Pornografie: Das kalte Herz
Aber auf Pornographie zu stoßen war, als ob wir einen geheimen Code gefunden hätten, der unser Leben gleichzeitig unsichtbar gemacht und bestimmt hat. Was da vor uns lag, war das kalte Herz der Frauenfeindlichkeit: Macht und Machtlosigkeit als Sex. Pornographie macht Sexismus sexy.
In einigen der "Snuff"-Porno-Filme werden Frauen und Kinder zu Tode gefoltert, ermordet für einen Sex-Film. Goebbels' Film über den langsamen Foltertod der Generäle, die das Attentat auf Hitler planten, und die an Klavierdrähten erhängt wurden, mag ein Vorläufer gewesen sein.
Die Pornographen von heute scheinen allerdings etwas gelernt zu haben, denn die Zuschauer rennen nicht mehr kotzend aus dem Kino, wie es die Deutschen damals taten. Sie bleiben und masturbieren. Andrea Dworkin sagte mir einmal, dass es keinen einzigen lebenden Juden mehr in Europa geben würde, wenn Hitler das gewusst hätte, was Pornographen heute über Sex wissen.
Weil das Vergnügen, das Pornographie bereitet, ein "sexuelles" ist, gilt es als nicht überprüfbar. Fragen dürfen nicht gestellt werden. Wir sind als "Faschisten" beschimpft worden, weil wir uns weigern, die Allmacht der Pornographie hinzunehmen. Wir werden "unwissenschaftlich" genannt, weil wir den Frauen glauben, was sie über den Einfluss von Pornographie auf ihr Leben bezeugen.
Ja, Pornographie ist Propaganda. Ja, Pornographie ist ein Ausdruck männlicher Ideologie. Ja, Pornographie ist die Literatur des Hasses, die Dokumentation von Verbrechen. Ja, Pornographie ist ein Instrument des sexuellen Faschismus, sie ist Symbol, Ausdruck, Symptom männlicher Dominanz. Ja, Pornographie ist ein Ideologie-Träger wie jedes systematische gesellschaftliche Verhalten. - Aber all das sagt noch nicht, was Pornographie wirklich ausmacht, wie sie funktioniert, was so besonders gefährlich an ihr ist, warum wir sie aufhalten müssen.
Pornographie, das sind nicht nur Worte und Bilder - es sind auch systematische Taten gegen Frauen, die alle Ebenen ihrer gesellschaftlichen Existenz angreifen. Pornographie herzustellen, ist eine Tat gegen Frauen; sie zu verkaufen, ist eine Serie Taten. Der Konsum ist eine Tat gegen Frauen und löst immer weitere Taten aus, die das Leben von immer mehr Frauen bedeutungslos, ungleich, gefährlich machen. Darum sind auch der Schutz und die Verteidigung der Pornographie Handlungen gegen Frauen.
Schon die Herstellung von Pornographie ist ein Geschäft mit sexueller Sklaverei. Der Konsum von Pornographie macht Frauen zu Untermenschen, Menschen zweiter Klasse - und potentiellen Opfern.
Männer, die Pornos benutzen, erleben in ihren Körpern und Köpfen, dass Einweg-Sex sexy ist; dass sexueller Gebrauch sexy ist; das sexueller Missbrauch sexy ist; dass sexuelle Unterdrückung sexy ist. Das ist die Sexualität, die diese Männer dann fordern, kaufen und praktizieren. Pornographie ermöglicht ihnen, geschlechtliche Hierarchien so richtig zu genießen und auszuleben.
Das Problematische an der Pornographie ist nicht ihre Aussage, sondern ihre Auswirkung: Pornographie verletzt die Menschenrechte von Frauen. Die Gerichte aber entschieden, nicht eben überraschend, dass die Verfassung der USA "Pornographie als Meinungsfreiheit schützt". Zwar würde Pornographie all den Schaden anrichten, den wir bewiesen haben, andererseits sei sie aber auch eine "Meinungsäußerung", ein "Standpunkt". Unser Kampf geht weiter, während Sie dies lesen.
Bei den Anhörungen in Minneapolis, bei der ersten Vorstellung unseres Gesetzes, wurde ausgiebig dokumentiert, welchen Schaden Pornographie anrichtet, was von einem Beobachter mit den Nürnberger Prozessen verglichen wurde. Forschungen und klinische Befunde bewiesen, was Frauen längst aus eigener Erfahrung wissen: Pornographie steigert Aggressivität, in Einstellung und Verhalten, von Männern gegenüber Frauen.
Wir erfuhren, dass Männer umso mehr Missbrauch und Gewalttätigkeit in den Darstellungen verlangen, je mehr Pornographie sie sehen. Je gewalttätiger die Pornographie wird, umso besser gefällt sie Männern, umso mehr werden sie selbst gewalttätig, und umso weniger erkennen sie das Verletzende daran. Mit anderen Worten: Die Konsumenten von Pornographie werden unfähig, die schädigende Auswirkung daran zu erkennen, weil sie sie sexuell genießen.
