Welche Rolle spielt der Frauenrat?

(v.li.) M. Wersing, A. Hitzke, S. Kahl-Passoth, M. Rademacher, M. Loheide und M. Nürnberger vom Frauenrat.
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Die EMMA-Ausgabe, in der auf den Seiten 38/39 ein handfester frauenpolitischer Skandal enthüllt wird, erschien am 26. Februar. Der Skandal: Der Dachverband des Frauenrates in Berlin vertritt eine offensive Pro-Prostitutions-Position – und dies hin bis zur Kanzlerin persönlich – obwohl seine 56 Mitglieder keinesfalls alle dieser Meinung sind. Einige, wie die Frauenorganisationen der CDU/CSU oder die Feministische Partei, sind sogar konträrer Meinung und fordern seit langem den Kampf gegen die Verharmlosung und Legalisierung der Prostitution.

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Und in der Zeitschrift des Juristinnenbundes, der ebenfalls im Frauenrat organisiert ist, sowie in Streit, dem Organ der feministischen Juristinnen, zum Beispiel tobt seit langem die Debatte , denn es gibt zwei Lager bei den Juristinnen: das eine ist für eine weitestgehende Legalisierung der Prostitution, das andere ist für die Bestrafung von Freiern.

Auf seiner Webseite weist der Dachverband des Frauenrates die Informationen von EMMA jedoch vollmundig zurück. Und in einem Schreiben vom 25. Februar (Abonnentinnen haben die EMMA früher) an alle Mitgliedsverbände kündigten die Geschäftsführerin Anja Nordmann sowie die stellvertretende Vorsitzende Susanne Kahl-Passoth an, sie erwägten „aufgrund zahlreicher sachlich falscher Darstellungen“ in dem EMMA-Artikel „eine Gegendarstellung zu verlangen“. Das war vor acht Wochen.

EMMA hätte eventuelle Missverständnisse gerne berichtigt. So wie wir es nachfolgend an zwei Stellen ungefragt tun. Erstens: Die „quasi monatlichen Pressemitteilungen“ sind öffentliche „Nachrichten“ auf der Homepage des Frauenrates. Zweitens: Die Pro-Prostitutions-Broschüre ist nicht vom Frauenrat herausgegeben worden, wie zunächst angenommen, sondern u.a. von der (damaligen) Geschäftsführerin des Frauenrates.

Doch EMMA hat vom Dachverband des Frauenrates seit der Veröffentlichung Ende Februar kein Wort gehört. Wir müssen also davon ausgehen, dass der nachfolgend an zwei Stellen unwesentlich korrigierte Text aus der März/April-Ausgabe jetzt uneingeschränkt zutreffend ist.

Der Deutsche Frauenrat ist der Dachverband von 56 sehr unterschied­lichen Frauenverbänden. Manche haben Hunderttausende von Mitgliedern, wie die Frauenverbände der Parteien und Kirchen; andere Tausende, wie die Berufsverbände; wieder andere nur ein paar Hundert, wie die Feministische Partei. Er ist auf jeden Fall ein bunter Haufen mit einer Vielfalt von Interessen und Meinungen. Darum gilt der Frauenrat politisch als Elefant auf ­tönernen Füßen. Denn eine dezidiert politische Haltung kann er schon wegen dieser Vielfalt kaum haben. Sehen wir einmal von frauenpolitischen Essentials wie Gleichberechtigung oder gleiche Bezahlung ab (doch schon beim zweiten Punkt wird es heikel).

Seit einigen Jahren aber ist der Frauenrat bei einem Thema extrem meinungsfreudig und produziert quasi im Monatstakt öffentliche „Nachrichten“: beim Thema Prostitution.

Genauer ­gesagt, die ehemalige Geschäftsführerin des Dachverbandes in Berlin, Henny Engels (seit November im Ruhestand, doch weiterhin aktiv im Vorstand des „Lesben- und Schwulenverbandes“) ist so meinungsfreudig, im Namen von Millionen Mitgliedern. Und auch jetzt, wo Engels in Pension ist, macht die Berliner Geschäftsstelle des Dachverbandes munter so weiter. Sie vertritt die Auffassung: „Prostitution ist ein Beruf wie jeder andere“ und beschäftigt sich quasi ausschließlich mit der Lage der extremen Minderheit der so genannten „freiwilligen Prostituierten“, die Hunderttausenden von Elendsprostituierten sind nicht ihr Thema.

