UN: 98 Organisationen rügen Merkel!
Hillary Clinton hielt die Eröffnungsrede und wünschte sich „eine Zukunft, in der wir das riesige Potenzial von Frauen und Mädchen freisetzen können“. UN-Generalsekretär Ban-Ki Moon beklagte die „ungehörten Stimmen der Frauen und Mädchen“ und die liberianische Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf forderte einen „Planeten 50-50“. 20 Jahre nach der legendären Weltfrauenkonferenz in Peking zogen auf Einladung der „United Nations Commission on the Status on Women“ 1.100 Nichtregierungs-Organisationen und 8.600 TeilnehmerInnen Bilanz: Wie steht es in Sachen Gleichberechtigung und was sind die Ziele für die nächsten Dekaden?
Deutschland
hat etliche Abkommen zur Prostitution ignoriert
„Eine der Herausforderungen auf dem Weg zur Gleichheit von Frauen und Männern ist auch die Bekämpfung ihrer Armut und ihrer sexuellen Ausbeutung“, erklärten die insgesamt 130 Unterzeichnerinnen eines Offenen Briefes an die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Nahezu alle repräsentieren internationale Organisationen: von der Belgierin Viviane Teitelbaum, Vorsitzende der Europäischen Frauenlobby, bis zur Amerikanerin Taina Bien-Aimé, Direktorin der „Coalition Against Trafficking in Women“; von der Russin Anna Zobnina, Chefin des „European Network of Migrant Women“, bis zur Bulgarin Nusha Yonkova, Kämpferin gegen Frauenhandel beim Irischen Immigrationsrat; von der philippinischen „Prostitution Survivors Group“ bis zur internationalen Aussteigerinnen-Initiative SPACE. Gloria Steinem unterzeichnete ebenso wie Alice Schwarzer und die Frauenlobbys, also die Dachverbände der Frauenorganisationen, aus 14 euopäischen Ländern. Es fehlt: der Deutsche Frauenrat. Aber deutsche Organisationen wie Terre des Femmes, Solwodi oder die Initiative "Stop Sexkauf" und Abolition 2014 schlossen sich an. Breiter könnte der internationale Protest gegen Deutschlands Prostitutionspolitik kaum sein.
Denn wie so oft auf internationalem Parkett herrschte auch jetzt in New York wieder einmal große Irritation darüber, dass Deutschland in Sachen Prostitution nicht etwa als Gewalt gegen Frauen sowie Ausdruck und Verstärkung des Machtgefälles zwischen Männern und Frauen versteht, sondern mit einem der liberalsten Prostitutionsgesetze der Welt Zuhältern und Frauenhändlern optimale Bedingungen geschaffen hat. Daran scheint sich trotz des Anlaufs der Großen Koalition, die fatale rot-grüne Prostitutionsreform von 2002 zu reformieren, auch in Zukunft wenig zu ändern. Die SPD blockiert, die Union resigniert.
So ist es an den Teilnehmerinnen der New Yorker Konferenz, die deutsche Bundeskanzlerin daran zu erinnern, dass Deutschland nicht nur ein menschenfeindliches Prostitutionsgesetz hat, sondern auch seit Jahren etliche internationale Abkommen zum Kampf gegen die Prostitution schlicht ignoriert. Allen voran die "UN-Konvention zur Bekämpfung des Menschenhandels und der Ausbeutung von Prostituierten", die erklärt: „Die Prostitution und das sie begleitende Übel des Menschenhandels sind mit der Würde und dem Wert des Menschen unvereinbar.“ Wer ein „Bordell unterhält, leitet oder wissentlich finanziert“, soll laut UN strafrechtlich verfolgt werden. 91 Staaten haben die Resolution unterzeichnet. Deutschland nicht. Nach 70 Jahren, finden die Unterzeichnerinnen, wäre es nun an der Zeit: „Die Ratifizierung durch Deutschland ist lange überfällig.“
Die Initiatorinnen des Appells an die Kanzlerin sprechen Merkel nicht nur als Staatschefin an, sondern auch als Frau. Sie hoffen, dass eine Frau sensibler sein müsste in Bezug auf die "Weiße Sklaverei", die sexuelle Ausbeutung der Ärmsten. Und sie lenken „die Aufmerksamkeit der Kanzlerin auch auf die Resolution des EU-Parlaments vom 26. Februar 2014“. Diese Resolution erkennt an, dass Prostitution eine „Verletzung der Menschenwürde“ ist, im „Gegensatz zu Menschenrechten und Gleichberechtigung steht“ und daher „unvereinbar ist mit der Grundrechts-Charta der Europäischen Union“.
Initiatorinnen sprechen Merkel nicht nur als Staatschefin an, sondern auch als Frau
Auch möge die Kanzlerin endlich den Appell des Europarats beachten. Der hatte kurz nach dem EU-Parlament im April 2014 die Mitgliedsstaaten aufgefordert, „die Kriminalisierung des Sexkaufs nach schwedischem Modell in Betracht zu ziehen“. Also die Bestrafung der Freier, die als Kunden den Prostitutionsmarkt überhaupt erst schaffen. Denn diese sei „die effektivste Maßnahme, um Menschenhandel vorzubeugen und zu bekämpfen“.
Und so geht es weiter in dem Brief aus New York an die Kanzlerin in Berlin. Weitere Berichte, Beschlüsse, Resolutionen und Konventionen von UN und EU zählt der Brief an Kanzlerin Merkel auf - sie alle werden von Deutschland bisher schlicht missachtet.
Das muss sich ändern! fordern die Unterzeichnerinnen, denn: „Wenn ein so reiches und wichtiges Land wie Deutschland diese internationalen Menschenrechtsvereinbarungen achtet, wäre das ein entscheidender Schritt. Die Missachtung dieser wesentlichen Prinzipien durch ein Land wie Deutschland ist hingegen ein trauriges Signal.“
Abschließend erklären die Unterzeichnerinnen: „Die Welt schaut auf Deutschland und darauf, ob es sein Prostitutionsgesetz ändert.“
Wir dürfen gespannt sein, ob und wie die Kanzlerin reagiert.
In einem weiteren internationalen Brief an Kanzlerin Merkel wird ihr Einsatz für Frauen in der Dritten Welt gefordert.
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