Männer denken oft, dass sie zwar Pornographie konsumieren, "so was" selbst aber nie tun würden. Doch der Konsum von Pornographie macht es ihnen mit der Zeit selbst unmöglich, zu sagen, wann Sex erzwungen ist. Sie sehen nicht mehr, dass Frauen Menschen sind und dass Vergewaltigung Vergewaltigung ist. Pornographie macht Männer feindselig und aggressiv gegenüber Frauen und lässt Frau- en verstummen. Wer das nicht glaubt, muss sich nur irgendwann einmal öffentlich gegen Pornographie aussprechen...
In unserem Entwurf eines Menschenrechts-Gesetzes, das es den Opfern möglich macht, Schadensersatz zu fordern und den Pornographen Einhalt zu gebieten, wird Pornographie als klare sexuelle Unterdrückung von Frauen durch Bilder oder Worte definiert - was auch heißt, dass Frauen als entmenschlichte Sexualobjekte dargestellt werden, die Schmerz, Erniedrigung oder Vergewaltigung "genießen"; dass Frauen gefesselt, verstümmelt, zerstückelt oder gefoltert werden; dass Frauen in Positionen der Unterwürfigkeit oder Zurschaustellung dargestellt werden, von Objekten oder Tieren penetriert. Männer, Kinder und Transsexuelle, die manchmal auch, ganz wie Frauen, durch und in der Pornographie verletzt werden, könnten mit denselben Argumenten Klage erheben.
Unterordnung ist ein gängiges Mittel, jemanden in eine ungleiche Position oder in eine Position des Machtverlustes zu bringen. Ein Untergeordneter ist das Gegen- teil von einem Gleichgestellten. Wärter/Gefangener, Lehrer/Schüler, Chef/ Arbeitnehmer - all dies sind Verhältnisse von Über- und Unterordnung. Wir meinen, dass Männer und Frauen nicht in einem solchen Verhältnis zueinander stehen müssen. Viele Leute können sich Sex dann aber nicht mehr vorstellen.
Ein Teil der männlichen Definition von Pornographie war bisher ihre Undefinierbarkeit. Unsere Definition ist die Definition der Pornographen. Pornographie wird nach Rezept gemacht. Sie variiert nicht. Keinem Pornographen fällt es schwer, herauszufinden, wie er Pornographie herstellen muss. Keinem Sexshopbesitzer fällt es schwer, zu wissen, was er im Sortiment haben sollte. Keinem Konsumenten fällt es schwer, zu wissen, was er kaufen sollte. Wir haben nur beschrieben, was sie alle längst wissen.
Im amerikanischen Recht wird Meinungsfreiheit bis zu einem gewissen Grade eingeschränkt, wenn Bilder und Worte als irreführend, obszön, unanständig, rassistisch, nötigend, bedrohlich, zudringlich, belästigend oder unästhetisch befunden werden. Ein Kind für Sex-Bilder zu benutzen oder mit solchen Bildern zu handeln oder sie zu erwerben, ist ein Verbrechen. Und trotzdem wird uns Frauen gesagt, dass es keine Rolle spielt, wenn Pornographie erzwungen, gewalttätig oder diskriminierend ist, da Pornographie nur eine "Meinungsäußerung" über Frauen sei. Es scheint so, als sei unser Schmerz, unsere Erniedrigung, die Folter und Benutzung das, was sie "äußern", was sie sagen wollen.
Allen Frauen stellt sich die Frage, ob wir uns darauf beschränken, hinter den Pornographen herzuräumen, die Körper, die Seelen, die verwüsteten Leben wegzuschaffen. Ob wir darauf warten, das nächste Opfer zu sein. Oder ob wir endlich versuchen, die Pornographie zu verhindern.
Frauen, so hören wir, sollten sich der Pornographie gegenüber tolerant verhalten, weil unsere Freiheit und unsere Gleichberechtigung davon abhinge, die Pornographie zu schützen. Jedes Engagement gegen Pornographie sei Unterdrückung, Zensur und Faschismus. In der Praxis bedeutet das, dass alles, was ihre Gegnerinnen tun oder sagen, "Zensur" ist.
Andrea Dworkin und ich werden Zensoren genannt und öffentlich mit Hitler verglichen, weil wir nicht aufhören, darüber zu sprechen, welche Rechte Frauen in der Verteidigung gegen die Pornographie zustehen.
Es wird immer deutlicher, dass die Pornographie in Wirklichkeit der Faschismus des modernen Amerika ist - ein Faschismus, der weltweit exportiert wird. Und es scheint, als lebten wir bereits in den letzten Tagen von Weimar.