In Brüssel ist man über den deutschen Sonderweg irritiert

In Brüssel ist man über den deutschen Sonderweg der Frauenlobby seit langem hoch irritiert. Denn die überwältigende Mehrheit aller nationalen Frauenräte auf EU-Ebene versteht Prostitution als schweren Verstoß gegen die Menschenwürde, ist für verstärkten Schutz und Ausstiegshilfe für Frauen und die Bestrafung der Freier.

Nicht so der Deutsche Frauenrat bzw. sein Berliner Vorstand. Der legte in den Wochen vor der Entscheidung der Koalition für einen neuen Gesetzentwurf erst so richtig los. Am 9. Januar wurden die Damen vorstellig bei Kanzlerin Merkel (die unseres Wissens noch nie eine Anti-Prostitutions-Delegation empfangen hat). Und am 27. Januar veröffentlichte der Frauenrat, zusammen mit Sympathisantinnen, einen „Offenen Brief“ an: die Kanzlerin, Ministerin Schwesig sowie die Herren Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder (CDU/CSU) und Thomas Oppermann (SPD). Pünktlich eine Woche vor Verabschiedung des Entwurfs der Koalition zum Prostitutionsgesetz. Gut getimed.

In diesem Offenen Brief wiederholt der Vorstand des Frauenrates die höchst problematische Behauptung von der angeblich drohenden „Kriminalisierung der Prostitu­tion“ (und verschweigt wieder einmal, dass nicht die Frauen, sondern nur die Profiteure der Prostitution kriminalisiert werden sollen). Darüber hinaus bezog der Dachverband im Namen aller 56 Mitglieder zu ­folgenden in der Gesellschaft wie in den Verbänden hoch kontrovers diskutierten Punkten Position und behauptete:

1. Der Frauenrat sei gegen die Bestrafung von Freiern.

2. Der Frauenrat sei gegen die Heraufsetzung des Mindestalters von 18 auf 21 Jahre.

3. Der Frauenrat sei gegen eine verpflichtende Gesundheitsuntersuchung.

4. Der Frauenrat sei gegen eine Anmeldepflicht für Prostituierte.

Dass die Prostitutionslobby diese vier ­Positionen vertritt, ist bekannt. Aber der Deutsche Frauenrat, dessen Vorstand laut Geschäftsordnung gebunden ist an die ­Beschlüsse seiner Mitglieder? 

Eine Mitgliederversammlung zum Thema hatte es beim Dachverband in Berlin zuletzt am 10. November 2013 gegeben. Bei der Gelegenheit war über „regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen und Beratung außerhalb der Arbeitsstätten“ geredet worden und darüber, dass für die – ja real existierende – Gruppe der 18–21-Jährigen „ein der besonderen Verletzlichkeit dieser Altersgruppe entsprechendes Beratungsangebot flächendeckend vorgehalten werden“ müsse. Und zu der Frage der „Anmeldepflicht“ hatte Henny Engels, damals noch Geschäftsführerin, noch am 24.9.2014 bei ihrem „Grußwort zum Sexarbeiterinnenkongress“ (!) wörtlich erklärt: „Wir haben dazu keine Beschlusslage – und ich kann mir gut vorstellen, dass die Meinungen dazu im Deutschen Frauenrat weit auseinander gehen.“ – Bleibt nur zu hoffen, dass es sich bei den im "Offenen Brief" im Namen des gesamten Frauenrats aufgestellten Behauptungen nicht um eine wissentliche Manipulation durch den Dachverband handelt. 

