000 Euro (dreißigtausend). Pro Kursteilnehmer.
Ihr Ziel: Frauen flachlegen – und schnell wieder abschieben.
Tom Cruise spielte 1999 in „Magnolia“ einen solchen Coach für frustrierte Männer, stets dem Mantra folgend: „Respektiert den Schwanz! Und zähmt die Fotze.“ Den Startschuss gab der US-Journalist Neil Strauss 2005 mit seinem Buch „Die perfekte Masche. Bekenntnisse eines Aufreißers“. Darin beschreibt er sein Leben in der Pick-Up-Community. Inzwischen blüht eine wahre Pick-Up-Industrie.
Dabei würde es für die Schüchternen an der Bar manchmal schon reichen, einfach am eigenen Selbstbewusstsein zu arbeiten. Denn sie sind ja nicht alleine.