Kampf gegen Zwangssterilisation von Roma
Wie ist Poradna entstanden?
Vanda: 2001 haben tschechische Aktivistinnen die Organisation gegründet, um sich für die Rechte von Roma in der Slowakei einzusetzen. Dabei sind sie auch auf die Zwangsterilisationen aufmerksam geworden. Andere Frauenorganisationen haben das Thema damals einfach ignoriert.
Wie sieht Ihre Arbeit aus?
Ingrid: Wir gehen in die Dörfer zu den Frauen und sprechen mit ihnen. Als wir mit unserer Arbeit angefangen haben, war den meisten gar nicht klar, was ihnen passiert ist. Sie kannten den Begriff Sterilisation nicht.
Vanda: Sie haben nur bemerkt, dass sie keine Kinder mehr bekommen können. Und viele haben erst erfahren, dass sie sterilisiert wurden, als wir mit ihnen ins Krankenhaus gegangen sind und sie dort untersucht wurden.
Wie reagieren die Frauen?
Ingrid: Natürlich sind die Frauen entsetzt. Viele von Ihnen möchten gerne mehr Kinder haben. Einige Frauen sind deshalb bereit, vor Gericht zu gehen. Andere möchten nicht. Sie haben Angst oder einfach kein Vertrauen in die Rechtsprechung.
Was passiert den Frauen?
Vanda: Eine der Roma, die wir betreut haben, war mit dem zweiten Kind schwanger und als sie schon in den Wehen lag, wurde sie mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht. Während der Entbindung kamen Mitarbeiter des Krankenhauses zu ihr und haben sie ein Papier unterschreiben lassen, auf dem stand, dass sie der Sterilisierung zustimmt. Sie wusste aber, wie gesagt, gar nicht, was sie da unterschreibt. Und als sie fragte: Was soll das? - haben sie ihr gesagt, sie muss das unterschrieben, sonst könnte sie sterben. Natürlich hat sie unterschrieben, in so einem Schreckzustand unterschreibt man doch alles! Wir haben das Formular gesehen, ihre Unterschrift war krakelig und lief quer über das ganze Papier. Kurz danach haben die Ärzte einen Kaiserschnitt durchgeführt und sie bei der Gelegenheit gleich sterilisiert. Warum sie nicht mehr schwanger werden konnte, hat sie erst Jahre später erfahren.
Wie viele Frauen sind betroffen?
Genaue Zahlen sind unbekannt, aber immer wenn wir mit Roma über das Thema sprechen, stellen wir fest, dass es tatsächlich sehr viele sind. Im Jahr 2003 hatten wir Kontakt zu 100 bis 120 Frauen. Aber wir gehen davon aus, dass die Dunkelziffer viel höher ist.
Wer verantwortet die Sterilisationen?
Vanda: Die Praxis gab es schon zu Zeiten des Kommunismus. Das ging damals soweit, dass den Frauen, die sich zur Sterilisation haben überreden lassen, finanzielle Vorteile versprochen wurden. Und da Roma sehr oft sehr arm waren, haben sie zugestimmt. Die Sterilisation war also früher gesetzlich abgesichert. Als das Regime fiel, wurde diese Grundlage zwar abgeschafft, aber die Praxis wurde fortgeführt. Die Ärzte, die sie durchführen, werden bis heute nicht bestraft. Wir habe zum Beispiel eine Frau vertreten, die im Jahr 2001 sterilisiert worden ist – also Jahre nach dem Ende des kommunistischen Systems!
Was hat sich geändert?
Die Zwangsterilisation ist heute in der Slowakei verboten. Und mit den Urteilen des Gerichtshofs muss auch die slowakische Regierung dieses Unrecht endlich anerkennen und Verantwortung übernehmen.
Über Filia
„Freiheit von Gewalt“ und „Partizipation“ für Mädchen und Frauen: Filia fördert als Stiftung Frauenprojekte auf der ganze Welt – und arbeitet dafür auch mit ausgewählten Frauenförderungen in den jeweiligen Ländern zusammen. Mehr über Filia: www.filia-frauenstiftung.de