Befragt von EMMA reagierten etliche der Mitgliedsverbände entsprechend empört. Für die CDU-Frauenunion schrieben Maria Böhmer (Bundesvorsitzende), Rita Süssmuth (Ehrenvorsitzende) und Annegret Kramp-Karrenbauer (Ministerpräsidentin) noch am 2. Februar: Der Offene Brief „spiegelt nicht die Position der Frauenunion wider“. Einen Tag vor Veröffentlichung des faulen Kompromisses der Koalition. Denn es sei „unstreitig, dass vermeintlich legale Prostitution oft die Fassade für Gewalt gegen Frauen, Zwangsprostitution, Menschenhandel und mafiöse Strukturen ist“. Die Frauenunion plädiere darum: für die Heraufsetzung des Schutzalters auf 21, für eine verpflichtende Gesundheitsuntersuchung und für die Anmeldepflicht. Dem schloss sich Barbara Lanzinger von der Frauenunion der CSU uneingeschränkt an.

Etliche der Mitglieds-
verbände reagierten empört

Ebenso reagierte der „Katholische Deutsche Frauenbund“ mit seinen 200.000 Mitgliedern. Die Präsidentin und Bundestagsabgeordnete Maria Flachsbarth schrieb an den Vorstand des Deutschen Frauenrates: „Mit Verwunderung nehmen wir zur Kenntnis, dass Sie uns erst drei Tage nach der Veröffentlichung Ihres Offenen Briefes persönlich anschreiben. Aus unserer  Sicht wäre es wünschenswert gewesen, dass sich der Vorstand des Deutschen Frauenrates bei einem (frauen)politisch so kontrovers diskutierten Thema eigenverantwortlich vorab an seine Mitglieder wendet.“

Doch das scheint der Vorstand des Frauenrates nicht oder nur in Ausnahmefällen getan zu haben – wenn man dem Schreiben der Vorsitzenden des Journalistinnenbundes, Andrea Ernst, glauben darf. Die antwortete nämlich EMMA auf Anfrage prompt: „Wir sind über die Aktivitäten des Deutschen Frauenrates sehr gut informiert und tragen die Stellungnahme des Frauenrates mit.“ Ob die vermutlich nie befragten 500 Mitglieder des Journalistinnenbundes das genau so sehen?

Noch verwunderlicher wird die Offensive des Frauenrates pro Prostitution, liest man die Positionen der Landesfrauenräte. Die sind zwar rein formal nicht unter dem Dach des Bundesfrauenrates organisiert, sondern eigenständige Landesverbände – repräsentieren aber eben doch die Basis des Frauenrates. Die Konferenz dieser Landesfrauenräte forderte schon am 9. Juni 2013 (also noch vor dem EMMA-Appell), ein „Prostitutionsverbot“ zu beschließen: in einem Brief an die Landesregierungen, die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag. Denn: „Eine Gesellschaft ohne Prostitution ist das Ziel.“ Dazu müsse der Gesetzgeber „einerseits wirksamere Schutzmaßnahmen für die in der Prostitution tätigen Frauen fordern, andererseits die Käufer/Freier mit der gesellschaftlichen Unerwünschtheit ihres Verhaltens konfrontieren“.

Wie verträgt sich eine solche Stellungnahme der Landesfrauenräte nun mit dem „Offenen Brief“ des Bundesfrauenrates? Gar nicht. Irgendwo muss also irgendeine gedreht haben.

Und wer hat eigentlich den „Offenen Brief“ noch unterzeichnet? Allen voran der Deutsche Juristinnenbund, einst Speerspitze für Gleichberechtigung und Menschenwürde. Er ist die schmerzlichste Überraschung in dem Pro-Prostitutions-Bündnis. Was allerdings die Mitglieder des Juristinnenbundes dazu sagen, ist bisher nicht bekannt. Außerdem unterzeichneten: die Diakonie, die Aids-Hilfe, die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen und die Dortmunder Mitternachtsmission – sie alle keine wirkliche Überraschung, da seit langem als Befürworterinnen einer Deregulierung der Prostitution bekannt.

