„Nordisches Modell“ jetzt!

Foto: Geisser/IMAGO
Artikel teilen

Selten schauen Schweizer Feministinnen so genau auf Deutschland wie in diesen Tagen. Die CDU/CSU-Fraktion hat im Bundestag die Einführung des sogenannten „Nordischen Modells“ gefordert: Bordelle sollen geschlossen und Freier bestraft werden. Und der Kanzler scheint das ähnlich zu sehen. Das wäre quasi das Ende der legalen Prostitution in Deutschland.

Zürich mit seiner zahlungskräftigen Klientel gilt als einer der Prostitutions-Hotspots, aktuell mit vielen Prostituierten aus Nigeria.

Doch es gab bislang in der Schweiz keine breite kritische Debatte über den Handel mit der Ware Frau. Nur Versuche.

Einen ersten Vorstoß gab es 2018 von der Frauenzentrale Zürich, dem Dachverband von 150 Frauenorganisationen, mit der Kampagne „Für eine Schweiz ohne Freier. Stopp Prostitution!“. Das hat viele SchweizerInnen sensibilisiert.

Nun fordert die Frauenzentrale die Einführung des „Nordischen Modells“. „Das muss jetzt endlich hier kommen!“, sagt Olivia Frei von der Frauenzentrale, „der Menschenhandel und die Form von Sklaverei sind nicht mehr wegzudiskutieren!“ Die Frauenzentrale gibt erstmals einen umfassenden Überblick über die Prostitution im eigenen Land.

In der Schweiz ist Prostitution seit 1942 für Frauen und seit 1992 für Männer legal. Nur zur Erinnerung: Das Wahlrecht erhielten die Schweizerinnen erst 1971. Das Mindestalter für Prostituierte wurde 2014 von 16 auf 18 Jahre erhöht. Laut Schätzungen soll es in der Schweiz mit ihren 8,7  Millionen EinwohnerInnen um die 20.000 Prostituierte geben. (Das entspricht proportional zu Deutschland 200.000).

4.500 von ihnen sind in der Straßenprostitution. Etwa 350.000 Schweizer Männer sind mindestens einmal pro Jahr Freier. Die meisten Prostituierten leben in den Kantonen Bern und Zürich. Zürich hat drei Strichzonen, die größte ist in Altstetten, wo zehn „Verrichtungsboxen“ stehen. 2,4 Millionen Franken an Steuergeldern hat die Stadt dafür investiert. Als Vorbild dienten Anlagen in Utrecht, Köln und Essen.

Von den 20.000 Prostituierten sind 85 Prozent Migrantinnen, sie sind mehrheitlich zwischen 17 und 25 Jahre alt uns sie kommen aus Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Brasilien, der Dominikanischen Republik, Thailand, Kamerun und Nigeria. Besonders der Menschenhandel aus Nigeria boomt, die westafrikanische Mafia baut gerade in Zürich und anderen EU-Metropolen ihr Netzwerk aus.

Die Schlepper versprechen den Mädchen (manche sind erst 14) einen Job im Hotelgewerbe. Die Frauen werden dann in der Regel zwangsprostituiert und müssen erstmal 70.000 Euro „Schleppergebühr“ abarbeiten. Tun sie es nicht, werden sie und ihre Familie bedroht.

Gefragt nach dem Grund, warum sie sich prostituieren, erklärten 85 Prozent der Frauen: Aus wirtschaftlicher Not und Mangel an Alternativen. 89 Prozent der befragten Frauen, also etwa 19.000, geben an, dass sie aussteigen möchten.

Laut einer Studie leiden 68 Prozent der Frauen in der Prostitution an einer posttraumatischen Belastungsstörung, wie sie sonst nur von Kriegsveteranen und Holocaust-Überlebenden bekannt ist. Ärztinnen, die regelmäßig Prostituierte untersuchen, weisen auf spezifische Erkrankungen durch die Prostitution hin: entzündete Kiefergelenke und Rachen, zerstörte Darmflora, Blasen- und Nierenbeckenentzündungen, häufige Scheideninfektionen, Eileiter-Entzündungen sowie Geschlechtskrankheiten. Prostituierte werden neunmal häufiger vergewaltigt als andere Frauen.

Laut Swissinfo beläuft sich der Gesamtumsatz des Gewerbes auf rund 3,5 Milliarden Franken pro Jahr. Zum Vergleich: In der Gastronomie sind es 4,5 Milliarden Franken Umsatz.

Ausgabe bestellen
Anzeige
'

Anzeige

 
Zur Startseite