Bei der Pressekonferenz, auf der das Pro-Prostitutions-Bündnis am 28. Januar 2015 in Berlin den Offenen Brief vorstellte, sprach Susanne Kahl-Passoth, 66, die stellvertretende Vorsitzende des Frauenrates. Als Chefin der Diakonie in Berlin war sie noch 2013 für die Anhebung des Schutzalters auf „mindestens 21 Jahre“ gewesen. Im November 2013 hat sie dann den „Appell pro Prostitution“ unterzeichnet, mit dem die Lobby auf den EMMA-Appell reagierte. Woher der Gesinnungswandel?

Für den Juristinnenbund sprach Maria Wersig, 36. Die gebürtige Weimarerin und Familienrechtlerin ist Vertretungsprofessorin an der Fakultät Diakonie der Hochschule Hannover und war Gastbloggerin beim Missy Magazine. Sie gehört zum Bündnis „feministischer Juristinnen“. Wersig vertrat auf der Pressekonferenz zum „Offenen Brief“, zusammen mit Marianne Rademacher von der Aids-Hilfe, die Pro-Prostitutions-Position am offensivsten.

Bereits im April 2014 erschien eine 50-seitige Broschüre mit dem Titel: „Prostitution in Deutschland - fachliche Betrachtung komplexer Herausforderungen". Die „fachliche Betrachtung" besteht vor allem aus der Übernahme der Positionen der einschlägig bekannten Pro-Prostitutions-Lobby der „Sexarbeiterinnen", deren Forderungen als „wichtige Schritte in die richtige Richtung“ bezeichnet werden. Mitherausgeberin der auf der Webseite des Frauenrates beworbenen Pro-Prostitutions-Broschüre ist die (damalige) Geschäftsführerin des Frauenrates, Henny Engels.

Übrigens: Personell und finanziell ist der Dachverband des Frauenrates beneidenswert gut ausgestattet: acht Angestellte und eine jährliche, institutionelle Förderung über 610.000 Euro vom Bundesfrauenministerium. Da ließe sich einiges Sinnvolles mit machen.

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Das soll eine Reform sein?

Das Laufhaus Pascha in Köln, eine der Sexfabriken in Deutschland.
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79 eng beschriebene Seiten legte das Frauenministerium Ende März im kleinen Kreis vor. Der Gesetzesentwurf soll künftig den „Schutz von in der Prostitution tätigen Personen“ regeln. Was er auf den ersten Blick auch tut. „Mindestalter für den Betreiber, mehr Rechte für die Polizei, strengere Auflagen für Bordellbetreiber!“, meldete Spiegel Online am 11. April. Mehr noch: Sogar „ein Grundrecht soll eingeschränkt werden“ (nämlich das auf „Unverletzlichkeit der Wohnung“ im Falle von Kontrollen in Wohnungsbordellen). Das klang ganz so, als würde das Frauenministerium es ernst meinen mit dem „Schutz für Menschen in der Prostitution“ und der Bestrafung sexueller Ausbeutung.

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LobbyistInnen
jubeln über
das lasche 
Prostitutions-
schutzgesetz

Dabei hätte der Spiegel es da schon ­besser wissen können. Denn bereits zwölf Tage zuvor, am 30. März, hatten drei Unions-Abgeordnete eine scharfe Pressemitteilung veröffentlicht: „Lobbyisten jubeln über lasches Prostitutionsschutzgesetz“, hieß es da und: „Der Triumph der Zuhälter und Bordellbetreiber ist eine Schande für die Bemühungen der Regierungskoa­lition zum Schutz von Frauen im Sex­gewerbe!“

Die Kritiker haben leider recht. Die nun vorliegende Reform ist weniger als halbherzig. Zwar wird endlich auch vom Gesetzgeber festgestellt: „Prostitution ist kein Beruf wie jeder andere.“ Und auch der Zugang der Polizei zu Prostitutionsstätten wird in Zukunft leichter sein, wenn auch nur „in dringenden Fällen“. Aber das ist auch schon fast alles.

Die entscheidenden Punkte jedoch fehlen oder sind bis zur Wirkungslosigkeit aufgeweicht. Als da sind:

  • Die Anhebung des Mindestalters für Prostituierte von 18 auf 21 Jahre. Das große Geschäft läuft heute vor allem mit den ganz jungen, besonders Wehrlosen. Aber der Gesetzgeber scheint daran nicht rühren zu wollen.
  • Die Anmeldepflicht. Der Entwurf definiert nicht, wo die Frauen angemeldet sein müssen. Die einzig effektive Anmeldung wäre die bei der Polizei und das an jedem Ort, an dem die Frauen tätig werden (Damit eine Kontrolle über die Verschiebung des „Frischfleisches“ von Stadt zu Stadt durch die Frauenhändler möglich ist). Doch all das ist im Gesetz nicht geregelt, da ist nur von einer einmaligen Anmeldung irgendwo im Hauptort die Rede. Pro-Prostitutionsländer wie z.B. NRW oder Berlin könnten die Anmeldung also bei den wirkungslosen Ordnungsämtern ansiedeln.
  • Die Gesundheitsuntersuchung. Sie ist einmal im Jahr geplant und soll nur eine „Beratung“ sein, d.h. ohne Untersuchung. Das ist zum einen zu ­selten und zum zweiten würde eine „Beratung“ die häufig geschlechtskranken Frauen nicht schützen.
  • Die Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten. Hier fehlen die Wohnungen, die quantitativ längst das Angebot in den Bordellen übersteigen. Da Prostitution in Deutschland nicht mehr als „sittenwidrig“ gilt, kann nämlich heutzutage jeder eine Wohnung anmieten und dort Frauen anbieten. Die meist aber des Deutschen nicht mächtigen Ausländerinnen, denen von ihren Zuhältern häufig auch der Pass abgenommen wird, sind in diesen „Model-Wohnungen“ noch ausgelieferter und isolierter als in Bordellen oder auf dem Straßenstrich.
  • Der Mietwucher. Laufhäuser wie das Pascha nehmen von den sich prostituierenden Frauen 160 Euro am Tag (also 4.800 Euro im Monat) für winzige Zimmer. Hier müsste dringend festgeschrieben werden, dass die Mieten „nicht die ortsüblichen Mieten für Gewerberäume überschreiten“ dürfen. Auch das ist nicht geschehen.
  • Das Weisungsrecht. Zwar dürfen die Bordellbetreiber keine Weisungen „über Art und Ausmaß sexueller Dienstleistungen“ geben, aber das war schon immer so. Andere Weisungen – wie das Nacktgebot oder das Telefonverbot – sollen weiterhin erteilt werden können.

Außerdem wimmelt es von verfänglichen Formulierungen in Bezug auf die Bordellbetreiber: „Das Tolerieren von Ausbeutung und Zuhälterei darf nicht dauerhaft hingenommen werden.“ – Kurzfristig aber schon? Und es fehlt ganz die Regulierung der Gelegenheitsprostitution.

Kurzum, mit so einer „Reform“ wird Deutschland auch in Zukunft ein Eldorado für Frauenhändler und Einreiseland für Sextouristen bleiben. Das sehen auch die drei protestierenden Christsozialen so. Die CSU ist die einzige Partei, die bereits im Herbst 2013 sogar die Bestrafung von Freiern gefordert hatte, und das nicht nur bei „Zwangsprostituierten“.

So wird Deutschland auch in Zukunft ein Eldorado für Frauenhändler bleiben

Die drei CSU-Abgeordneten reagierten auf einen Spiegel-Bericht im März über die engen Verflechtungen zwischen dem Verband der Bordellbetreiber (UEGD) und dem Verband der so genannten „Sexarbeiterinnen“ (BesD), sowie die Rolle, die diese LobbyistInnen beim Hearing des Familienministeriums zur Prostitution im Juni 2014 gespielt hatten. Bordelllobbyist Holger Rettig war damals so zufrieden über seinen Auftritt im Ministerium gewesen, dass er sich ­anschließend gemeinsam mit seinen „Freundinnen“ vom Sexarbeiterinnen-Verband bei Manuela Schwesig bedankte. Spätestens das hätte der Ministerin zu denken geben müssen.

„Es hätte schlimmer kommen können“, kommentiert Rettig jetzt selbstgefällig dem Spiegel gegenüber den nun vorliegenden Gesetzesentwurf. In der Tat, alle entscheidenden Punkte, die der Prostitutionsbranche das Geschäft mit den Frauen vermiest hätten, scheinen vom Tisch oder mindestens stark abgeschwächt zu sein. Und schon wittern Rettig & Co. Morgenluft. Rettig kündigte an, dass man sich keineswegs das Geschäft mit den Gang-Bang-Partys (simulierte Gruppenvergewaltigungen) verbieten lassen wolle. Dafür will sein Verband „notfalls bis vors Verfassungsgericht“ gehen.

„Hat die Zuhälterlobby über den Rechtsstaat gesiegt?“, fragen Barbara Lanzinger, die Vorsitzende der CSU-Frauen, Hans-Peter Uhl und Volker Ullrich zu recht in ihrer Pressemitteilung. Sie bezeichnen den Gesetzesentwurf aus dem Hause Schwesig als „Triumph der Zuhälter und Bordellbetreiber“ und schreiben: „Es bleibt nur zu hoffen, dass von dieser Seite keine Gelder für die Entschärfung von gesetzlichen Regelungen geflossen sind“. Die Abgeordneten fordern die SPD-Fraktionsführung auf, sich zu „besinnen“ und neu in der Koalition zu verhandeln.

Doch die Parteispitzen der Großen Koalition halten sich bedeckt bei dem Thema Prostitution und Frauenhandel. Das ist in der Union nicht anders als bei den Sozialdemokraten. Auch aus dem Mund der Kanzlerin war bisher kein einziges Wort zur Prostitution zu hören. Dabei betrifft die nicht nur das Leben von Hunderttausenden von Elendsprostituierten in Deutschland, sondern auch das alle betreffende Frauenbild und Männerbild in unserem Land.

International steht das Pro-Prostitu­tionsland Deutschland heute fast allein da. Im Ausland ist man „entsetzt“ über die inhumanen Verhältnisse im deutschen Sexgewerbe, insbesondere über die Großbordelle und Praktiken wie Flatrate und Gangbang-Partys.

Im März bekam Merkel darum Post aus New York: über hundert Frauenorganisationen schrieben, initiiert von der weltweiten „Coalition Against Trafficking in Women“ (CATW), an die Kanzlerin.

Bleibt nur zu hoffen, dass keine Gelder für die Entschärfung geflossen sind

Die erinnerten die deutsche Bundeskanzlerin daran, dass Deutschland seit Jahren internationale Abkommen zum Kampf gegen die Prostitution schlicht ignoriert. Allen voran die „UN-Konvention zur Bekämpfung des Menschenhandels und der Ausbeutung von Prostituierten“, in der es heißt: „Die Prostitution und das sie begleitende Übel des Menschenhandels sind mit der Würde und dem Wert des Menschen unvereinbar.“ Wer ein „Bordell unterhält, leitet oder wissentlich finanziert“, müsste laut UN strafrechtlich verfolgt werden. 91 Staaten haben die Resolution unterzeichnet. Deutschland nicht.

Die Unterzeichnerinnen des Appells lenken „die Aufmerksamkeit der Kanzlerin auch auf die Resolution des EU-Parlaments vom 26. Februar 2014“, nach der Prostitution eine „Verletzung der Menschenwürde“ ist, die im „Gegensatz zu Menschenrechten und Gleichberechtigung steht“ und daher „unvereinbar ist mit der Grundrechts-Charta der Europäischen Union“. Sie schreiben: „Die Welt schaut auf Deutschland und darauf, ob es sein Prostitutionsgesetz ändert.“

Was Deutschland wenig zu scheren scheint. Die Reform des Prostitutionsgesetzes von 2002 soll bereits am 1. Juni im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden. Heißt das, dass man sich mit dem vorliegenden Gesetzestext bescheiden will? Und sollen die notwendigen drei Lesungen im Parlament, wie üblich bei unbequemen Gesetzen, nach all den Jahren und Jahrzehnten der gesellschaftlichen Debatte etwa im Mai hastig durchgepeitscht werden? Das sollten alle, die für Prostituierte und gegen Prostitution sind, zu verhindern wissen!

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